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23.05.2023

14:59

Gaspreisentwicklung

Gaspreis im Großhandel auf Ein-Jahres-Tief gesunken

Von: Kathrin Witsch

Der Gaspreis sinkt im Großhandel aktuell wegen der milden Temperaturen. Die Preise für Endkunden bewegen sich allerdings weiter auf Rekordniveau. Das Wichtigste im Überblick.

Gaspreise aktuell imago stock&people

Gaspreise aktuell

Die Gaspreisentwicklung macht Energie in Deutschland zunehmend teurer.

Düsseldorf Seit Mitte Dezember zeigt die Tendenz beim Gaspreis im Großhandel nach unten. Aktuell sind die Preise so tief wie seit einem Jahr nicht mehr.

Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur haben das zuletzt milde Wetter und mehr Windenergie zu einem geringeren Gasverbrauch in Deutschland geführt. Zuvor gab es jedoch rasante Anstiege. Zunächst löste die plötzlich steigende Nachfrage im Herbst 2021 eine Preisrally aus. Getrieben durch die Folgen des Ukrainekriegs kletterten die Kosten für eine Megawattstunde (MWh) Erdgas 2022 auf ein nie da gewesenes Allzeithoch. 

Verbraucher und Unternehmen müssen sich weiterhin auf einen deutlich höheren Erdgaspreis einstellen. Was kostet die Kilowattstunde (kWh)? Bleiben die Gaspreise so hoch? Was bringt die Gaspreisbremse? Wie hoch ist der Gasspeicher-Füllstand? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick. 

Gaspreisentwicklung: Wie hoch sind die Gaspreise aktuell?

Der Gaspreis liegt derzeit bei um die 29 Euro je Megawattstunde am niederländischen Großhandelsplatz TTF (Stand: 23.05.2023). So günstig war europäisches Gas zuletzt im Januar 2022. Der TTF-Kontrakt gilt als Richtschnur für das europäische Preisniveau. Seit Mitte Dezember zeigt die Tendenz beim Gaspreis nach unten. 

Auf dem Höhepunkt der bisherigen Preis-Aufwärtsspirale Ende August 2022 betrug der Großhandelspreis für eine MWh an der niederländischen TTF-Börse 346 Euro.

Gaspreisentwicklung: Warum sinkt der Gaspreis im Großhandel?

Auf dem Markt wurde als Grund für den aktuell fallenden Gaspreis auf milde Temperaturen verwiesen, die den Verbrauch vergleichsweise niedrig halten. 

„Was wir sehen, ist ein Stück weit auch eine Normalisierung“, sagt Gasexperte Andreas Schröder vom Marktforschungsunternehmen ICIS. Den Anstieg der vergangenen Monate habe man in Teilen zwar mit dem gesunkenen Angebot aus Russland erklären können, „aber nicht in dem Ausmaß“. Der Markt sei in Panik gewesen.

Verschiedene Faktoren beruhigen den Gasmarkt seitdem. Dafür sind vor allem die vollen Gasspeicher und eine sinkende Nachfrage verantwortlich. Aber auch wenn der Gaspreis merklich gesunken ist: die Preise bleiben auf einem historisch hohen Niveau. Zum Vergleich: In den Jahren zuvor kostete eine MWh Gas lediglich zwischen 10 bis 20 Euro. 

Seit Herbst 2021 ist der Erdgaspreis auf dem Terminmarkt nahezu durchgängig gestiegen. In den vergangenen zwölf Monaten haben sich die Kosten für Gas zwischenzeitlich um über 1000 Prozent erhöht.

Was zahlen Verbraucher aktuell für Gas in Deutschland?

Eine Kilowattstunde Gas kostet Verbraucher derzeit im Schnitt 10,4 Cent (Stand: April 2023) die Kilowattstunde. Im April zahlte ein Musterhaushalt (20.000 kWh Nutzenergie pro Jahr) damit circa 2077 Euro im Jahr für Gas. Derzeit befinden sich die Gaspreise für Endkunden trotzdem auf einem sehr hohen Niveau. 

Hundert Grundversorger haben in den vergangenen Monaten Gaspreiserhöhungen angekündigt. Viele treten jetzt in der ersten Jahreshälfte in Kraft. 

Seit Beginn des Jahres haben 44 Grundversorger die Preise erhöht – trotz Gaspreisbremse. Betroffen von den Erhöhungen sind rund 1,2 Millionen Haushalte. Die Erhöhungen betragen im Schnitt elf Prozent. Das entspricht Mehrkosten von durchschnittlich 259 Euro.

Trotz Senkungen liegen in der Grundversorgung noch 90 Prozent der Gastarife über der Gaspreisbremse. In der Alternativversorgung sind bereits 80 Prozent der Tarife günstiger als die Preisbremse.

Wie setzt sich der Gaspreis für Endverbraucher zusammen?

Der Gaspreis für Haushaltskunden setzt sich aus drei wesentlichen Preisbestandsteilen zusammen:

  • Beschaffungskosten und Vertriebskosten
  • Entgelte für die Netznutzung
  • Steuern und Umlagen

Den ersten Teil können die Gasanbieter selbst bestimmen. Der Anteil liegt in der Regel bei etwas mehr als 60 Prozent des Gesamtpreises. Netzentgelte und Steuern werden dagegen staatlich festgesetzt. Für die Netzentgelte werden aktuell elf Prozent des Gaspreises veranschlagt. Mit dem Erlös halten die Netzbetreiber das Gasnetz am laufen, warten und bauen es aus. Auch die Wartung und Messung der einzelnen Gaszähler werden hiermit finanziert.

Grafik

Der weitaus größere Teil geht für Steuern und Abgaben drauf. Sie machen mit über 24 Prozent fast ein Viertel des gesamten Gaspreises aus. Darunter fällt unter anderem die CO2-Steuer, die Erdgassteuer und die Umsatzsteuer, eine Konzessionsabgabe und mehrere Umlagen.

Wie hoch ist aktuell der Gasspeicher-Füllstand in Deutschland?

In Deutschland beträgt der Füllstand der Gasspeicher derzeit um die 72 Prozent. 

Kein anderes Land in Europa besitzt so große Speicherkapazitäten für Gas wie Deutschland: 47 Anlagen fassen insgesamt bis zu 24 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Das entspricht laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) 24 Prozent der EU-Speicherkapazität.

In den kalten Monaten wird das eingelagerte Gas in der Regel ausgespeichert und verteilt. In diesem Winter wird Deutschland wegen ausbleibender Gaslieferungen aus Russland deutlich stärker als sonst auf die Vorräte in den Gasspeichern angewiesen sein. Sie werden jedoch nicht ausreichen, um Gaslücken komplett auszuschließen.

Wie funktioniert die Gaspreisbremse? 

Die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission Gas und Wärme hat konkrete Vorschläge erarbeitet, um die Verbraucher zumindest die nächsten anderthalb Jahre von den hohen Gaspreisen etwas zu entlasten. 

Für private Haushalte und kleinere Verbraucher aus der Wirtschaft hat der Staat in einem ersten Schritt die Gas- und Fernwärme-Abschlagszahlung für den Monat Dezember übernommen.

Ab März dieses Jahres soll dann bis Ende April 2024 die eigentliche Gaspreisbremse eingesetzt werden: 80 Prozent des Gasverbrauchs, der sich am Verbrauch der Vergangenheit bemisst, werden zu zwölf Cent je Kilowattstunde Erdgas bereit gestellt. Die zwölf Cent entsprechen nach Ansicht der Kommission dem absehbaren Preisniveau der Zukunft. Die Differenz zu den tatsächlichen Marktpreisen übernimmt der Staat. Für den Rest des Verbrauchs zahlen die Gasverbraucher die aktuellen Marktpreise. Das gilt rückwirkend für Januar und Februar.

Gesetzespaket

Bundestag beschließt Gas- und Strompreisbremse ab Januar

Gesetzespaket: Bundestag beschließt Gas- und Strompreisbremse ab Januar

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Gasverbrauch: Wie viel Gas verbraucht ein Einfamilienhaus im Jahr?

Bei einem Einfamilienhaus mit drei bis vier Personen liegt der jährliche Gasverbrauch je nach Quadratmeterzahl zwischen 20.000 und 40.000 kWh pro Jahr. Oder 160 kWh (16 Kubikmeter) pro Quadratmeter Wohnfläche für Heizung und Warmwasser. Beim derzeitigen Gaspreis von rund 10 Cent ergibt sich daraus eine jährliche Gasrechnung von 2000 bis zu 4000 Euro (Stand: April 2023).

Wie hoch die Gaskosten im Einzelfall genau ausfallen, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Unter anderem davon, wie viel Gas man am Ende wirklich verbraucht. Gaszähler messen den Gasverbrauch ausschließlich in Kubikmetern, auf der Rechnung steht aber in der Regel die Einheit Kilowattstunde. Der Umrechnungsfaktor liegt bei eins zu zehn. Ein Kubikmeter Erdgas entspricht also rund zehn Kilowattstunden (kWh).

Gasverbrauch: Wie viel Gas verbraucht ein Singlehaushalt im Jahr?

Ein durchschnittlicher Singlehaushalt hat einen durchschnittlichen Gasverbrauch von 140 kWh auf 14 Kubikmeter im Jahr. Diese Zahl haben die Heizungsexperten von Bosch Thermotechnologie für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus berechnet. Für die Warmwasserbereitung werden demnach pro Jahr anteilig rund 600 bis 1000 kWh Gasverbrauch pro Jahr für eine Person angesetzt.

Hochgerechnet auf eine 50 Quadratmeter große Wohnung läge der Gasverbrauch für Heizung und Warmwasser damit beispielsweise bei 7000 kWh (700 Kubikmeter). Beim derzeitigen Gaspreis von rund 10 Cent wird damit folglich eine jährliche Gasrechnung von etwa 700 Euro fällig (Stand: April 2023).

Da der Gasverbrauch einzelner Wohnungen jedoch nur von dem Gesamtverbrauch des gesamten Gebäudes abgeleitet wird, lassen sich die individuellen Verbräuche in einem Mehrfamilienhaus nur schwer überprüfen.

Gasknappheit: Warum sind die Gaspreise so stark gestiegen?

Die Gaspreise sind aufgrund hoher Nachfrage und des verknappten Angebots seit Herbst 2021 massiv gestiegen. Aufgrund des Nachfrageeinbruchs während der Coronakrise war vor einem Jahr weniger Erdgas auf dem globalen Gasmarkt verfügbar als vorher. 

Viele Förderer vor allem in den USA hatten ihre Gasproduktion gedrosselt und konnten so schnell nicht wieder hochfahren, andere hatten komplett aufgegeben. Die Folge war eine weltweite Energiekrise, die dann mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs noch einmal dramatisch verschärft wurde.

Russland war bis dato der größte Gasexporteur für Europa und vor allem Deutschland. Es bestand eine hohe Gasabhängigkeit. Kurz nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs drosselte der russische Energieversorger Gazprom seine Gaslieferungen in das Gasnetz der Europäische Union und durch die größte Pipeline Nord Stream 1. Seit einer Weile kommt nun gar kein Gas mehr über die wichtige Ostseeverbindung an. Eine hohe Nachfrage trifft am Gasmarkt also auf ein knappes Angebot. Das treibt die Erdgaspreise.

Gaspreisentwicklung: Wird Gas 2023 wieder billiger? 

In den vergangenen Jahrzehnten pendelte der Gaspreis für eine Megawattstunde in der Regel zwischen zehn und 20 Euro. Abgesehen von kurzen Ausschlägen nach oben war das Niveau der Beschaffungskosten auf dem Gasmarkt in der Vergangenheit also um ein Vielfaches niedriger als in den vergangenen zwölf Monaten.

>>Lesen Sie auch: Alternative zu Gasheizung: Welche Heizung ist die beste? 

Wie sich der Gaspreis in Zukunft entwickelt, ist nur schwer abzuschätzen. Nicht nur war er vor der Krise deutlich niedriger, sondern die Schwankungen waren auch deutlich kleiner. Im vergangenen Jahr springt der Gaspreis innerhalb eines Tages teilweise um 80 bis 100 Euro. 

Wird Gas auf absehbare Zeit wieder billig?

Experten bezweifeln angesichts der Marktentwicklung, dass der Erdgaspreis in absehbarer Zeit wieder auf das Vorkrisenniveau fällt. Andere gehen von einer eher sinkenden Preistendenz aus. „Wir werden mit Sicherheit eine Dämpfung der Preise in den nächsten 18 Monaten sehen“, sagt Timm Kehler, Geschäftsführer des Verbands „Zukunft Gas“.

Die Experten des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI) sagen in einer Studie für die kommenden Jahre ebenfalls Rückgänge voraus. „Ginge die EU-Gasnachfrage bis zum Jahr 2030 um 20 Prozent gegenüber 2021 zurück, könnten sich Großhandelspreise auf dem Niveau von 2018 einstellen – unabhängig davon, ob der Gashandel mit Russland beschränkt ist oder nicht.“

Sollte man jetzt den Gasanbieter wechseln?

Ein Gasanbieterwechsel kann sich teilweise schon wieder lohnen. Wer als Bestandskunde einen Gasvertrag mit Preisbindung hat, sollte laut Verbraucherschützern zwar darin bleiben. „Das maximale Sparpotenzial erreichen sie nur durch den Wechsel in einen günstigen Tarif. Aktuell gibt es je nach Region wieder Angebote, die deutlich günstiger sind als die örtliche Grundversorgung“, sagt Check24-Geschäftsführer Steffen Suttner.

Wie kann ich als Privatperson Gas sparen?

Wer am Grundpreis nicht viel ändern kann, sollte versuchen, seinen Gasverbrauch zu senken. Das empfiehlt auch die Bundesregierung immer wieder. Schon allein, um Gas da zu sparen, wo es geht, damit es verfügbar ist, wo es wirklich gebraucht wird.

Oft belächelt, aber trotzdem effektiv: kürzer duschen. Die Gasheizung verbraucht dann schlicht weniger Gas für Warmwasser. Auch ein Sparduschkopf hilft, den Wasserverbrauch zu senken. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck duscht laut eigener Aussage nicht länger als drei Minuten. Mit dem Duschrechner der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen lässt sich übrigens überprüfen, wie viel Gas der Grünen-Politiker damit wirklich spart. Und wie viel Geld man selbst sparen könnte.

Noch effektiver ist allerdings das Absenken der Raumtemperatur. Das Umweltbundesamt empfiehlt zum Senken der Gaskosten, nachts die Raumtemperatur in Wohn- und Arbeitsräumen auf bis zu 15 Grad und im Schlafzimmer auf bis zu 17 Grad zu senken.

Mehr zu Gas sparen, Gaskosten, Gasverbrauch senken und Energiekrise:

Es ist zudem ratsam, den Stromverbrauch zu senken, wo es nur geht. Denn die hohen Gaspreise sorgen auch für steigende Strompreise. Zum Beispiel: nur so viel Wasser heiß machen, wie man braucht, mit geschlossenem Deckel kochen und beim Backofen Umluft statt Ober-/Unterhitze nutzen. Auch kann das Austauschen von älteren Haushaltsgeräten und Leuchtmitteln durch energieeffizientere Modelle den Stromverbrauch senken. Günstige Stromverbrauchsmesser für die Steckdose helfen dabei, Stromfresser zu identifizieren.

Auch das Austauschen der Gasheizung kann für Hausbesitzer sinnvoll sein. Als alternative Heizsysteme in Frage kommen etwa eine Wärmepumpe, Fernwärme, eine Hybridheizung oder Pelletheizung. Unser Heizkosten-Vergleich zeigt, welche Heizungsart für einen typischen deutschen Vier-Personen-Haushalt am günstigsten ist. Angesichts der hohen Energiepreise kommt es nicht nur auf die Anschaffungskosten an, sondern auch darauf, was der Betrieb kostet.

Erstpublikation: 19.09.2022, 10:03 Uhr (zuletzt aktualisiert am 23.05.2023, 13:14 Uhr).

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