Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

31.08.2017

12:16

Kommentar zur Windkraftbranche

Selbst verschuldet in die Flaute

Von: Franz Hubik

Die Stimmung in der Windenergiebranche ist miserabel. Sie hat sich wie einst die Solarindustrie selbst in die Krise manövriert. Aber noch können die Unternehmen dem Schicksal entkommen. Ein Kommentar.

Die Politik trägt nicht die Hauptverantwortung an der aktuellen Misere. dpa

Windräder in der Blauen Stunde

Die Politik trägt nicht die Hauptverantwortung an der aktuellen Misere.

Die Situation ist dramatisch. Nach Jahren des rasanten Wachstums droht der heimische Markt für Windenergie zu implodieren. Wurden hierzulande im Jahr 2016 noch Windräder mit einer Leistung von 4600 Megawatt am Festland neu gebaut, könnten es im Jahr 2019 im schlimmsten Fall nur noch 1.100 Megawatt sein. Das entspräche einem Einbruch von 76 Prozent binnen drei Jahren.

Bei den Herstellern von Fundamenten, Turbinen und Rotorblättern sorgt dieses Horrorszenario für Entsetzen. Die Stimmung in der Branche ist miserabel. Projektverzögerungen, Preisdruck und Auftragsschwund setzen der Industrie zu. Landauf, landab sind nun so schaurige Begriffe wie Massenentlassung und Konsolidierung zu hören. Schuld an der Misere – da ist sich die Branche ziemlich einig – ist die Politik. Die Bundesregierung habe durch Änderungen beim Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) den grünen Hoffnungsmarkt ins Chaos gestürzt, heißt es. Diese Erzählung ist freilich zu wohlfeil, die Industrie blendet dabei das eigene Versagen völlig aus. Keine Frage: Die Politik trägt eine Mitschuld, aber im Kern haben sich die heimischen Windmüller selbst in die Krise manövriert.

Es ist fatal, dass die Ökobranche ständig anderen die eigenen Versäumnisse zuschreibt. Um aus dem Schlamassel herauszukommen, bedarf es einer aufrichtigen Fehleranalyse. Was passiert, wenn diese Katharsis ausbleibt, hat die heimische Solarindustrie mit ihrem triumphalen Scheitern und dem Verlust von 100.000 Jobs eindringlich vorexerziert.

Zunächst ist festzuhalten: Die Windkraftindustrie klagt auf hohem Niveau. 2014 war das beste Jahr in der Geschichte der heimischen Windenergiebranche, 2015 das drittbeste und 2016 das zweitbeste Jahr. Alle Bauziele der Bundesregierung wurden seit 2013 konsequent übertroffen. Konzerne wie der deutsche Windkraftprimus Enercon haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten außerordentlich gut verdient. Enercon-Gründer Aloys Wobben ist nicht nur wegen seines Pioniergeists und ostfriesischer Ingenieurskunst heute der reichste Niedersachse. Der Mann verdankt sein Milliardenvermögen nicht zuletzt den Fördermillionen des EEG.

Wer einen Windpark betreibt, kassiert für jede erzeugte Kilowattstunde Strom eine staatlich garantierte Vergütung über 20 Jahre. Bis Ende 2016 lag diese Vergütung bei durchschnittlich neun Cent. Das ist teils dreimal so viel wie der Marktpreis. Wegen dieser üppigen Vergütungen entstand aus dem Nichts ein ganzer Industriezweig, in dem aktuell mehr als 142.000 Menschen arbeiten.

Die fetten Renditen sind vorbei

Jedem in der Branche musste aber klar sein, dass das heitere Dasein als Almosenbezieher irgendwann zu Ende geht. Die fetten Renditen von Nordex, Senvion & Co. bezahlen schließlich zu einem Gutteil die Verbraucher über Umlagen. Dass Konzerne wie Enercon Gewinnspannen vor Zinsen und Steuern von teils sagenhaften 19 Prozent einfuhren, war Verbrauchern, die immer mehr Geld für Elektrizität berappen müssen, nicht mehr zu vermitteln. Anfang 2016 erklärte der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel daher den Welpenschutz für die Ökoindustrie für beendet.

Denn aus den Welpen sind Jagdhunde geworden. Seit Anfang des Jahres gelten für sie neue Regeln. Die erfolgsverwöhnten Anbieter müssen sich seither im Wettbewerb um die Höhe der Vergütungen streiten. Derjenige, der sich mit dem geringsten Zuschuss zufriedengibt, bekommt den Zuschlag. Und siehe da: Die Preise purzeln – auf zuletzt weniger als 4,3 Cent pro Kilowattstunde. Durch völlig absurde Ausnahmeregeln für sogenannte Bürgerwindparks hat die Politik dabei aber den Wettbewerb verzerrt. Der Markt wird nun kurzfristig unnötig abgewürgt.

Diese Kritik muss sich die Bundesregierung gefallen lassen. Dass sie damit der Industrie aber die „Grundlage für weitere Investitionen in die Energiewende“ entziehen würde, wie der Bundesverband Windenergie behauptet, ist hanebüchener Unsinn. Ursächlich für den drohenden Verlust von Tausenden Jobs in der Branche ist nicht die Politik, sondern die Trägheit der Industrie.

Wie einst die deutsche Photovoltaikindustrie haben sich auch die heimischen Windmüller von hohen Subventionen blenden lassen, Innovationen vernachlässigt und es versäumt, ihr Geschäft ausreichend zu internationalisieren. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind bei vielen Herstellern in den vergangenen Jahren auf ein Niveau von teils weniger als zwei Prozent in Relation zum Umsatz abgerutscht. Das war nicht nachhaltig und rächt sich jetzt durch erodierende Umsätze und Gewinne.

Die gute Nachricht ist: Windräder sind nicht so austauschbar wie Solarmodule. Wenn die Windkraftindustrie jetzt Strukturen verschlankt und ihre Energie vollends auf Innovationen und neue Geschäftsmodelle konzentriert statt auf politisches Lobbying, bleibt ihr das Schicksal der Solarindustrie erspart. Andernfalls stehen wohl wirklich erneut Zehntausende Ökojobs auf der Kippe.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×