Enyway verkauft Anteile an Solaranlagen in Größe eines Pizzakartons. Hinter dem Projekt steht ein Manager, der die Branche schon einmal aufgemischt hat.
Solarpark in Israel
Solarstrom ohne Eigenheim ist in Deutschland bislang eher selten.
Bild: picture alliance/dpa
Düsseldorf Die Energiewende in Deutschland kommt nicht nur dem Klima zugute. Sie lohnt sich für Hunderttausende Deutsche auch finanziell. Wer ein Solardach betreibt, beruhigt nicht nur sein Gewissen, er kassiert auch sehr gute Renditen. Schließlich garantiert das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) noch immer einen festen und attraktiven Preis für den Strom.
Sozial gerecht geht es bei der Energiewende aber ganz und gar nicht zu. Von den Vergütungen profitieren überwiegend Unternehmer oder Eigenheimbesitzer. Die milliardenschweren Kosten werden dagegen auf die Stromverbraucher umgelegt. Einen großen Teil der EEG-Umlage tragen Millionen Mieter, die selbst keine Anlagen installieren können.
Das soll sich jetzt ändern – verspricht das junge Hamburger Energieunternehmen Enyway. Es bietet ab sofort jedem Bürger an, sich ab 39 Euro am Bau einer Solaranlage zu beteiligen. Dafür bekommt er einen fest zuzuordnenden Teil an einer größeren Solaranlage. Die erste Anlage mit einer Fläche von 9000 Quadratmetern und einer Leistung von 1,5 Megawatt soll schon bald gebaut werden.
Das würde reichen, um pro Jahr 1,5 Millionen Kilowattstunden Strom zu produzieren – und damit rechnerisch den Bedarf von mehr als 500 Haushalten zu decken. Enyway hat sich eine entsprechende Fläche bei der Stadt Hecklingen in Sachsen-Anhalt gesichert – inklusive Baugenehmigungen und Netzanschluss.
Die Bürger können aber auch größer einsteigen – und sich Anteile in der Größe einer Tischtennisplatte sichern. Das kostet dann 99 Euro. „Endverbraucher können sich ab sofort mit einem Minianteil am Bau einer Photovoltaikanlage beteiligen“, verspricht Enyway-Gesellschafter Heiko von Tschischwitz: „Der kleine Mann kann sich jetzt aktiv an der Energiewende beteiligen.“
Von Tschischwitz mag große Worte wählen – die Branche sollte ihn und Enyway aber ernst nehmen. Schließlich hat der 50-Jährige den Energiemarkt schon einmal aufgemischt. 1999 gründete er den ersten Ökostromanbieter Deutschlands: Lichtblick. Während fast alle Newcomer, die nach der Liberalisierung des Strommarkts an den Start gingen, schnell wieder verschwanden, etablierte sich Lichtblick als größter unabhängiger Ökostromlieferant – und hat heute fast 700.000 Kunden.
Vor einem Jahr gab von Tschischwitz die Geschäftsführung von Lichtblick ab und gründete mit Partnern Enyway – wieder mit einem völlig neuen Ansatz: Er will die klassischen Versorger komplett überflüssig machen. Enyway ist ein Onlinemarktplatz, der Betreiber von Windrädern oder Solardächern direkt mit Verbrauchern zusammenbringt.
Umweltbewusste Kunden schließen beispielsweise direkt Lieferverträge mit Landwirten ab, die Windräder betreiben. Enyway sorgt für den reibungslosen Ablauf und besorgt den nötigen Ökostrom am Markt, wenn sich der Stromverbrauch des Kunden so nicht komplett decken lässt. Damit hebt Enyway die Anonymität im Ökostrommarkt auf: Verbraucher kaufen ihren Strom direkt beim Erzeuger.
Sein Team habe aber schnell gemerkt, dass viele Verbraucher noch einen Schritt weiter gehen wollten, erklärt von Tschischwitz: Sie wollten sich aktiv an der Energiewende beteiligen und in Anlagen investieren.
Bislang war das aber vielen, insbesondere Mietern, verwehrt.
Es entwickeln sich zwar allmählich Mieterstromprojekte, bei denen sich Verbraucher Stromlieferungen direkt aus speziellen Solar- und Windanlagen sichern können. Und natürlich gibt es auch Finanzanlagen, mit denen Bürger Anteile an grünen Projekten erwerben können.
Enyway garantiert aber, dass die Verbraucher einen ganz spezifischen Anteil an den geplanten Solaranlagen erwerben können. Dank Blockchain-Technologie soll die Fläche fälschungssicher zuzuordnen sein. Der Verbraucher bekommt Strom, der seinem Anteil entspricht, direkt nach Hause geliefert. Zudem bekommt er den restlichen Strom, den er verbraucht, zum Selbstkostenpreis aus regenerativen Quellen.
Enyway stellt nur die Beschaffungskosten, Netzengelte, Steuern und Umlagen in Rechnung – verzichtet aber auf eine Vertriebsmarge. Das Start-up verdient am Kaufpreis und einem monatlichen Servicebeitrag von 2,99 Euro. Gemessen an herkömmlichen Tarifen habe der Verbraucher die Investition beim Modell „Pizzakarton“ schon nach wenigen Monaten herausgeholt, verspricht von Tschischwitz.
Gleichzeitig soll sich die Solaranlage aber auch eigenständig finanzieren – und ohne EEG-Vergütung auskommen. Damit würden die Verbraucher, die zu Solarunternehmern werden, nicht wiederum andere Verbraucher über die EEG-Umlage belasten. Für von Tschischwitz ist das Produkt deshalb geradezu „revolutionär.“
Ganz so euphorisch wie der Enyway-Eigentümer sind Branchenbeobachter zwar nicht, das Modell stößt aber auf Interesse. „Das ist auf jeden Fall ein neuer Ansatz“, sagt Götz Fischbeck, Geschäftsführer von Smart Solar Consulting. Interessant sei allerdings, für welchen Preis der Kunde seinen Solarstrom am Ende bekommt. Aber die Investitionssumme für die Anlage wäre über das Crowdfunding ja schon finanziert. Wenn es funktioniert, wäre das für den Solarexperten ein Durchbruch.
„Die Energiewende kann innovative Geschäftsmodelle gut gebrauchen, damit sich auch Mieter beteiligen können“, sagt Udo Sieverding, Energie‧experte bei der Verbraucherzentrale NRW: „Tatsächlich geht es bei der Energiewende bislang nicht gerecht zu.“
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