PremiumDie Regierung hat ein Rettungspaket für den Gaskonzern beschlossen. Zusätzlich dürfen Gashändler die stark gestiegenen Preise trotz Preisgarantien weitergeben. Das hat Folgen.
Berlin, Düsseldorf, Frankfurt Wochenlang hat die Bundesregierung um ein Rettungspaket für Deutschlands größten Gashändler Uniper gerungen. Jetzt steht die Lösung: Der Staat steigt mit 30 Prozent bei dem Energieversorger ein und stellt 7,7 Milliarden Euro zur Verfügung, die ähnlich wie Eigenkapital wirken sollen.
Gleichzeitig soll die staatliche KfW-Bank die Kreditlinien für den Konzern von bislang zwei Milliarden Euro auf neun Milliarden Euro aufstocken.
Zusätzlich ermöglicht die Bundesregierung es Gashändlern wie Uniper, die stark gestiegenen Preise weiterzugeben. Über ein Umlage-Verfahren sollen bis zu 90 Prozent der Mehrkosten auf alle Verbraucher verteilt werden. Die Umlage-Lösung soll ab dem 1. Oktober gelten. Laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) belastet diese Umlage eine vierköpfige Familie mit etwa 200 bis 300 Euro pro Jahr.
Scholz informierte am Mittag in Berlin über die Details der Rettung – und ebenfalls geplante Entlastungen, die die Ampel-Koalition für die Bürgerinnen und Bürger plant. „Wir werden das tun was erforderlich ist und solange wie es nötig ist“, sagte der Kanzler. So kündigte er eine Wohngeldreform an, die auch eine Heizkostenpauschalte enthalten soll. Die Regierung prüfe zudem, Mieter bei besonders hohen Energiekosten vor Zahlungsausfällen zu schützen.
Über die Pläne zur Uniper-Rettung hatte das Handelsblatt bereits berichtet. Überraschend ist, dass der Bund die Hilfen unter anderem daran geknüpft hat, dass Uniper eine laufende Klage gegen die Niederlande zurückzieht. Uniper war vor Gericht gegangen, weil die Niederlande einen Kohleausstiegsplan verabschiedet haben – ohne Entschädigung für die Kohlekonzerne.
>> Lesen Sie auch: „You’ll never walk alone“ – Welche neuen Entlastungen Scholz im Detail angekündigt hat
Außerdem werden die Dividenden-Zahlungen ausgesetzt solange die Stabilisierungsmaßnahmen in Kraft sind. Genauso wie die Bonus-Zahlungen der Vorstände. Der Bund bekommt Sitze im Aufsichtsrat. Das Stabilisierungspaket muss allerdings von der Europäische Kommission und den Aktionären von Uniper freigegeben werden.
Uniper-Hauptverwaltung in Düsseldorf
Der Bund bekommt nach seinem Einstieg bei Uniper auch Sitze im Aufsichtsrat.
Bild: imago images/Rupert Oberhäuser
Dazu will das Unternehmen in Kürze eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen. „Für kein Unternehmen ist es leicht einen Antrag auf Staatshilfe zu stellen. Es bedeutet Geld der Steuerzahler, das üblicherweise nicht zur Stabilisierung von Unternehmen eingesetzt werden soll“, sagte Uniper-CEO Klaus-Dieter Maubach am Freitagnachmittag bei einer Pressekonferenz.
Es sei dabei aber immer um den Erhalt des Unternehmens und die Sicherung der Energieversorgung gegangen. „Wir können diese Risiken uns von einem einzelnen Vertragspartner so abhängig zu machen nicht noch einmal tragen“, gab Maubach zu. Die Geschäftsbeziehung zu Gazprom müsse nun auf neue Füße gestellt werden.
Die Uniper-Aktien sind am Freitag mit einem Rekordtief von 7,40 Euro aus dem Frankfurter Handel gegangen, ein Minus von 29,5 Prozent zum Vortag. Zunächst hatten die Aktien kurzzeitig um mehr als elf Prozent zugelegt. Die Papiere der Uniper-Mutter Fortum drehten in Helsinki ebenfalls ins Minus.
Der größte Gashändler Deutschlands kämpft mit den Folgen des Ukraine-Krieges. Die Drosselung russischer Gas-Lieferungen hat den Düsseldorfer Konzern in massive Schwierigkeiten gebracht.
Seit Wochen schickt Russland nur noch 40 Prozent der möglichen Liefermengen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 in Richtung Deutschland und Europa. Für Uniper als einen der größten Gazprom-Kunden verschärft sich die Situation damit täglich. Das Unternehmen muss die fehlenden Mengen günstigen Gases aus Russland am Markt teuer zukaufen, um seine Kunden beliefern zu können.
Die Preise kann das Unternehmen aufgrund bestehender Verträge bislang nicht weitergeben. Deswegen zahlt es seit Wochen drauf – bis zu einer Milliarde Euro im Monat. „Insgesamt kommen bis Ende September sechs Milliarden Euro Verlust zusammen“, sagte Maubach. Das will die Bundesregierung mit dem Umlageverfahren als Teil des Rettungspaketes ab Oktober ändern.
Für seine Anteile will der Bund 1,70 pro Aktie zahlen. Bei einer Beteiligung mit 30 Prozent würden so nur knapp 267 Millionen Euro zusammenkommen. Da das bei Weitem nicht ausreicht, soll der Großteil der Hilfe in Hybridkapital fließen, also nicht als direktes Eigenkapital. Das soll den Uniper-Mehrheitseigner Fortum vor einer faktischen Enteignung schützen. Würde die gesamte Hilfe des Bundes in Form von neuen Aktien fließen, würde der Anteil Fortums stark verwässert, und der finnische Konzern käme nur noch auf einen Anteil von wenigen Prozent.
Bei den eigenkapitalähnlichen Mitteln (Hybridkapital), die der Bund Uniper nun verschafft, handelt es sich um eine so genannte Pflichtwandelanleihe. Das sind festverzinsliche Papiere, die sich zum Ende der Laufzeit automatisch in Aktien wandeln. Wie lange sie laufen werden ist noch unklar, voraussichtlich werden es mehr als drei Jahre sein – solange wird Uniper wohl brauchen, um sich von Gazprom unabhängig zu machen.
Wenn der Bund die Anleihen in Aktien umwandelt, bekommt der Staat die Papiere um 25 bis 50 Prozent günstiger. Für Ratingagenturen zählen die Anleihen ähnlich wie Eigenkapital – und verhelfen zu entsprechend besseren Ratings. Für Uniper ist ein Investmentgrade-Rating essentiell, da sonst Milliardenlasten durch höhere Sicherheitsleistungen drohen.
Die Ausgabe des Hybridkapitals erfolgt in Tranchen, soweit Uniper Bedarf hat. Über deren Ausgabe muss eine Hauptversammlung entscheiden, die in der zweiten Septemberhälfte stattfinden soll. In der Zwischenzeit sollen die KfW-Kredite Finanzlöcher überbrücken. Nach jetziger Einschätzung könnte Uniper danach nur noch die Hälfte der Kreditlinien benötigen.
Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach
Anfang des Monats beantragte Uniper offiziell Staatshilfe.
Bild: dpa
Mehrheitseigner Fortum kann der Lösung zufolge einen Teil der Papiere vom Staat zurückkaufen und dabei die Hälfte der an Uniper gegebenen Finanzhilfe von acht Milliarden nutzen. Die Menge ist dabei so gedeckelt, dass der Bund weiterhin ein entscheidendes Mitbestimmungsrecht hätte. Der Bund kann seinerseits nur in bestimmten Zeiträumen einen Teil des Hybridkapitals in Aktien wandeln. Die Details müssen noch mit der EU-Kommission abgestimmt werden.
Dass der Konzern staatlich gestützt werden muss und wird, hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schon vor Wochen klar gestellt. Eine Lehman-Situation in der Energiewirtschaft müsse unbedingt verhindert werden, so der Politiker. Die Pleite der US-Bank Lehman Brothers hatte 2008 zu einem Dominoeffekt geführt und die Weltfinanzkrise ausgelöst. Weil Uniper einer der größten europäischen Gasversorger ist, gilt das Unternehmen als systemrelevant. Zu seinen Kunden zählen hunderte von Industriekonzernen und Stadtwerken.
Kanzler Scholz betonte am Freitag, dass es der Bundesregierung ausschließlich um die Stabilisierung des deutschen Energiesystems gehe. „Wir wollen als Staat nicht Unternehmer werden“, sagte Scholz und verwies dabei vor allem auf das Beispiel Lufthansa. Auch hier habe man nicht in das laufende Geschäft eingegriffen.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (4)