Der Markt für Erneuerbare wächst rasant. Dennoch hinkt die deutsche Energiebranche weit hinter ihren Ausbauzielen her. Hauptproblem ist vor allem die Bürokratie.
Öko-Strom und Netzreserve
Das Kohlekraftwerk Heyden in NRW wurde im Juli 2021 stillgelegt und ging im August 2022 als Netzreserve wieder befristet in Betrieb. In der Nachbarschaft befinden sich eine Biogasanlage und ein Solarpark.
Bild: IMAGO/Jochen Tack
Düsseldorf Trotz positiver Entwicklungen laufe der Ausbau von Wind- und Solarenergiekapazitäten immer noch deutlich zu langsam, bemängeln Branchenteilnehmer auf dem Handelsblatt Energie-Gipfel in Berlin. Nach wie vor seien langwierige Genehmigungsverfahren das Hauptproblem. Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) schlägt als Gegenmaßnahme einen „Klima-Vorrang in den Behörden“ vor.
Niedersachsen ist zwar mit 6400 installierten Windrädern Spitzenreiter unter den deutschen Bundesländern. Auch bei den neuen Genehmigungen im Jahr 2022 führt Niedersachsen die Liste mit Abstand an. Doch auch dort wird das Wachstum laut dem Umweltminister von der Bürokratie gebremst.
Meyer fordert: „Wenn wir in Deutschland in 192 Tagen ein LNG-Terminal bauen können, dann muss es auch möglich sein, dass ein Windrad in einem Jahr genehmigt wird.“ Bund und Länder müssten einen „Genehmigungs- und Bau-Turbo einlegen“.
Denn ohne ausreichend Strom aus erneuerbaren Quellen wird Deutschland nicht nur die eigenen Klimaziele verfehlen. Ökostrom wird auch zu einem immer wichtigeren Standortfaktor. In einer Umfrage der Wirtschaftsinitiative Sun & Wind Belt nannten 70 Prozent der 249 befragten Unternehmen die Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie als wichtiges Kriterium.
Niedersachsens Umweltminister Meyer (per Video), daneben EWE-Chef Dohler und Enpal-Chief Evangelist Gründinger auf dem Handelsblatt Energie-Gipfel
„Wenn wir in Deutschland in 192 Tagen ein LNG-Terminal bauen können, dann muss es auch möglich sein, dass ein Windrad in einem Jahr genehmigt wird.“
Die Stromerzeuger stellen sich entsprechend um: Die ostdeutsche Leag hat angekündigt, 2030 genauso viel Strom aus Solar- und Windenergie zu produzieren wie heute aus Braunkohle. Dazu soll für geschätzte 600 Millionen Euro ein Giga-Solarpark in der Lausitz entstehen.
„Wir haben riesige Flächenpotenziale“, sagt Leag-CEO Thorsten Kramer. Auch das Szenario des Kohleausstiegs sei bereits vereinbart: „Es liegt in der Schublade.“
Den Boom der Erneuerbaren wollen aber nicht nur große Konzerne wie Leag nutzen. So profitiert das Start-up Enpal von der stark gestiegenen Nachfrage nach Lösungen für zu Hause, wie beispielsweise Balkonkraftwerke, und konnte die eigene Bewertung zuletzt auf 2,25 Milliarden Euro verdoppeln.
Das Berliner „Einhorn“ vermietet Solaranlagen direkt an Verbraucher und beschäftigt laut eigenen Angaben 1000 fest angestellte Handwerker. So habe man den Fachkäfte-Engpass bisher im Griff, sagt der Chef-Markenbotschafter des Unternehmens Wolfgang Gründinger.
Der Bürokratiestau in Deutschlands Behörden bremse jedoch auch das Start-up deutlich aus: „Wir beschäftigen allein 70 Leute, die von früh bis spät nichts anderes machen, als Netzanschlussanfragen auszufüllen“, sagt Gründinger. „Diese Bürokratie können wir unternehmerisch nicht so gut lösen.“
Enpal bezieht seine Solarmodule aus chinesischer Produktion. Denn Fertigung in Deutschland selbst gebe es kaum noch. „Wir hatten in Deutschland mal eine Solarindustrie, die haben wir im Stich gelassen und lieber Nord Stream 2 gebaut, während China seine Solarindustrie hochgefahren hat“, kritisiert Gründinger.
Christian Meyer (Grüne)
Niedersachsens Umweltminister warnt beim Ausbau der Erneuerbauren vor „neuen Abhängigkeiten“ von Ländern wie China.
Bild: IMAGO/Chris Emil Janßen
China erzeugt mit 300 Gigawatt installierter Leistung nicht nur weltweit am meisten Solarstrom, sondern produzierte 2021 auch Photovoltaikmodule mit insgesamt 182 Gigawatt Leistung. In ganz Europa waren es nur 8,1 Gigawatt. Entsprechend kommen auch 90 Prozent der in Deutschland installierten Solarmodule aus China. Niedersachsens Umweltminister Meyer fordert daher einen Ausbau der heimischen Solarindustrie, um lokal von größeren Teilen der Wertschöpfungskette zu profitieren.
Meyer warnt jedoch auch vor „neuen Abhängigkeiten“. Auch Stefan-Jörg Göbel vom Energiekonzern Statkraft sieht eine Gefahr, wenn Industrie- und Energiepolitik vermischt würden: Denn die internationale Arbeitsteilung sei insgesamt „eher ein Vorteil für die Energiewende“. Schließlich können in China produzierte Module schon heute auch in Deutschland installiert werden.
Gunter Erfurt, CEO des Schweizer Solarzellenherstellers Meyer Burger, kritisiert die dabei anfallenden einseitigen Zusatzkosten: „Wir bezahlen dafür Strafzölle, während China zollfrei importiert.“
Auch angesichts der politischen Konflikte im Land, beispielsweise der andauernden Drohungen Pekings gegen Taiwan, gilt die aktuelle Abhängigkeit von China auch bei der Solarenergie als höchst riskant.
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