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23.08.2022

19:03

Energiewende

Eon und Uniper wollen grünes Ammoniak aus Kanada beziehen

Von: Claudia Scholz, Julian Olk

An der kanadischen Ostküste soll ab 2025 grüner Wasserstoff in großem Maßstab entstehen. Einen Teil davon haben sich nun deutsche Unternehmen in Form von Ammoniak gesichert.

Eon imago images/Joerg Boethling

Elektrolyseur von Eon in Hamburg

Ab 2025 sollen 500.000 Tonnen Ammoniak aus Kanada nach Deutschland kommen.

Düsseldorf Die Energiekonzerne Eon und Uniper wollen die Dekarbonisierung mit dem Einkauf von grünem Ammoniak aus Kanada vorantreiben. Die Unternehmen hätten hierzu am Dienstag mit der kanadischen Entwicklungsgesellschaft EverWind Fuels Absichtserklärungen unterzeichnet, teilten Eon und Uniper mit. Ammoniak besteht aus Wasserstoff und Stickstoff.

Die deutschen Versorger strebten die Abnahme von jährlich jeweils rund 500.000 Tonnen Ammoniak aus der EverWind-Produktionsanlage Point Tupper in Nova Scotia an. Die Anlage soll 2025 den kommerziellen Betrieb aufnehmen.

Es ist ein privates Wasserstoffabkommen, das neben dem großen Abkommen zwischen Kanada und Deutschland geschlossen wurde. Bundeskanzler Olaf Scholz und Premierminister Justin Trudeau planen, den Export von Wasserstoff nach Deutschland auszubauen.

Deutschland sieht in Wasserstoff einen wichtigen langfristigen Ersatz für russisches Erdgas und eine Möglichkeit, sein Ziel zu erreichen, den gesamten Strombedarf bis 2035 aus erneuerbaren Quellen zu decken.

EverWind plant derzeit eine mehrstufige Anlage zur Produktion und zum Export von grünem Wasserstoff und Ammoniak, die sich in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befinde und voraussichtlich Anfang 2025 den Betrieb aufnehmen werde, heißt es. Es wäre das erste Ammoniak-Terminal an der Ostküste Kanadas, das für den Export nach Deutschland geeignet ist.

Wasserstoff kann nur unter extremen Bedingungen verschifft werden

Wasserstoff kann in seiner reinen Form nur unter hohem Aufwand verschifft werden. Das liegt daran, dass die Moleküle auf minus 253 Grad gekühlt werden müssen, um einen flüssigen Zustand zu erreichen.

Dabei geht zwangsläufig trotz extrem dichter Behälter Wasserstoff verloren, weil die Temperatur nicht zuverlässig und konstant nahe dem absoluten Nullpunkt gehalten werden kann, sodass einzelne Moleküle wieder in den gasförmigen Zustand übergehen.

Deshalb kommt der Transport in Form von Ammoniak zum Einsatz. Ammoniak besteht aus Stickstoff und Wasserstoff und ist eine der meistproduzierten Grundchemikalien überhaupt. Ein großer Teil der Weltproduktion wird zu Stickstoffdünger verarbeitet, der in der Landwirtschaft zum Einsatz kommt.

Die Produktion ist sehr energieintensiv, der benötigte Wasserstoff wird meist mit Erdgas oder anderen fossilen Energieträgern gewonnen. Bei grünem Ammoniak soll der Wasserstoff mit Energie aus erneuerbaren Quellen produziert werden.

Weil Ammoniak zum Transport nur auf minus 33 Grad gekühlt werden muss und eine viel höhere Energiedichte als flüssiger Wasserstoff hat, ist der Transport einfacher und vor allem günstiger. Einziges Problem: Wird das Ammoniak nicht direkt verarbeitet, sondern wieder in Wasserstoff und Stickstoff gespalten, braucht es erneut viel Energie.

Offshore-Windkraft dpa

Offshore-Windkraft

Der grüne Wasserstoff soll auch mit Strom aus Offshore-Windrädern entstehen.

Mit dem Bau der Ammoniakanlage wird voraussichtlich 2023 begonnen, sagte EverWind-Sprecher Ken Summers dem Handelsblatt. Die Anlage wird grünen Wasserstoff produzieren und diesen in grünes Ammoniak umwandeln, wobei eine Mischung aus zertifiziertem Ökostrom aus dem Stromnetz von Nova Scotia und Onshore-Windenergie zum Einsatz kommt. Weitere Phasen der Anlage werden durch Offshore-Windkraft angetrieben, was die Produktion von mehr als zehn Millionen Tonnen grünen Ammoniaks pro Jahr ermöglicht.

In einer Erklärung sagte Klaus-Dieter Maubach, CEO von Uniper, dass eines der Hauptziele von Uniper die effektive Dekarbonisierung anderer Industrien sowie der eigenen sei. Zudem könne mit dem neuen Vertrag die Versorgungssicherheit garantiert werden.

Das EverWind-Projekt sei eine „sehr vielversprechende Möglichkeit, grünes Ammoniak zu beziehen, basierend auf hervorragenden Bedingungen und Regierungsbeziehungen, die das Vorhaben unterstützen“, so Maubach.

Eon verspricht sich eine „transatlantische Wasserstoffbrücke“

Patrick Lammers, COO und Vertriebsvorstand von Eon, beschreibt das Abkommen als eine transatlantische Wasserstoffbrücke. „Auf diese Weise können wir die Energie des kanadischen Windes per Schiff nach Deutschland bringen.“

Für den Vertragsabschluss waren vorher große Investitionen nötig. Trent Vichie, CEO von EverWind, hat ein ehemaliges Öllager im Point Tupper Heavy Industrial Park in der kanadischen Provinz Nova Scotia erworben und bis heute mehr als 100 Millionen Dollar aus eigenen Mitteln investiert, auch zum Kauf eines Ölterminals.

Um die Anlage nun hochzufahren, sind noch mal etwa eine Milliarde Dollar eingeplant. Dazu gehört auch die Umrüstung des Öl-Verladeterminals für die Beladung von Ammoniaktankern.

Bundeskanzler Scholz lobt Bemühungen der Industrie

Die Verträge wurden am Rande des Besuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck in Kanada unterzeichnet. „Die Transformation kommt voran. Unsere Industrie investiert, um künftig klimaneutral zu produzieren“, sagte Scholz. Die Vereinbarungen seien nicht nur ein wichtiger Schritt für die Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen, sondern auch für eine zukunftsfähige, nachhaltige Energieversorgung.

Dazu soll eine weitere Einigung zwischen einem deutschen und einem kanadischen Unternehmen beitragen. Diese wird ebenfalls am Dienstagabend im Rahmen der Kanzlerreise in Kanada unterzeichnet. Beteiligt sind die Flensburger Schiffbaugesellschaft (FSG) Nobiskrug und das kanadische Transportunternehmen Oceanex.

Nach Handelsblatt-Informationen soll FSG-Nobiskrug den Auftrag für den Bau eines Transportschiffs zur Belieferung der ostkanadischen Insel Neufundland erhalten. In der Kleinstadt Stephenville auf der Insel soll die Erklärung unterzeichnet werden.

Oceanex beliefert mit drei großen Transportschiffen Neufundland täglich mit Gütern, von Lebensmitteln über Rohstoffe bis hin zu Autos. Eines davon stammt bereits aus dem Werk von FSG-Nobiskrug.

Nun will Oceanex dem Vernehmen nach ein älteres Modell eines Wettbewerbers ersetzen und dafür ein zweites Modell bei den Deutschen in Auftrag geben. Dieses soll mit einer klimafreundlichen Antriebstechnologie ausgestattet werden.

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