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09.01.2019

13:04

Energiewende absurd

Warum Uniper zwei moderne Gaskraftwerke stilllegen und gleichzeitig ein neues bauen will

Von: Jürgen Flauger

Uniper will im bayerischen Irsching zwei moderne Gasanlagen stilllegen. Doch genau an diesem Standort will der Stromproduzent jetzt eine neue Anlage bauen. Was dahintersteckt.

Uniper will ein neues Gaskraftwerk in Bayern bauen imago/imagebroker

Eon-Kraftwerk in Irsching an der Donau

Uniper will in Bayern zwei moderne Gasanlagen stilllegen – baut dort jetzt aber sogar eine neue.

Düsseldorf Im bayerischen Irsching bei Ingolstadt zeigt die Energiewende schon seit Jahren ihre absurde Seite: Dort stehen zwei hochmoderne, vergleichsweise saubere Gaskraftwerke, die eigentlich perfekt den Strom liefern könnten, den Wind- und Solaranlagen in vielen Stunden witterungsbedingt nicht produzieren.

Gerade durch den Boom der erneuerbaren Energien sind die Anlagen aber unrentabel geworden – und die Betreiber, allen voran Uniper, wollen sie stilllegen. Jetzt wird Uniper allerdings genau an diesem Standort sogar ein neues Gaskraftwerk bauen. Das kündigten der Stromproduzent und Netzbetreiber Tennet am Mittwoch an.

Uniper wird das Gaskraftwerk mit einer Kapazität von 300 Megawatt bauen und im Auftrag von Tennet ab Oktober 2022 betreiben. Das Kraftwerk ist dabei als „besonderes netztechnisches Betriebsmittel“ gedacht und soll „in besonderen Notsituationen als Sicherheitspuffer in der Stromversorgung bereitstehen“. Die Anlage soll also kurzfristig hoch- und heruntergefahren werden, um das Stromnetz zu stabilisieren und Netzausfälle zu vermeiden.

Das ist nötig, weil Wind- und Solaranlagen zwar immer mehr Strom produzieren können und bei günstigen Bedingungen die deutsche Stromversorgung auch schon zu einem großen Teil decken. Wenn es trüb ist und kein Wind weht, bricht der Anteil erneuerbarer Energien aber auch schnell ein, und konventionelle Kraftwerke müssen die Stromversorgung gewährleisten.

Vor allem im Süden Deutschlands ist die Situation im Stromnetz angespannt. Dort sitzen zum einen viele große Verbraucher aus der Industrie. Zum anderen gehen nach und nach Atomkraftwerke vom Netz.

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Der Gesetzgeber hat deshalb den Übertragungsnetzbetreibern Tennet, Amprion und TransnetBW erlaubt, insgesamt 1200 Megawatt (MW) in neuen Gaskraftwerken aufzubauen – jeweils 300 Megawatt in vier Regionen im Süden Deutschlands. Ende Juni hatten die Netzbetreiber die neuen Aufträge ausgeschrieben. Uniper hat jetzt für die Region südliches Bayern den Zuschlag erhalten.

„Ich freue mich, dass Uniper den Zuschlag in der Ausschreibung für ein besonderes netztechnisches Betriebsmittel zur Sicherung der Stromversorgung erhalten hat“, sagte Eckhardt Rümmler, Mitglied des Uniper-Vorstands und Chief Operating Officer (COO). Tatsächlich kann Uniper für die Anlage mit stabilen Ergebnisbeiträgen planen. Tennet wiederum wird die Kosten über die Netzentgelte auf die Verbraucher umlegen.

Bundesnetzagentur hindert Stilllegung wegen Netzreserveverordnung

So weit so gut, würden in Irsching nicht zwei andere Kraftwerke stehen – um die Tennet und die Betreiber seit Jahren ringen. Uniper betreibt dort zum einen Block 4. Das Kraftwerk „Ulrich Hartmann“ mit einer Leistung von 561 MW war 2011 in Betrieb gegangen und gilt mit einem Wirkungsgrad von 60,4 Prozent als eines der effizientesten Gaskraftwerke weltweit. Die Anlage setzt 60,4 Prozent des eingesetzten Gases in Strom um und stößt entsprechend wenig klimaschädliches Kohlendioxid aus.

Block 5 mit 846 MW Leistung wurde 2010 in Betrieb genommen und ist mit einem Wirkungsgrad von 59,7 Prozent nur unwesentlich schwächer. Hier hält Uniper 50,2 Prozent der Anteile. Die restlichen gehören den Regionalversorgern N-Ergie, Mainova und Entega.

Obwohl die Kraftwerke hocheffizient sind, lohnt sich der Betrieb wirtschaftlich aber nicht. In den vergangenen Jahren waren sie kaum noch am Netz, weil die Großhandelspreise die Kosten nicht decken konnten. Die Preise wiederum waren im Keller, weil der Markt mit Wind- und Solarstrom geflutet wurde, der zu festen Vergütungen vorrangig ins Netz eingespeist wird.

Die Betreiber wollen die Anlagen eigentlich stilllegen, werden von der Bundesnetzagentur aber daran gehindert. Weil sie als systemrelevant eingestuft werden, also zur Sicherung des Stromnetzes benötigt werden, müssen sie im Rahmen der sogenannten Netzreserveverordnung zur Absicherung paratstehen und kommen ausschließlich dann zum Einsatz, wenn ihre Leistung zur Stabilisierung des Netzes gebraucht wird. 

Dagegen wehren sich die Betreiber aber, weil dies ihrer Meinung nach unrentabel ist. In Gerichtsverfahren versuchen sie, eine endgültige Stilllegung oder eine angemessene Vergütung durchzusetzen.

Aber warum werden die Kraftwerke nicht als „besonderes netztechnisches Betriebsmittel“ bewertet und entsprechend vergütet – und warum wird stattdessen ein neues Kraftwerk gebaut? Das seien unterschiedliche gesetzliche Regelungen, erklärt ein Uniper-Sprecher. Das neue Gesetz sehe ausdrücklich den Neubau vor. Selbst in Kreisen der Betreiber herrscht darüber aber Unverständnis. Der „Irrsinn in Irsching“ gehe weiter, heißt es.

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