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26.05.2021

18:30

Klimaschutz

Gericht zwingt Shell zu Verringerung von Emissionen

Von: Kathrin Witsch

Umweltschutzorganisationen triumphieren in Den Haag: Der Öl- und Erdgaskonzern Shell muss bis 2030 seine CO2-Emissionen um 45 Prozent senken.

Mehrere Umweltorganisationen sowie mehr als 17.000 Bürger hatten Shell verklagt. AFP

Protest der Klimaaktivisten von Extinction Rebellion

Mehrere Umweltorganisationen sowie mehr als 17.000 Bürger hatten Shell verklagt.

Düsseldorf Der Öl- und Erdgaskonzern Shell muss seine Kohlendioxidemissionen erheblich stärker senken als bislang geplant. Das hat am Mittwoch ein Gericht in Den Haag entschieden. Dort hatte der britisch-niederländische Konzern überraschend deutlich einen großen Klima-Prozess gegen Umweltschutzorganisationen verloren. 

Shell müsse den Ausstoß von CO2 bis 2030 um netto 45 Prozent im Vergleich zu 2019 senken, erklärte das Gericht. Nach dem Urteil ist Shell zum Klimaschutz verpflichtet, das gelte für die eigenen Unternehmen ebenso wie für Zulieferer und Endabnehmer.

Ein „weltweit wichtiges Signal“, sagte Donald Pols, Direktor der Umweltschutzorganisation Milieudefensie, einer der Kläger. Zum ersten Mal in der Geschichte zwinge ein Gericht einen Verschmutzer zum Stoppen. Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sieht bereits die Zeitenwende: „Das fossile Zeitalter neigt sich dem Ende zu.“

Klimaaktivistin Greta Thunberg nannte das Urteil einen „sehr interessanten Start, das einen großen Schneeball-Effekt haben könnte“, schrieb die Schwedin auf Twitter. Eine CO2-Verringerung in der Höhe sei für den Ölkonzern aber immer noch unzureichend.

Mehrere Umweltorganisationen sowie mehr als 17.000 Bürger hatten den Konzern verklagt. Shell verstoße gegen die globalen Klimaziele und investiere weiter umfangreich in die Förderung von Öl und Erdgas, hatten die Kläger angeführt. 

Shell hatte die Forderungen zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass es sich zum Klimaschutz verpflichtet habe. Doch das Gericht erklärte, dass die beschlossenen Maßnahmen des Unternehmens „wenig konkret und voller Vorbehalte“ seien. Shell kündigte gegen das Urteil Berufung an. 

Experten sehen derweil Signalwirkung in der Entscheidung des Gerichts, die als Vorlage für weitere offene Klagen gegen Ölmultis dienen könnte. „Das Shell-Urteil ist ein Wendepunkt für die Öl- und Gasindustrie. Es erkennt an, dass Shell die Verpflichtung hat, seine Klimastrategie so zu schreiben, dass das 1,5 Grad-Ziel erreicht werden kann“, sagt Experte Carroll Muffett, Direktor am Center for International Environmental Law (Ciel) in Washington dem Handelsblatt. Immerhin habe das Gericht ganz bewusst darauf verwiesen, dass dieses Urteil klar Folgen für zukünftige Investitionen des Ölkonzerns haben müsse. 

Erst vor wenigen Monaten hatte Shell eine CO2-Strategie und konkrete Klimaziele vorgelegt. Die fielen allerdings vor allem im Vergleich mit direkten Konkurrenten wie BP eher enttäuschend aus. Gerade mal um zwei Prozent will Shell die Ölförderung pro Jahr drosseln, im besten Fall bis zu 20 Prozent bis 2030.

Weitreichende Folgen für Shell, Exxon oder Chevron

Klimaneutral wolle man trotzdem werden, dafür wollte der Konzern unter anderem auf die Speicherung von CO2 zurückgreifen. Auch die Investitionen in nachhaltige Energieformen sind im Vergleich zu den geplanten Ausgaben für neue Öl- und Gasprojekte bei dem Ölkonzern eher bescheiden. 

Ein Sprecher erklärte nach der Urteilsverkündung, Shell investiere Milliarden in CO2-arme Energie, darunter Ladesysteme für Elektroautos, Wasserstoff, erneuerbare Energien und Biokraftstoffe. „Wir werden uns weiter auf diese Bemühungen konzentrieren“, so der Sprecher. 

Der halbgare Strategieschwenk war ein Zugeständnis an die beiden Kräfte, die innerhalb des Unternehmens wirken und derzeit an der gesamten Ölbranche zerren: Auf der einen Seite stehen die Ölriesen zunehmend unter Druck durch strengere politische Rahmenbedingungen, lauter werdende Proteste von Klimaschützern und auf Nachhaltigkeit bedachten Investoren in Europa.

Auf der anderen Seite erhoffen sie sich durch steigendes Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum in Regionen wie Afrika, Asien und Südamerika noch viele Jahre verlässliche Gewinne aus dem Geschäft mit fossilen Energien. 

Aber das Urteil aus Den Haag könnte gerade für Nachzügler beim Klimaschutz wie Shell, Exxon Mobil oder Chevron weitreichende Folgen haben. Erst vergangene Woche forderten die Experten der Internationalen Energieagentur einen Investitionsstopp für neue Öl- und Gasprojekte, um das Ziel des Pariser Klimaabkommens, den Anstieg der globalen Erwärmung um maximal 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter, noch zu erreichen.

Das ist bislang allerdings in keiner der Strategien der Ölkonzerne vorgesehen. Jetzt zwingt das niederländische Gericht zumindest Shell zum Handeln. 

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