Trocknen, schmelzen, frittieren: Prozesswärme ist ein fossiler Energiefresser. Grüne Speichermodule sollen das ändern – doch der Markt nimmt nur langsam Fahrt auf.
Schmelze
Aluminium verflüssigt sich bei und 660 Grad Celsius. Die Öfen der Metallindustrie sind ein Anwendungsbereich der Prozesswärmespeicher.
Bild: dpa
Düsseldorf Fabriktürme und Lüftungsgatter schleudern große Mengen Wärmeenergie in die Umwelt – gleichzeitig produzieren Solar- und Windparks an manch guten Tagen überschüssigen Strom, der nur schwer speicherbar ist. Angesichts des nahenden Klimaziels der Bundesregierung – Treibhausneutralität bis 2045 – sind beide Szenarien problematisch, weil viel nutzbare Energie verloren geht.
Kraftblock, ein Start-up aus Sulzbach im Saarland, will der Energieverschwendung nun ein Ende setzen. Der Ansatz: bauklotzartige Module, in denen ein Granulat erhitzt wird, das die Wärme bis zu zwei Wochen lang speichert. 2014 wurde das Unternehmen vom Chemiker Martin Schichtel und der Wirtschaftswissenschaftlerin Susanne König gegründet. Nun haben sie einen Großauftrag des Lebensmittelhersteller Pepsico in den Niederlanden ergattert, für den Kraftblock mit dem Energieriesen Eneco Gas kooperieren wird.
Industrie und Haushalte halten sich im bundesweiten Energieverbrauch die Waage. Der Großteil entfällt in beiden Sektoren auf die Wärme- und Kälteerzeugung. Die Hauptenergiequellen: Erdgas, Kohle, Öl. Mit erneuerbaren Energien wurden 2020 nur 16,5 Prozent der Wärme für Industrie und Haushalte erzeugt, wie das Umweltbundesamt mitteilt.
„Die Wärmewende ist noch nicht so wirklich in Gang gekommen“, sagt Kraftblock-CEO Martin Schichtel. Regulatorische Hürden und ein lebloser Markt in Deutschland haben das Start-up dazu bewegt, erste Geschäfte im Ausland zu machen. „In den Niederlanden konnten wir auch eine größere Risikobereitschaft feststellen“, erklärt Schichtel.
„Oberste Priorität muss es sein, die Energieeffizienz der Industrie zu steigern, auch indem Wärme möglichst lange wiederverwendet wird", erklärt Paul Münnich, Projektreferent beim Thinktank Agora Energiewende. Wärmespeicher, die Energie über Solar- oder Windkraftanlagen beziehen, können Unternehmen auch dann mit klimaneutraler Wärme versorgen, „wenn die Sonne nicht scheint“, sagt Münnich. Allerdings setze die Netzentgeltverordnung Anreize, Strom möglichst gleichmäßig zu beziehen: „Das hemmt die Wirtschaftlichkeit von Wärmespeichern. Stattdessen muss der flexible und systemdienliche Stromverbrauch attraktiv werden.“
Was mit einem Teil der Prozesswärme aus der Industrie passiert, zeigen vielerorts dampfende Schornsteinkulissen: Sie wird als Abwärme an die Umwelt weitergegeben. Das scheint verschwenderisch – und ist es auch: Eine gezielte Abwärmenutzung könnte den Energiebedarf von Industrien senken und die Umweltbelastung verringern, konstatiert eine Studie der Fraunhofer-Gesellschaft.
Diese Marktlücke, die zwischen Produktion und Abwärmeentsorgung klafft, wird Stück für Stück von verschiedenen Speicher-Anbietern gefüllt. Kraftblock ist eines dieser Unternehmen. In den Niederlanden will das Start-up ein Hochtemperatur-Speichersystem in einer Fabrik des Lebensmittelkonzerns Pepsico installieren. In der Produktion nördlich von Amsterdam soll im Rahmen des Projekts die Herstellung von Kartoffelchips dekarbonisiert werden.
Wärmespeicher
In solchen Containern speichert das Start-up Kraftblock Energie in Form von Wärme. Produziert wird die beispielsweise aus Solarstrom.
Bild: Kraftblock
„Wir arbeiten in dem Projekt mit unserem Net-Zero-Heat-System“, erklärt der CEO gegenüber dem Handelsblatt. Heißt: Der Eneco-Konzern liefert grünen Strom aus Windkraftanlagen, der nach dem sogenannten Power-to-Heat-Prinzip („Energie zu Wärme“) in Wärmeenergie umgewandelt und in den Thermalmodulen von Kraftblock gespeichert wird. Zwei dieser Module mit je 35 Megawattstunden Kapazität sollen bis Ende 2023 installiert werden, drei weitere sollen folgen.
Mit den Prozesswärmespeichern will Kraftblock die Gaskessel ersetzen, mit denen die Chips-Fabrik das Frittieröl erhitzt. Die zwei ersten Module sollen dadurch jährlich 4,5 Millionen Kubikmeter Gas einsparen.
Der Vergleich zeigt, dass diese große Zahl im Industriemaßstab noch eher klein ist: Allein die Chemiebranche in Deutschland verbraucht jährlich fast sieben Milliarden Kubikmeter Erdgas, die Lebensmittelindustrie benötigt knapp die Hälfte.
So entsteht nach Angaben des Unternehmens der größte kommerzielle Speicher dieser Art. Zum Aufbau des Systems erklärt CEO Schichtel: „Wir arbeiten modular, das heißt, dass die Speichereinheiten sowie die Be- und Entladestationen an die Umstände der Produktion angepasst werden können – das ,Lego'-Prinzip passt da als Vergleich sehr gut.“
Zum Ein- und Ausspeichern der Wärmeenergie verwendet Kraftblock separate Module. Bei der Beladung wird heiße Luft in den Speicher getankt und heizt die darin befindliche Speichermasse, ein Granulat, auf. Die Entladung erfolgt auf ähnliche Weise: Kältere Luft wird durch das Trägermedium geblasen, erwärmt sich und tritt als nutzbare Wärmeenergie aus.
Auch andere Unternehmen wie Siemens Gamesa arbeiten nach diesem Konzept. Die Lavasteine der Tochter von Siemens Energy können auf bis zu 800 Grad Celsius erhitzt werden.
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Das Granulat in den Kraftblock-Modulen kann Temperaturen von 1300 Grad Celsius erreichen, erklärt Schichtel. Eine flexible Regelung zwischen Raumtemperatur und extremer Hitze mache das System für verschiedene Industrien attraktiv: von der Lebensmittelproduktion bis zur Kunststoff- oder Glasverarbeitung. Damit konnte Kraftblock in den vergangenen Jahren bereits das Interesse des niederländischen Unternehmers und Mitgründers des Reiseportals Booking, Kees Koolen, und des Investors Frank Thelen wecken.
„Die Aufteilung des Systems in verschiedene Module birgt den Vorteil, dass die Wärmespeicher flexibel transportiert werden können“, sagt Schichtel. Seine Vision: Wärme als klassisches Transportgut. „Das eröffnet auch neue Geschäftsmodelle für Logistikunternehmen“, meint der CEO. In einem ersten Projekt soll Wärme, die beim Prozess der Gasabfackelung in einem Stahlwerk entsteht, in die Kraftblock-Fabrik nach Sulzbach gefahren werden, um die dortigen Produktionshallen zu heizen.
Bis zu einer Woche halte sich die Wärme beim Transport in den Speichermodulen, in stationären Projekten bis zu zwei Wochen. „Irgendwann“, sagt Schichtel, „gelangt die Technik natürlich an den Kipppunkt zwischen der Isoliermasse und der Speichermenge.“
Münnich sieht das Transportmodell allerdings als Beleg dafür, „welche regulatorischen Fehlanreize hier gesetzt werden. Ziel muss es sein, Strom- und Wärmenetze sowie flexible Verbraucher – wie etwa Wärmespeicher – zügig auszubauen und einen systemdienlichen Energieverbrauch anzureizen.“
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