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23.11.2020

11:55

Energiewirtschaft

Öl- und Gaskonzern Wintershall will klimaneutral werden – und setzt auf Wasserstoff

Von: Jürgen Flauger

Der Konzern will bis 2030 in den eigenen Anlagen klimaneutral sein. Öl hat nach Einschätzung von Wintershall Dea als Brennstoff keine Zukunft mehr.

Tiefpumpen stehen auf dem Gelände von Wintershall Dea in Niedersachsen. Der Konzern steht vor dem Börsengang. dpa

Ölproduktion in Deutschland

Tiefpumpen stehen auf dem Gelände von Wintershall Dea in Niedersachsen. Der Konzern steht vor dem Börsengang.

Düsseldorf Der globale Kampf gegen den Klimawandel setzt die Öl- und Gaskonzerne unter Druck. Nach BP, Shell und anderen Unternehmen hat sich nun auch Wintershall Dea Klimaziele gesetzt – allerdings nur für die Emissionen, die bei der eigenen Betriebstätigkeit anfallen. Öl und Gas wird das deutsche Unternehmen wie im bisherigen Umfang weiter fördern, zumindest vorläufig.

Bis 2030 will das Unternehmen die Emissionen seiner Aktivitäten bei Förderung und Produktion netto auf null bringen. Im Jahr 2019 fielen weltweit rund 2,5 Millionen Tonnen CO2 bei der Betriebstätigkeit des Unternehmens an.

„Wir sind realistisch. Die bei unserer Arbeit freigesetzten CO2-Mengen sind gemessen an den CO2-Emissionen, die bei der Verbrennung von Erdöl und Erdgas entstehen, gering“, räumte Vorstandschef Mario Mehren am Montag bei der Präsentation der neuen Ziele ein: „Aber diese direkt bei unserer Betriebstätigkeit entstehenden Emissionen auf netto null zu senken, ist ein Beitrag, den wir selbst leisten können und wollen.“

Wintershall Dea will alle Emissionen, die bei der Förderung von Erdgas und Erdöl durch den dadurch verursachten Energieverbrauch entstehen, so weit reduzieren, wie es „wirtschaftlich und technisch“ möglich ist. Emissionen, die nicht weiter reduziert werden können, möchte der Konzern kompensieren, also durch Klimaprojekte wie Waldschutz und Wiederaufforstung. Insgesamt will Wintershall Dea so bis 2030 rund 400 Millionen Euro in Klimaschutz investieren.

Die Öl- und Gasbranche wird nicht nur von Klimaschützern unter Druck gesetzt, sondern auch von Investoren, die mehr Nachhaltigkeit fordern. Zuletzt hatten sich schon BP und Shell ambitionierte Klimaziele gesetzt. Die beiden Konzerne wollen auch klimaneutral werden, was die eigene Betriebstätigkeit und den eigenen Energieverbrauch angeht. Zwar erst bis 2050, also später als Wintershall Dea – BP und Shell investieren aber auch Milliardensummen in erneuerbare Energien. 

BP und Shell investieren in erneuerbare Energien

BP plant, bis 2030 seine jährlichen Investitionen in alternative Energiequellen auf fünf Milliarden Euro zu steigern. So will der Londoner Konzern innerhalb der nächsten zehn Jahre 50 Gigawatt grünen Strom produzieren und gleichzeitig seine Öl- und Gasproduktion um 40 Prozent senken. Auch Shell will die Kosten im Öl- und Gasgeschäft massiv drücken und dafür in erneuerbare Energien investieren.

Die beiden Multis sind aber ungleich größer als Wintershall Dea. Vergleichbar ist der Konkurrent OMV aus Österreich. Der hat vor wenigen Wochen ebenfalls Klimaziele verkündet, strebt die Klimaneutralität seiner Betriebe aber erst bis 2050 an.

Wintershall Dea will unter anderem verstärkt auf Erdöl- und Erdgaslagerstätten setzen, aus denen „verhältnismäßig emissionsarm“ gefördert werden kann. Gleichzeitig möchte das Unternehmen die Energieeffizienz seiner Arbeit erhöhen. Das soll die Emissionen um rund die Hälfte senken. Die andere Hälfte soll kompensiert werden.

Neben Waldschutz und Aufforstung will sich Wintershall Dea in Wasserstoff-Projekten engagieren und in Projekten zur Speicherung des klimaschädlichen Kohlendioxids („Carbon Capture Storage“, kurz CCS) in der Nordsee.

Grafik

Bei Umwelt- und Klimaschützern stoßen die Initiativen von Öl- und Gaskonzernen auf Kritik, die zwar ihre eigenen Emissionen senken wollen, aber weiter an ihrem Geschäftsmodell festhalten. Schließlich gelten die fossilen Energieträger als die Haupttreiber des Klimawandels.

Wintershall verteidigt das eigene Geschäftsmodell aber. „Erdgas ermöglicht die Energiewende: Es ist kostengünstig, kohlenstoffärmer und flexibel einsetzbar und erzeugt bei der Strom- und Wärmegewinnung deutlich weniger Emissionen als Kohle“, erklärte das Unternehmen.

Gleichzeitig könne Erdgas zur Produktion von Wasserstoff in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eingesetzt werden. Öl werde zwar weiter eine Rolle spielen. Es sollte jedoch nicht als Brennstoff eingesetzt werden, „sondern als Grundstoff für viele Produkte wie Medikamente, neue Technologien und Gegenstände des täglichen Lebens“.

„Wir werden die Energiewende erfolgreich meistern“, versprach Mehren mit Blick auf das eigene Unternehmen: „Denn Veränderung ist schon immer Teil unserer Unternehmens-DNA.“ Wintershall habe sich von Kali und Salz hin zu Erdöl entwickelt, jetzt liege der Schwerpunkt schon „ganz deutlich auf Erdgas“. Nun kämen Innovationen in Themen wie CCS und Wasserstoff hinzu.

Wintershall Dea steht vor dem Börsengang

„Die Suche nach Lösungen treibt uns an, deshalb sind wir Ingenieure und Pioniere“, hielt Mehren fest. Über 2030 hinaus plane sein Unternehmen auch die Emissionen, „die überwiegend durch die Verbrennung der von Wintershall Dea geförderten Gas- und Ölmengen entstehen, signifikant zu reduzieren“. 

So habe sein Unternehmen unter anderem Zugang zu Feldern in der südlichen Nordsee, bei denen die Förderung bereits beendet sei und die für CCS geeignet sein könnten. Zudem habe Wintershall Dea Zugang zu einer „bedeutenden Pipeline-Infrastruktur“, die für CCS und den Transport von Wasserstoff benutzt werden könnte.

Das ist für das Unternehmen, das 2019 aus der Fusion von Wintershall und Dea hervorgegangen ist, langfristig mit Blick auf den globalen Trend zum Klimaschutz alternativlos. In 13 Ländern sucht und fördert es Gas und Öl – unter anderem ist es stark in Russland und Nordafrika aktiv.

Aber auch kurzfristig muss Mehren eine Antwort auf die Klimadebatte bieten. Das Unternehmen, das mehrheitlich BASF gehört, plant den Börsengang.

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