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13.03.2023

18:42

Greentech

Echtheitssiegel für grünen Strom: Blockchain soll Energiemarkt revolutionieren

Von: Hannah Krolle

Die Technologie bietet die Möglichkeit, den immer komplexer werdenden Energiemarkt transparent zu machen. Doch es gibt eine große Schwachstelle.

Blockchain-Technologien helfen, Energietransfers auf dem immer komplexer werdenden Markt transparent zu machen.

Greentech-Serie

Blockchain-Technologien helfen, Energietransfers auf dem immer komplexer werdenden Markt transparent zu machen.

Düsseldorf Immer mehr Menschen beziehen ihren Strom von Anbietern mit Nachhaltigkeitsversprechen. Automatisch grün ist dieser aber nicht. Lange war es für Verbraucherinnen und Verbraucher unmöglich herauszufinden, ob sie tatsächlich mit erneuerbarer Energie versorgt werden. Heute ist das anders – dank der Blockchain-Technologie.

Dabei handelt es sich um eine Kette hintereinander gespeicherter Datensätze, bekannt vor allem als Basis von Kryptowährungen. Sie kann zum Beispiel auch Informationen über den Verkehrsweg einer Kilowattstunde Strom enthalten. Auf der Blockchain sind die Stationen transparent – verschlüsselt, aber für alle Beteiligten zugänglich. So können die Kunden nicht nur erkennen, ob der Strom tatsächlich aus erneuerbarer Energie stammt – er kann auch nicht doppelt im Markt verkauft werden.

Das Potenzial von Blockchain-Technologien ist gewaltig. Bis 2028 soll das weltweite Marktvolumen im Energiemarkt auf 4,2 Milliarden Dollar steigen, zeigen Zahlen des Marktforschers Business Research Insights. 2021 waren es knapp 498 Millionen Dollar. Fachleute glauben, dass sogenannte Distributed-Ledger-Technologien wie die Blockchain den gesamten Markt revolutionieren werden, insbesondere im Umgang mit den Erneuerbaren.

„Der Energiemarkt wird immer komplexer“, sagt Christian Sander, Blockchain-Experte beim Versorger EnBW. Zum einen wird immer mehr Strom aus erneuerbaren Quellen auf den Markt kommen – nach einer Studie der Internationalen Energieagentur (IEA) wird sich die Gesamtkapazität in den kommenden fünf Jahren weltweit fast verdoppeln.

Gleichzeitig kann heute jeder private Haushalt zum Produzenten und Verbraucher werden, während die Versorgung früher bei einigen zentralen Stromanbietern lag. Wie lässt sich die Blockchain-Technologie auf dem Energiemarkt einsetzen? Trägt sie wirklich zum Klimaschutz bei? Welche Schwachstellen hat die Technologie? Beispiele zeigen, was möglich wäre.

Nachbarschaftshandel per Blockchain

Wind- und Solaranlagen sind anders als etwa Atomkraftwerke über ganz Deutschland verteilt. Die Blockchain-Technologie kann helfen, Anbieter und Abnehmer zusammenzubringen. Hat der Inhaber der Solaranlage eine Kilowattstunde Strom übrig, besitzt aber keinen Speicher, kann er sie an den Nachbarn weitergeben, der über einen Speicher verfügt. Wenn die Sonne nicht scheint, schickt er den Strom an den Inhaber der Solaranlage zurück.

Grafik

Die Blockchain dokumentiert den Verkehrsweg der Kilowattstunde. Einige Pilotprojekte laufen bereits. Solche Minitransaktionen über zentrale Energiehandelsplätze abzuwickeln wäre viel aufwendiger und teurer.

Die Vorteile der Blockchain: Einmal hier gespeicherte Informationen können nicht gelöscht werden. Würden die Daten eines Blocks geändert, wäre die Gültigkeit der gesamten Kette betroffen. Die Aufzeichnungen sind nicht mehr zentral an einer Stelle gespeichert, sondern dezentral auf jedem Rechner des Netzwerks abrufbar.

Digitaler Zwilling für grünen Wasserstoff

Auf der Blockchain ließe sich auch prüfen, ob und inwiefern Wasserstoff tatsächlich grün ist, also ausschließlich unter Verwendung von Strom aus erneuerbaren Quellen produziert wurde. Der Nachweis erfolgt über Zertifikate, die den grünen Wertschöpfungsprozess quittieren.

Klaus Schimmer, der beim Softwarekonzern SAP für Innovationen im Bereich Wasserstoff zuständig ist, nennt ein Beispiel: Für ein Kilogramm Wasserstoff einer bestimmten Güte könne ein „Green Token“, also ein digitaler Zwilling dieser Menge, erzeugt werden. Darin wäre die Zertifikatsinformation fälschungssicher abgespeichert,

Diese Information würde bei jeder Weiterverarbeitung des Energieträgers entlang der Wertschöpfungskette fortgeschrieben. Sollte der Wasserstoff in Ammoniak umgewandelt werden, entstünde aus dem Wasserstofftoken ein Ammoniaktoken, der weiterhin alle Informationen etwa über die Produktion und Lagerung des Wasserstoffs enthielte. Dem Token können auch weitere Informationen wie der CO2-Fußabdruck des Lkw-Transports von der Wasserstofffabrik zur Ammoniakfabrik zugeordnet werden.

Der „Green Token“ sei somit eine Art Bilanzierungswerkzeug für Wasserstoff und für alle weiteren Wandlungsschritte der Wertschöpfungskette, sagt Schimmer. So könne sogar bei einem Auto der Nachweis geführt werden, dass es aus Stahl produziert wurde, der mit grünem Wasserstoff hergestellt worden ist.

Schutz des Regenwaldes 

Während häufig mithilfe der Blockchain versucht wird, bestehende Prozesse effizienter zu gestalten, schafft die gemeinnützige Initiative Gainforest ein „Verfahren, das ohne Blockchain so nicht möglich wäre“, sagt EnBW-Experte Sander. Gainforest hat eine Software entwickelt, mit der sich die Abholzung des Regenwaldes automatisiert überwachen lässt sowie Finanzflüsse von Spendengeldern digital abgewickelt werden können.

Zwei Elemente zeigen den Bestand der Bäume: Die gelben Punkte stellen den Standort der Bäume anhand von Fotoaufnahmen der Communitys vor Ort dar, die roten Rechtecke belegen den Ort der Bäume per Satellitenbild. Gainforest

Luftaufnahme von Mangrovenwäldern auf den Philippinen

Zwei Elemente zeigen den Bestand der Bäume: Die gelben Punkte stellen den Standort der Bäume anhand von Fotoaufnahmen der Communitys vor Ort dar, die roten Rechtecke belegen den Ort der Bäume per Satellitenbild.

Das Besondere: Die Abwicklung der Zahlung erfolgt per digitaler Währung auf der Blockchain. Dort können alle Beteiligten auch auf Satellitenbilder der von Rodung bedrohter Waldfläche zugreifen.

Die Spende werde über Blockchain-Technologie wie in einem Safe zwischengespeichert, sagt Gainforest-Co-Gründer David Dao. „Niemand hat Zugriff, bis die Algorithmen sagen: Nach 30, 60 oder 90 Tagen sehen wir dort immer noch Wald. Dann lässt die Plattform das Geld langsam durchfließen.“ Die Projekte der Initiative laufen in Bhutan, Brasilien, Paraguay, auf den Philippinen und künftig in Ruanda.

Ein weiterer Vorteil: Durch den Einsatz der Blockchain-Technologie werde nicht nur die Dokumentation glaubwürdiger. Aufgrund digitalisierter Kontrollen und automatisierter Transaktionen bleibe mehr Geld für die Menschen übrig, lobt Sander.

Der Gainforest-Co-Gründer beobachtet den digitalen Spendenfluss auf seinem Computer. Gainforest

David Dao

Der Gainforest-Co-Gründer beobachtet den digitalen Spendenfluss auf seinem Computer.

Nachteil der Blockchain: Hoher Energiebedarf

Die Frage, ob und inwiefern die Blockchain-Technologie den Energiemarkt grüner macht, hängt auch von ihrem Energieverbrauch ab. „In der Umstellung des Energiemarktes ist Blockchain eine Lösung von vielen“, sagt Peter Schniering, Chef des Thinktanks Future Cleantech Architects. Denn bislang verbrauche die Technologie – unabhängig von ihrem Einsatzfeld – viel Energie, die größtenteils noch aus fossilen Kraftwerken stammt.

Die wichtigste blockchainbasierte Kryptowährung Bitcoin verbraucht pro Jahr weltweit etwa 130 Terawattstunden Strom, zeigen Zahlen der Universität Cambridge. Das ist mehr, als die Niederlande verbrauchen.

Schniering aber ist optimistisch: „Wir beobachten vielversprechende Fortschritte im Hinblick auf den Energieverbrauch“, sagt er. Ether, neben Bitcoin die wichtigste Kryptowährung, habe den Verbrauch bereits drastisch reduziert, indem die Produktion neuer Einheiten in ein energiesparenderes Verfahren umgewandelt wurde.

Hinzu kommt: Einige industriell eingesetzte Blockchain-Lösungen, unter anderem „GreenToken“ von SAP, verwenden einen anderen Algorithmus als der Bitcoin, der im Energieverbrauch einer normalen Cloudsoftware entspreche, sagt SAP-Wasserstoffexperte Schimmer. Im Gegensatz zur Blockchain für Bitcoins sei die Blockchain-Technologie für die Zertifizierung von grünem Wasserstoff „kein Energiefresser“.

Ob die Blockchain-Technologie wirklich eine Nachhaltigkeitsrevolution auslöst, wird von ihrem Energieverbrauch abhängen. Fest steht: Ohne die Blockchain werden sich Transaktionen auf dem immer komplexer werdenden Energiemarkt nur noch schwer verlässlich abwickeln lassen. 

Serie Diese grünen Ideen könnten die Welt verändern: Von Wellenkraftwerken, CO2-freiem Zement und Solaranlagen im Weltraum bis zu energiespendenden Algenarten – überall gibt es Ideen mit dem Potenzial, die Welt zu verändern. Nur wenige schaffen den Durchbruch. Wir stellen einige der interessantesten Innovationen vor. Wissenschaftlich begleitet wird die Serie von dem unabhängigen Thinktank Future Cleantech Architects.

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