Noch nie haben Windräder und Solaranlagen in Deutschland so viel Strom produziert wie 2018. Trotzdem bleibt die Lage für die Erzeuger angespannt.
Düsseldorf Ende des Jahres überschlagen sich die positiven Nachrichten: Noch nie wurde in Deutschland so viel Energie aus erneuerbaren Quellen produziert wie 2018. Besonders gut lief es für die Photovoltaik – sie lieferte fast 18 Prozent mehr Strom als im Vorjahr.
Die Erneuerbaren Energien werden 2018 voraussichtlich gut 38 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland gedeckt haben, zwei Prozentpunkte mehr gegenüber 2017.
„2018 war für die Erneuerbaren ein positives Jahr. Solar hatte durch den sonnenreichen Sommer eine überdurchschnittlich hohe Erzeugung, und die Windenergie lieferte im Januar aufgrund der Winterstürme sehr gute Erträge, zudem wurde bis Ende 2017 stark unter dem alten Förderregime, das auslief, zugebaut“, erklärt Erneuerbaren-Experte Hanns Koenig von der Beratungsagentur Aurora Energy Research.
Und trotzdem warnen Experten: Wenn Deutschland so weitermache, werde es seine Klimaziele erneut haushoch verfehlen. Im Ranking der weltweit größten CO2-Emittenten und deren Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele rutscht Deutschland immer weiter ab.
Zu diesem Ergebnis kommen Germanwatch und das New Climate Institute in ihrem jährlich erscheinenden Klimaschutzindex, der die 56 größten CO2-Emittenten weltweit in den Bereichen Emissionen, Energieverbrauch, Erneuerbare Energien und Klimapolitik von Experten aus den jeweiligen Ländern bewerten lässt. Deutschland verlor ganze fünf Plätze und landet nur noch auf Nummer 27 .
Immer mehr Strom stammt aus erneuerbaren Energiequellen. Um das Windkraft-Potenzial voll zu nutzen, fehlt es jedoch noch immer an der nötigen Infrastruktur.
Der Grund: Deutschland hinkt in Sachen Wärme und Verkehr immer noch hinterher. Hinzu kommt der stockende Ausbau von Wind- und Solarkraft, auch weil sich die Rahmenbedingungen hierzulande verschlechtert haben.
Zwar konnten die schlimmsten Befürchtungen des neuen Energiesammelgesetzes noch einmal vom Bundesrat abgefangen werden. Eine spontane Sonderkürzung der Förderungen für Solarstrom von Februar bis April 2019 soll es trotzdem geben. Und auch sonst sieht Experte Koenig im kommenden Jahr eher schwierige Zeiten auf die Erneuerbaren in Deutschland zukommen, vor allem für die Windkraft.
Der Bundesverband Windenergie (BWE) kündigte bereits an, dass der Markteinbruch 2018 sogar noch deutlicher ausfallen könnte als gedacht. „In den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres sind Windenergieanlagen mit 2073 Megawatt neu ans Netz gegangen. Auch wenn im letzten Quartal erfahrungsgemäß mit einem zusätzlichen Schwung zu rechnen ist, dürfte der Zubau in 2018 noch unter den Branchenerwartungen zurückbleiben“, sagte Verbandspräsident Hermann Albers.
Die im Energiesammelgesetz festgeschriebenen Sonderausschreibungen seien daher zwar „enorm wichtig“, kämen aber zu spät. Die Fachagentur Windenergie an Land spricht von einem Rückgang um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr in den Monaten Januar bis Ende Oktober.
„Das kommt zum einen durch die vielen Bürgerwindprojekte, die zwar lange Zeit die meisten Auktionen gewonnen haben, aber dafür keine Genehmigungen vorlegen mussten. Hier scheitern schon jetzt einige im Entwicklungsprozess“, erklärt Koenig. Außerdem fehle der ökonomische Anreiz, einen Park mit niedrigerem Fördergeld zu bauen, jetzt da die Summen bei den letzten Ausschreibungen wieder deutlich höher gestiegen seien.
Der durchschnittliche Zuschlagswert, also die Höhe der Vergütung pro Kilowattstunde (kWh) ist in den vergangenen Monaten von einem zwischenzeitlichen Tief bei 3,28 Cent auf aktuell 6,29 Cent pro kWh – dem zulässigen Höchstwert bei Ausschreibungen für Onshore-Wind – gestiegen.
Erneuerbare Energien gelten als wichtiges Mittel im Kampf gegen die Erderwärmung. Unternehmen in diesem Bereich investieren einer Studie zufolge aber lieber in Frankreich als Deutschland.
Auch für Windanlagen auf See stieg der Preis von durchschnittlich 0,44 Cent pro kWh im vergangenen Jahr auf aktuell 4,66 Cent pro kWh. Deswegen könnte bei einigen der ökonomische Anreiz fehlen, Windparks tatsächlich für den günstigeren Zuschlag zu bauen.
„Gleichzeitig gibt es strengere Abstandsregelungen in vielen Bundesländern und immer mehr lokale Widerstände. Es gibt kaum noch einen Windpark, der nicht vor Gericht landet“, sagt der Experte. Wenn sich an diesen Begebenheiten nichts ändere, sei das Klimaziel von 65 Prozent Erneuerbaren bis 2035 in Deutschland unmöglich zu erreichen.
Das liegt auch daran, dass der Unmut in der Bevölkerung über die Kosten der Energiewende stetig steigt. Auch in diesem Jahr müssen Verbraucher wieder Hunderte Millionen Euro für Ökostrom bezahlen, der ungenutzt bleibt und teils noch nicht einmal in die Stromnetze eingespeist wird. Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum kletterten die Entschädigungsansprüche laut Bundesnetzagentur von 142 Millionen Euro auf 228 Millionen Euro.
Dabei müsste der Verbraucher viel mehr an der Energiewende beteiligt werden, fordert Koenig. „Die Frage der Akzeptanz ist ein wichtiges Thema. Das dänische Beispiel, lokale Gemeinden an Windparks zu beteiligen, scheint gut zu funktionieren. Dadurch kommt mehr lokale Wertschöpfung, bei den Leuten an, die durch die Windanlagen beeinträchtigt werden. Das gibt es in der Breite in Deutschland noch längst nicht.“
Das Hamburger Start-up Enyway bietet zum Beispiel jedem Bürger an, sich ab 39 Euro am Bau einer Solaranlage zu beteiligen. Dafür bekommt er einen fest zuzuordnenden Teil an einer größeren Solaranlage. Umweltbewusste Kunden schließen direkt Lieferverträge mit Landwirten ab, die Windräder betreiben. Enyway sorgt für den reibungslosen Ablauf und besorgt den nötigen Ökostrom am Markt, wenn sich der Stromverbrauch des Kunden so nicht komplett decken lässt.
Oder der bayerische Solarspeicher-Pionier Sonnen. Wer eine Batterie der Firma im Haus hängen hat, kann sich jetzt für einen Obolus als sprichwörtlicher Netzpuffer zur Verfügung stellen und helfen, Regelenergie als Ausgleich für die volatile Energieerzeugung der Erneuerbaren einzuspeisen, die das Netz des Öfteren überfordern.
Enyway verkauft Anteile an Solaranlagen in Größe eines Pizzakartons. Hinter dem Projekt steht ein Manager, der die Branche schon einmal aufgemischt hat.
„Das technologische Potenzial zur Stärkung der Netze ist nicht zu unterschätzen. Wenn die Speichertechnologien günstiger werden, wovon die meisten ausgehen, wird das auf jeden Fall ein Teil der Lösung sein“, glaubt Koenig. Auch wenn Power-to-X Anlagen oder Großspeicher aus seiner Sicht noch ein paar Jahre entfernt davon sind, tatsächlich in der Masse marktreif zu sein.
Bis dahin hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) aber auch erst einmal einen Plan zur Beschleunigung des Netzausbaus vorgelegt, der ab dem nächsten Jahr in Kraft treten soll. Bis zum Ende der Legislaturperiode, also in drei Jahren, soll einiges passieren. Das ist sehr optimistisch, wenn man die Zahlen betrachtet: 7700 Kilometer Stromleitungen sind nötig; 1750 sind genehmigt, nur 950 tatsächlich gebaut.
Manch einer setzt seine Hoffnungen deswegen in private Stromabnahmeverträge, so genannte PPAs (Power Purchase Agreement). Im Moment werden damit noch hauptsächlich aus der Förderung fallende Projekte ab 2020 weiter finanziert.
So hat Automobilhersteller Daimler gerade erst einen Stromabnahmevertrag mit dem norwegischen Anbieter Statkraft abgeschlossen, mit dem er Strom für seine Werke der Marke Mercedes-Benz von Windrädern in Deutschland beziehen kann. Damit sichere man den wirtschaftlichen Betrieb von Bestandsanlagen, die so weiter ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele in Deutschland leisten könnten, begründete der Hersteller den Schritt.
„In den nächsten fünf Jahren werden wir vermutlich dann auch die ersten PPAs für neue Windparks sehen. Andere Länder sind da aber schon deutlich weiter“, erklärt Koenig. In den USA sind PPAs längst Gang und Gebe. Das liege aber auch daran, dass deutsche Fördersystem Entwicklern und Investoren fast alle Risiken abnehme, sagt der Energieexperte.
„Die Frage ist, wollen wir jetzt schon -PPAs im großen Stil? Die Finanzierung wird dann teurer als in der Förderung durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und somit steigen die Gestehungskosten.“ Die Lösung ist der Mittelweg, erklärt Koenig. Das deutsche EEG sei reformierfähig. Aber auch da, ist der Experte überzeugt, werde sich auch in den nächsten Jahren einiges tun.
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