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06.01.2022

17:32

Klimatechnologie

Start-up Electrochaea sammelt 36 Millionen Euro für kommerzielle Power-to-Gas-Anlage ein

Von: Catiana Krapp

Das Münchener Unternehmen will Erdgas durch erneuerbares Methan ersetzen – und baut Anlagen im Ausland. In Deutschland sind die Bedingungen denkbar schlecht.

Klimatechnologie: Start-up Electrochaea sammelt 36 Millionen Euro ein

Electrochaea-Pilotanlage nahe Kopenhagen

Das Start-up hat mittlerweile mehrere Pilotanlagen in industriellem Maßstab gebaut. Quelle: Electrochaea

Düsseldorf Das Power-to-Gas-Unternehmen Electrochaea steht vor dem Bau einer kommerziellen Großanlage. Zu diesem Zweck sammeln die Münchener in einer Finanzierungsrunde 36 Millionen Euro ein, wie das Handelsblatt vorab erfuhr. Das Geld kommt zu einem großen Teil aus dem Europäischen Innovationsrat Fonds (EIC Fund), der 14,9 Millionen Euro investiert. Den Rest steuern Bestandsinvestoren wie das Energietechnologieunternehmen Baker Hughes oder der Wagniskapitalfonds btov bei.

Electrochaea habe eine Technologie entwickelt, die sich wunderbar in die bereits vorhandene Infrastruktur einfüge, sagt Christian Reitberger, Partner bei dem Investor btov und Board‧-Mitglied bei Electrochaea. „Jetzt geht es um die Hochskalierung der Technologie und den kommerziellen Einsatz in großen Industrieanlagen.“

Power-to-Gas ist ein zentraler Ansatz, der die Energiewende vorantreiben soll. Dabei wird mithilfe von Strom aus Wasser zunächst durch Elektrolyse Wasserstoff gewonnen. Dieser kann Energie über lange Zeit speichern, die wieder zu Strom gemacht werden kann, wenn er etwa in einer Dunkelflaute mit weniger Solar- und Windenergie gebraucht wird.

In einem zweiten Schritt kann dieser Wasserstoff aber auch in Methan umgewandelt werden – und fungiert so wie normales Erdgas. „Die Qualität ist die gleiche wie bei fossilem Gas. Anders als bei Wasserstoff kann man es ohne besondere Vorkehrungen ins Gasnetz einspeisen“, sagt Doris Hafenbradl, CTO und Managing Director bei Electrochaea.

Um das Methan herzustellen, verwendet Electrochaea eine besondere Art von Mikroorganismen. „Archaeen leben in extremen Umweltbedingungen wie etwa Geysiren“, sagt Hafenbradl. „Sie nutzen Wasserstoff als Energiequelle und CO2 als Kohlenstoffquelle und machen daraus Methan.“

„Deutschland ist derzeit noch eine Herausforderung“

Die Archaeen gibt es seit Urzeiten. In Maschinen zur Methanherstellung kommen sie aber erst seit einigen Jahren zum Einsatz. Die Idee und den besonders effizienten Archaeen-Stamm, auf dem die Electrochaea-Technologie basiert, entwickelte der US-Professor Laurens Mets 2006 an der University of Chicago. In den USA fand er keine interessierten Investoren. „Gas war dort so billig, dass niemand über erneuerbares Gas nachgedacht hat“, sagt Hafenbradl.

Die Idee, auf dem die Electrochaea-Technologie basiert, entwickelte der US-Professor Laurens Mets 2006 an der University of Chicago. Quelle: Electrochaea

Bioreaktor im Electrochaea-Labor

Die Idee, auf dem die Electrochaea-Technologie basiert, entwickelte der US-Professor Laurens Mets 2006 an der University of Chicago. Quelle: Electrochaea

In Deutschland war das anders: 2014 entstand die Electrochaea GmbH mit drei Mitarbeitern und sammelte ihr Startkapital von sieben Investoren ein. Seitdem ist das Start-up auf 30 Mitarbeiter gewachsen und hat mehrere Pilotanlagen in industriellem Maßstab gebaut. Jetzt sammelt es bereits zum vierten Mal Geld ein. Mit dem Geld aus dieser sogenannten Series-D-Finanzierungsrunde will Electrochaea eine Anlage mit einer Elektrolyse-Kapazität von zehn Megawatt bauen.

Allerdings: Deutschland profitiert von den Fortschritten des Münchener Start-ups vorerst wenig. Denn die Pilotanlagen des Unternehmens stehen im Ausland – in den USA, der Schweiz, und Dänemark. Und auch das neue Projekt entsteht im dänischen Roslev. In Deutschland sind die Bedingungen einfach zu schlecht. „Wir würden gern auch in Deutschland Anlagen bauen“, sagt Hafenbradl. „Aber Deutschland ist derzeit noch eine Herausforderung – auch wenn die Politik sich jetzt bemüht, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.“ Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe: die hohen Stromkosten und die regulatorischen Rahmenbedingungen.

Was das Problem ist, erklärt Jeannette Uhlig, Teamleiterin für klimaneutrale Energieträger bei der Deutschen Energie-Agentur (Dena): „Um Wasserstoff herzustellen, braucht man vor allem viel Strom“, sagt sie. „In Deutschland ist Strom wegen der hohen Abgaben, Steuern und der EEG-Umlage bislang ein vergleichsweise großer Kostenfaktor.“

Regulatorisch sei die Situation in Deutschland deshalb schwierig, weil unklar sei, ob E-Gas wie das von Electrochaea als Biomethan anerkannt wird. Nur dann könnten etwa Kraftstoffhersteller das Methan kaufen, um von der EU gesetzlich vorgeschriebene Treibhausgasquoten zu erfüllen und so umweltfreundlicher zu werden.

Zwar haben diverse Konzerne bereits deutlich größere Elektrolyseure als zehn Megawatt angekündigt. So planen etwa Shell, Mitsubishi und Vattenfall bis 2025 ein Wasserstoffprojekt mit 100 Megawatt in Hamburg. Anlagen, die mithilfe von Strom Methan herstellen, haben in Deutschland jedoch laut Expertin Uhlig größtenteils nur Leistungen im Kilowatt-Bereich. Das dürfte sich erst ändern, wenn die Marktbedingungen sich hierzulande bessern. Für Electrochaeas neuestes Projekt reicht das noch nicht.

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