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09.02.2023

02:00

Marco Alverà

Wasserstoff zu Methan – dieses Unternehmen will saubere Energie mit dem Schiff transportieren

Von: Klaus Stratmann

Wasserstoff ist begehrt, lässt sich bislang aber nur zu hohen Kosten über weite Strecken transportieren. Tree Energy Solutions will dieses Kernproblem der Logistik lösen.

Unternehmer Marco Alverà will hier künftig auch Wasserstoff in Methan-Form liefern. dpa

LNG-Terminal Wilhelmshaven

Unternehmer Marco Alverà will hier künftig auch Wasserstoff in Methan-Form liefern.

Berlin Wer Marco Alverà in diesen Tagen in Berlin trifft, erwischt ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen zwei Terminen mit Vertretern der Bundesregierung. Minister und Staatssekretäre sind seine Gesprächspartner. Alverà tut das, was auch viele andere Unternehmer in diesen Tagen tun: Er lobbyiert für sein Wasserstoffprojekt in Deutschland.

Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied: Alverà, der CEO des Unternehmens Tree Energy Solutions (TES), hat eine Lösung für ein eklatantes Transportproblem im Angebot. Er weiß, wie sich Wasserstoff über weite Strecken per Schiff ohne riesige technische Hürden transportieren lässt. „Unser Konzept hat den unschätzbaren Vorteil, dass wir die vorhandene Transportinfrastruktur nutzen können. Das reduziert die Kosten der gesamten Prozesskette und spart Zeit“, sagt Alverà im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Wir werden sehr schnell in der Lage sein, deutsche Industrieunternehmen mit grünem Methan oder grünem Wasserstoff in relevanten Mengen zu versorgen“, ergänzt er.

Alverà setzt auf das Sabatier-Verfahren, bei dem Wasserstoff und Kohlendioxid in Methan und Wasser umgewandelt werden. Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas – und lässt sich dementsprechend genauso transportieren, verflüssigen und in LNG-Tankern über die Meere transportieren wie Erdgas.

Alverà will das Methan nach Wilhelmshaven bringen. Dort kann es zunächst problemlos im Erdgasnetz weiter transportiert oder direkt wieder in Wasserstoff umgewandelt werden. Das dabei abgeschiedene CO2 kann zurückgebracht werden zum Produktionsort des Methans – und dort wieder im Sabatier-Verfahren eingesetzt werden. Ein geschlossener, klimaneutraler Kreislauf entsteht.

Das alles soll sehr schnell passieren. „Wir befinden uns in sehr konkreten Gesprächen mit großen deutschen Industrieunternehmen“, sagt er. Im Idealfall kann er ab 2027 grünes Methan oder grünen Wasserstoff liefern.

TES gehört zu den Unternehmen, die im Auftrag der Bundesregierung in Wilhelmshaven ein schwimmendes LNG-Terminal in Betrieb nehmen, um möglichst noch in diesem Jahr mit dem Import von konventionellem LNG zu beginnen.

Doch das ist für Alverà nur ein Zwischenschritt. So schnell wie möglich möchte er von Erdgas auf synthetisches Methan umsteigen. Und das schwimmende Terminal soll 2025 durch eine fest installierte Anlage mit erheblich größerer Kapazität ersetzt werden. In einigen Jahren will TES möglichst nur noch grünes Gas importieren.

Wasserstoff aus allen Weltregionen wird dringend gebraucht

Alverà rührt an ein Kernproblem der Wasserstoff-Logistik. Es ist unbestritten, dass zur Dekarbonisierung der deutschen Industrie große Mengen an klimaneutralem Wasserstoff aus anderen Weltregionen importiert werden müssen, weil die Produktionskapazitäten hierzulande niemals ausreichen werden.

Große Potenziale liegen in wind- und sonnenreichen Regionen der Welt, wo man mittels Strom aus Photovoltaikanlagen und Windparks per Elektrolyse grünen Wasserstoff zu geringen Kosten herstellen kann. Die Bundesregierung ist dabei, die entsprechenden Wasserstoff-Partnerschaften abzuschließen. Ihre Hoffnungen ruhen dabei auf Ländern wie Australien, Namibia, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder auch Chile, Kanada und den USA.

„Die Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Quellen zu niedrigen Kosten ist entscheidend“, sagt Alverà. „Geeignet sind Standorte in den USA, zum Beispiel in Texas, aber auch in Australien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Hier sind die Produktionsbedingungen ideal.“ TES strebt Produktionskapazitäten in diesen Regionen an.

Der Italiener hat den größten Teil seines Berufslebens in der Technologie- und Energiebranche verbracht. Bloomberg

Marco Alverà

Der Italiener hat den größten Teil seines Berufslebens in der Technologie- und Energiebranche verbracht.

Doch während grüner Wasserstoff aus Südeuropa und aus Nordafrika noch relativ problemlos wie Erdgas per Pipeline in die industriellen Zentren Nordwest-Europas transportiert werden kann, müssen für Importe aus Australien oder den USA mangels Pipelineverbindung andere Lösungen gefunden werden.

Wasserstoff zu verflüssigen ist extrem aufwendig und funktioniert bislang nur in sehr kleinem Maßstab. Während verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas, kurz LNG) auf Temperaturen von minus 160 Grad heruntergekühlt werden muss, um es in LNG-Tankern über die Ozeane zu schicken, sind bei Wasserstoff Temperaturen von minus 250 Grad erforderlich.

Die Anforderungen an das Material und der Energieaufwand für die Verflüssigung sind ungleich größer als beim LNG. Zwar gibt es Alternativen, etwa den Transport in speziellen Speichermedien, im Fachjargon Liquid Organic Hydrogen Carriers, kurz LOHC, genannt. Doch die Verfahren sind noch nicht in industriellem Maßstab verfügbar. Dabei drängt die Zeit. Industriekunden wollen den Wasserstoff so schnell wie möglich bekommen. Bislang kommt allein die Umwandlung von Wasserstoff in Ammoniak in Betracht – eine weit verbreitete Basischemikalie, für die es erprobte Logistikketten gibt.

Viele Vorteile der Methanisierung

Doch für Alveràs Idee spricht, dass die vorhandene Erdgasinfrastruktur viel stärker ausgebaut ist als die Ammoniak-Infrastruktur. Zudem nimmt er Umweltschutzorganisationen den Wind aus den Segeln, die warnen, Investitionen in LNG-Infrastruktur stellten eine Zementierung fossiler Strukturen dar. Alverà will diese Infrastruktur in eine klimaneutrale Zukunft führen.

Fachleute halten die Pläne für überzeugend. „Mit dem Verfahren löst man Infrastrukturprobleme ohne zusätzliche Investitionen. Man kann einfach auf die etablierte Erdgasinfrastruktur zurückgreifen. Das ist ein enormer Vorteil“, sagt Michael Sterner vom Institut für Energiespeicher (IFES). Sterner befasst sich seit vielen Jahren mit der Umwandlung von Strom in Wasserstoff und mit der Methanisierung. „Die Logistik für den Transport von reinem Wasserstoff ist viel aufwendiger und macht erhebliche Investitionen erforderlich“, sagt er.

Das gelte insbesondere für den Transport von verflüssigtem Wasserstoff. „Die Verfahren stehen erst ganz am Anfang und dürften erst in vielen Jahren in industriellem Maßstab zur Verfügung stehen.“ Zudem sei die Effizienz der Methanisierung „beachtlich“. Sie liege bei über 80 Prozent.

Hinzu komme Abwärme, die sich in industriellen Prozessen nutzen lasse. Außerdem entstehe ein geschlossener Kreislauf, indem das CO2 wiederverwendet werden könne. Florian Ausfelder von der Gesellschaft für Chemische Technik (DECHEMA) pflichtet Sterner grundsätzlich bei. Für den industriellen Prozess fehle es allerdings noch an Betriebserfahrung, gibt er zu bedenken.

Alverà, Jahrgang 1975, brennt für seine Idee. Der Italiener hat einen Abschluss von der London School of Economics. Nach einer ersten Station bei Goldman Sachs in London hat er den größten Teil seines Berufslebens in der Technologie- und Energiebranche verbracht. Er war in führenden Positionen beim italienischen Energiekonzern Eni tätig, später beim italienischen Gas-Fernleitungsnetzbetreiber Snam.

Gegründet wurde TES von der belgischen Investmentgesellschaft Atlasinvest, mittlerweile ist der australische Multimilliardär und Wasserstoff-Investor Andrew Forrest bei TES eingestiegen. Wer sich ein Bild von Alveràs Vision der künftigen Wasserstoffwelt machen will, kann das tun: In seinem Buch „Die Wasserstoff-Revolution“, erschienen 2021, hat er auf 290 Seiten aufgeschrieben, welche Rolle er Wasserstoff beimisst. In einer kurzen Vorbemerkung dankt darin Fatih Birol, Direktor der Internationalen Energieagentur (IEA), Alverá für seine vielen Denkanstöße.

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