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20.01.2023

15:29

Sinkende Strompreise

Warum Anbieter die Stromtarife trotzdem erhöhen

Von: Catiana Krapp, Kathrin Witsch, Klaus Stratmann

Die Strompreise und Gaspreise an den Energiebörsen fallen deutlich. Trotzdem erhöhen Versorger ihre Tarife. Daran wird sich so schnell nichts ändern, kündigt Eon-Chef Birnbaum an.

Eon-Chef Leonhard Birnbaum Dietmar Gust, Euroforum

Eon-Chef Leonhard Birnbaum

Der Energiemanager verteidigte auf dem Handelsblatt Energie-Gipfel in Berlin die Preiserhöhungen durch seinen Konzern.

Berlin Die Strompreise im tagesaktuellen Handel sind seit Mitte Dezember um rund zwei Drittel gefallen. Gerade mal 130 Euro werden aktuell an der Leipziger Börse EEX für eine Megawattstunde Strom fällig. Trotzdem landen bei Verbrauchern immer noch Briefe mit Preiserhöhungen ihrer Versorger in den Briefkästen.

„Wir haben in der Grundversorgung ja nicht die 1000 Euro pro Megawattstunde aus dem August durchgereicht. Sondern nur ungefähr 30 Prozent“, verteidigt Eon-Chef Leonhard Birnbaum die Preiserhöhungen am Dienstag in Berlin auf dem Handelsblatt Energiegipfel. 

Kunden des Essener Energieversorgers hatten erst im Januar Post mit drastischen Erhöhungen bekommen. Für Kunden außerhalb der Grundversorgung verdoppeln sich die Kosten teilweise ab dem 1. März. Von 26,9 Cent die Kilowattstunde geht es dann teilweise hoch auf 50,11 Cent.

Strompreise steigen bei vielen Stadtwerken

„Insgesamt kommen diese Kunden größtenteils von einem sehr niedrigen Preisniveau, das der Marktlage, wie wir sie bereits seit mehr als einem Jahr sehen, nicht mehr entspricht“, erklärt ein Eon-Sprecher auf Anfrage des Handelsblatts. Was im vergangenen Jahr an den Strombörsen zu beobachten war, spiegele sich jetzt erst langsam in den Endkundenpreisen wider. 

Schon Ende November hatten mit derselben Begründung auch viele Stadtwerke massive Preiserhöhungen für das neue Jahr angekündigt. In Leipzig und München steigen die Grundversorgungstarife für Strom ab diesem Monat um fast 150 Prozent. In Leipzig kostet eine Kilowattstunde jetzt 52,12 Cent, in München sogar 61,89 Cent. 

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„Wir haben eine Preisverdopplung auf der Gasseite und eine Vervierfachung auf der Stromseite, da können wir noch keine Entwarnung geben“, sagte Birnbaum und stellt Verbraucherinnen und Verbraucher auf weiterhin hohe Preise ein.

Das gilt aber vor allem für die Grundversorger. Eine Kilowattstunde Strom kostete laut dem Vergleichsportal Verivox beim Grundversoger im Oktober noch 36,8 Cent, aktuell sind es 46,6 Cent – ganze 27 Prozent mehr. Eine Kilowattstunde Strom für Neukunden kostete dagegen im gleichen Zeitraum durchschnittlich noch 56 Cent, aktuell sind es 42,7 Cent und damit 24 Prozent weniger.

Die Strompreise stehen weiterhin im Fokus der Branche. Dietmar Gust, Euroforum

Diskussion auf dem Handelsblatt Energie-Gipfel

Die Strompreise stehen weiterhin im Fokus der Branche.

Dass die Verbraucherpreise steigen, ist grundsätzlich nachvollziehbar. Schließlich kostete die Megawattstunde Strom im tagesaktuellen Handel vor einem Monat noch 444 Euro. Das gesamte Jahr 2022 sprangen die Energiebörsen von einem Rekord zum nächsten.

Seit einigen Wochen hat sich die Lage jedoch beruhigt. Für die ersten 15 Tage im Januar meldete die Bundesnetzagentur sogar Großhandelspreise im Minusbereich. Negative Strompreise kommen dann vor, wenn ein Stromüberschuss besteht. Oder anders gesagt, wenn die Erzeugung den Verbrauch übersteigt. Eine solche Situation entsteht beispielsweise bei einer sehr hohen Einspeisung mit preisgünstiger Windenergie. Mittlerweile sind die Preise teilweise bis auf 29 Euro gefallen, so tief wie seit über einem Jahr nicht mehr. 

Insgesamt bleibt das Preisniveau trotzdem historisch hoch. Vor Beginn der Energiekrise bewegten sich die Preise im Jahresdurchschnitt zwischen 35 und 55 Euro je Megawattstunde. 

Gaspreise immer noch deutlich teurer als vor der Krise

Beim Gas ist die Entwicklung noch deutlicher. Schließlich ist allein der Preis im Großhandel im vergangenen Jahr zwischenzeitlich um mehr als 700 Prozent gestiegen. Mittlerweile haben sich die Märkte angesichts des verhältnismäßig milden Winters wieder beruhigt. Aktuell kostet eine Megawattstunde (MWh) Erdgas an der niederländischen TTF-Börse so nur noch um die 45 Euro. 

Aber auch hier ist das Vorkrisenniveau in weiter Ferne. Im Schnitt bewegten sich die Preise damals zwischen zehn und 25 Euro je Megawattstunde. Aktuell liegen sie immer noch fast viermal so hoch.

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„Wer teuer eingekauft hat, der muss die Preise natürlich jetzt auch weitergeben“, sagt Ramona Pop, Vorsitzende der Verbraucherzentrale Bundesverband, auf dem Handelsblatt Energiegipfel. 

Während die Neukundenpreise in der Grundversorgung steigen, sind bei anderen Anbietern mittlerweile längst wieder günstige Tarife zu finden. Wechseln könnte sich also wieder lohnen. „Trotzdem ist das nicht immer die beste Lösung“, sagt Pop und warnt davor, sich immer auf den billigsten Anbieter zu stürzen: „Wie schnell das vorbei sein kann, haben wir im vergangenen Jahr gesehen.“ 

„Wer teuer eingekauft hat, muss die Preise jetzt natürlich auch weitergeben.“ Dietmar Gust, Euroforum

Verbraucherschützerin Ramona Pop

„Wer teuer eingekauft hat, muss die Preise jetzt natürlich auch weitergeben.“

Damit spielte Pop auf Billigstromanbieter wie Stromio an. Diese hatten bereits zu Beginn der Energiekrise Ende 2021 Zehntausenden Kunden von heute auf morgen gekündigt, weil sie es sich mit ihrer sehr kurzfristigen Beschaffungsstrategie bei den horrenden Börsenpreisen nicht mehr leisten konnten, Energie zu den versprochenen Preisen zu liefern. 

Auch die Haushalte belasten die hohen Preise für Strom und Gas mittlerweile stark. Deswegen unterstützt die Bundesregierung Privatkunden und Unternehmen ab März 2023 mit der sogenannten Strom- und Gaspreisbremse. Die Regelung sieht vor, dass Verbraucher demnächst nur noch 40 Cent je Kilowattstunde Strom und zwölf Cent je Kilowattstunde Erdgas zahlen müssen. Das gilt für 80 Prozent des durchschnittlichen Verbrauchs. 

Die Differenz zwischen den gedeckelten 40 beziehungsweise zwölf Cent und dem tatsächlichen Tarif wird dem Energieversorger vom Staat erstattet. Wer besonders sparsam ist, soll sogar noch Geld zurückbekommen. Die Regelung soll rückwirkend ab Januar gelten.

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Bei einigen Anbietern war es nach der Ankündigung zu massiven Preiserhöhungen gekommen. Die Aufschläge fallen auf breiter Front so dramatisch aus, dass das nach Ansicht einiger Experten nicht mehr mit den gestiegenen Beschaffungskosten für Strom und Gas zu rechtfertigen ist. Selbst aus der eigenen Branche gab es Kritik. „Bei 70 Cent die Kilowattstunde kann das Kartellamt schon mal nachfragen“, kündigte deswegen der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Patrick Graichen, am Dienstag in Berlin an. 

Der Gesetzentwurf zur Gaspreisbremse trägt diesen Überlegungen Rechnung. In Paragraf 28 heißt es, Gaslieferanten sei es verboten, Preise in einem Umfang zu erhöhen, der sich nicht aus dem Marktgeschehen oder einem Anstieg der Beschaffungskosten ergebe. Der Gesetzentwurf zur Strompreisbremse enthält die entsprechenden Regelungen in Paragraf 39. Trotzdem betonte Verbraucherschützerin Pop: „Es gab auffällige Bewegungen. Und da gucken wir sehr genau hin.“

Erstpublikation: 17.01.2023, 14:06 Uhr.

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