Investoren kritisieren zudem, dass die Hauptversammlung nur virtuell stattfindet. Beim Zugang gab es technische Probleme.
Siemens Energy
Das Unternehmen macht mit Windkraft-Tochter Siemens Gamesa aktuell große Verluste.
Bild: dpa
München Nach einer Verdoppelung des Quartalsverlusts haben die Aktionäre von Siemens Energy endlich Fortschritte gefordert. Die Probleme im Geschäft mit erneuerbaren Energien hätten sich leider ausgeweitet, sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investments, am Dienstag auf der Hauptversammlung. „Der Vorstand der Siemens Energy scheint eher wie Don Quijote gegen Windmühlen zu kämpfen, als mit ihnen Geld zu verdienen.“
Aktionärsvertreter kritisierten zudem, dass Siemens Energy auch nach dem Ende der meisten Coronamaßnahmen Hauptversammlungen virtuell abhält. „Wir bevorzugen ganz klar die Präsenzhauptversammlung, nur dort ist eine lebhafte Generaldebatte möglich“, sagte Vera Diehl, Fondsmanagerin bei Union Investment. Der Konzern hatte eine Satzungsänderung auf die Tagesordnung gesetzt, um Hauptversammlungen ohne physische Präsenz der Aktionäre für zunächst zwei weitere Jahre zuzulassen.
Reibungslos verlief die virtuelle Veranstaltung anfangs nicht. Es sei wohl bei einzelnen Aktionären während der ersten Reden zu Problemen beim technischen Zugang gekommen, sagte Aufsichtsratschef Joe Kaeser. 160 Anleger hätten sich wegen Schwierigkeiten beim Log-in gemeldet. Die Probleme seien aber bis zum Start der Generaldebatte behoben worden.
Für Diskussionen sorgte auch ein Auftrag für die Leittechnik eines Rosatom-Atomkraftwerks in Ungarn (Paks II). Die Verträge seien vor Ausbruch des Ukrainekriegs abgeschlossen worden, sagte Vorstandschef Christian Bruch. „Wir sehen uns an bestehende Verträge grundsätzlich gebunden.“ Siemens Energy, das viel Erfahrung mit der Technologie habe, sei von Regierungen ausdrücklich gebeten worden zu liefern.
Klimaaktivistin Luisa Neubauer kritisierte, der Konzern sei nicht so klimafreundlich, wie er sich gebe. „Wir blicken fassungslos auf die Geschäftspraktiken.“ Die CO2-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette seien deutlich zu hoch. Der Konzern nehme noch immer neue fossile Projekte wie zum Beispiel Gaskraftwerke in die Auftragsbücher.
CEO Bruch hatte vor Beginn der Hauptversammlung die detaillierten Quartalszahlen vorgelegt. Im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2022/23 (30. September) haben sich die Verluste von 246 auf 598 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Verantwortlich für die roten Zahlen ist die Dauerkrise bei Siemens Gamesa.
CEO Bruch sagte mit Blick auf die Windkrafttochter: „Wir wollen das Geschäft stabilisieren. Und wir wollen es wieder profitabel machen.“ Der neue Gamesa-Chef Jochen Eickholt habe die dazu notwendigen Schritte eingeleitet. Durch den Einsatz von Modulen für Windturbinen an Land wolle man die Kosten senken. Siemens Gamesa könne nicht über Nacht in die Gewinnzone zurückkehren. „Doch die Weichen sind gestellt“, so Bruch.
Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz sagte, Eickholt habe mit den jüngsten Abschreibungen und Rückstellungen reinen Tisch gemacht. „Jetzt muss es aber auch laufen.“ Die Perspektiven seien dann gut. „Windkraft ist ein echter Zukunftsmarkt.“
Auch Bruch sieht Lichtblicke. „Das Wachstum unseres Auftragseingangs zeigt, dass wir das richtige Portfolio haben, um von der Energiewende zu profitieren.“ Die neuen Bestellungen legten im ersten Quartal 2022/23 im Konzern auf vergleichbarer Basis um knapp die Hälfte auf 12,7 Milliarden Euro zu. Der Umsatz verbesserte sich um 16 Prozent auf gut sieben Milliarden Euro.
Impulse für das Geschäft erhofft sich Siemens Energy vom „Inflation Reduction Act“ (IRA) in den USA. Durch die staatliche Förderung von drei Dollar pro Kilo Wasserstoff rechneten sich dort künftig auch viele Projekte, die bisher nicht wirtschaftlich gewesen seien, sagte Bruch. „Das ist klug gemacht.“ Der deutsche Konzern entwickelt unter anderem Elektrolyseure für die Herstellung von Wasserstoff.
Siemens Energy kann gute Nachrichten gebrauchen. Der Energietechnikspezialist hatte im Januar bereits die Prognose für das Geschäftsjahr einkassiert, das am 30. September endet, und erste Zahlen genannt. Im Gesamtjahr rechnet der Dax-Konzern nun mit Verlusten auf Vorjahreshöhe – statt diese wie geplant deutlich zu reduzieren.
Der detaillierte Quartalsbericht zeigt, wie stark die hohen Verluste bei Siemens Gamesa das Unternehmen belasten. Die anderen Geschäftsbereiche „Gas Services“ mit den Gasturbinen, „Grid Technologies“ mit der Stromübertragung und „Transformation of Industry“ mit den Wasserstofftechnologien konnten ihre Ergebnisse deutlich verbessern.
Siemens Gamesa, das Siemens Energy nach der Komplettübernahme gerade stärker integriert, machte im Auftaktquartal dagegen einen Verlust von 884 Millionen Euro. Schon im vergangenen Jahr hatte Gamesa den Konzern tief in die roten Zahlen gedrückt. Der Verlust des noch jungen Siemens-Energy-Konzerns stieg 2021/22 von 560 auf 647 Millionen Euro. Seit der Abspaltung von Siemens vor knapp drei Jahren war das Unternehmen durchgehend defizitär.
Aufsichtsratschef Kaeser stärkte der Führung demonstrativ den Rücken: „Herr Bruch als CEO und sein Vorstandsteam haben das uneingeschränkte Vertrauen des Aufsichtsrats.“ Das Kontrollgremium unterstütze ausdrücklich die Ausrichtung des Unternehmens.
Auf längere Sicht ist die Führung des Unternehmens zuversichtlich. „Die Energiewende kann der größte wirtschaftliche Wachstumsmotor seit der Industrialisierung werden“, sagte Bruch. Es gebe bis 2030 einen Investitionsbedarf von 50 Billionen Euro.
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