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06.03.2023

09:36

Stromkosten

Wie Verbraucher mit Stromunterbrechungen Geld sparen

Von: Catiana Krapp

Netzbetreiber sollen künftig die Stromversorgung einzelner Geräte drosseln dürfen. In bestimmten Fällen geht das bereits heute – und spart Netzgebühren.

Strompreise, Strom sparen mit unterbrechbare Stromtarifen IMAGO/Panama Pictures

Stromnetz am Abend

Mit Tarifen, welche die Stromzufuhr zu bestimmten Zeiten beschränken, können Verbraucher sparen.

Düsseldorf Jeden Tag um 10.45 Uhr geht bei Julian Affeldt der Strom aus. Der Lehrer aus Brandenburg kann dann für anderthalb Stunden nicht sein E-Auto laden. Und auch die Wärmepumpe, mit der er heizt, tut in dieser Zeit nichts. Um 17.45 Uhr passiert das Gleiche noch mal.

Was sich für manch einen Stromverbraucher mindestens unangenehm anhört, erfüllt Affeldt mit Begeisterung. „Diese Möglichkeit sollte viel mehr genutzt werden“, sagt er. „Vieles von dem, was die Bundesregierung sich erhofft, ist schon heute umsetzbar.“

Was die Bundesregierung sich erhofft, ist eine Zukunft, in der alle Menschen Strom dann verbrauchen, wenn viel Wind- und Sonnenstrom im Netz ist – und Strom sparen, wenn gerade wenig Strom verfügbar ist. So soll die Energiewende zügig gelingen. Und der Strom für Verbraucher günstiger werden.

Energiekrise: Bundesregierung plant Drosselung von Strom für alle

Von günstigerem Strom profitiert Affeldt schon heute. Denn er hat einen sogenannten unterbrechbaren Stromzähler. Zweimal am Tag unterbricht sein Stromnetzbetreiber die Stromzufuhr für Wärmepumpe und Elektroauto. Denn zu diesen Uhrzeiten ist das Stromnetz besonders beansprucht. Jeder Stromverbraucher, der in dieser Zeit wegfällt, bringt Entlastung. Im Gegenzug zahlen sie weniger Stromnetzgebühr und haben somit insgesamt eine niedrigere Stromrechnung.

Was Affeldt tut, soll künftig für alle Verbraucher verpflichtend werden. Das plant die Bundesregierung. Die Bundesnetzagentur hat im vergangenen Dezember ein Eckpunktepapier geschrieben. Darin stehen notwendige Maßnahmen, um Stromausfälle und Überlastungen im Stromnetz zu verhindern.

In dem Eckpunktepapier steht ein Halbsatz in Bezug auf Stromverbraucher, der seither für Wirbel sorgt: „Inkaufnahme erforderlicher Komforteinschränkungen durch Schaltmaßnahmen.“

Konkret heißt das: Wenn eine Netzüberlastung droht, soll künftig jeder Stromnetzbetreiber bei jedem Stromkunden vorübergehend für einige Geräte den Strom abschalten dürfen. Oder zumindest die verfügbare Strommenge drosseln.

In der vergangenen Woche hat ein breites Bündnis verschiedener Verbände die Bundesnetzagentur für ihren Plan kritisiert. Sie bezeichnen das Vorhaben als einseitig und nicht zumutbar. Zu den Verbänden zählen der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), der Verband der Automobilindustrie (VDA), aber auch der Bundesverband Wärmepumpe (bwp) und der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne).

Verbreitete Wärmepumpen-Tarife für Strom

Die Sorge vieler Verbände und Verbraucher: Gerade wenn ein Stromnutzer dringend sein Elektroauto aufladen muss, könnte der Strom wegbrechen. Im Eckpunktepapier heißt es, die Stromleistung solle maximal auf 3,7 Kilowatt beschränkt werden. Um 50 Kilometer Fahrstrecke zu laden, müsste ein durchschnittliches Elektroauto so drei Stunden an der Ladestation hängen. So würden Verbraucher in ihrer Stromnutzung eingeschränkt, klagen Unternehmen wie Verbraucherschützer.

Doch das Vorhaben der Bundesregierung ruft nicht nur Kritiker auf den Plan. Menschen wie Affeldt schwärmen von den Vorteilen, die unterbrechbare Stromtarife bringen – für das Stromnetz und den eigenen Geldbeutel.

Affeldt nutzt einen sogenannten Wärmepumpentarif. Diese Tarife sind nicht ungewöhnlich bei Hausbesitzern, die mit Wärmepumpe heizen. Der Energieexperte Reinhard Loch von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sagt: „Wärmepumpennutzer haben fast immer einen Wärmepumpen-Stromtarif.“

Stromanbieter stellte sich anfangs quer

Solche Wärmepumpentarife sind laut Loch im Schnitt drei bis fünf Cent pro Kilowattstunde günstiger als normale Stromtarife. Bei einem für eine Familie mit Wärmepumpe typischen Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden pro Jahr ließen sich so bis zu 250 Euro sparen.

Im Gegenzug bricht die Stromzufuhr für die Wärmepumpe zweimal am Tag zeitweise ab. Das spüren die Nutzer im Normalfall aber nicht in der Wärmeversorgung ihrer Räume. Affeldt sagt: „Wir haben kein sonderlich modernes Haus und keinen Pufferspeicher, aber wir merken davon überhaupt nichts, egal, wie kalt es draußen ist.“

Bei Affeldt kommt allerdings noch eine Besonderheit hinzu, die man eher selten findet: Auch sein Elektroauto bezieht vergünstigten Strom über seinen Wärmepumpentarif. Denn seine Wallbox hängt am gleichen Stromzähler wie seine Wärmepumpe – während der restliche Haushaltsstrom über einen anderen Zähler läuft. „Mein Netzbetreiber hat anfangs gesagt, dass das nicht geht. Aber dann haben mein Elektriker und ich dem Netzbetreiber den Gesetzestext vorgelegt – und dann ging es doch“, erinnert sich Affeldt.

Wärmepumpentarife sind im Schnitt drei bis fünf Cent pro Kilowattstunde günstiger als normale Stromtarife. Oft gibt es zusätzlich spezielle E-Auto-Tarife. dpa

E-Auto in der heimischen Garage

Wärmepumpentarife sind im Schnitt drei bis fünf Cent pro Kilowattstunde günstiger als normale Stromtarife. Oft gibt es zusätzlich spezielle E-Auto-Tarife.

Er bezieht sich auf den Paragrafen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes. Darin steht, dass Netzbetreiber Verbrauchern ein reduziertes Netzentgelt berechnen müssen, wenn mit ihnen im Gegenzug die „netzorientierte Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen“ vereinbart wurde, die über einen separaten Stromzähler verfügen.

Als „steuerbare Verbrauchseinrichtungen“ gelten laut Gesetz Wärmepumpen, Ladepunkte für Elektroautos sowie „Anlagen zur Erzeugung von Kälte oder zur Speicherung elektrischer Energie und Nachtstromspeicherheizungen“.

Strom sparen: Im Sommer PV-Strom, im Winter Wärmepumpenstrom

Wer mehrere dieser Einrichtungen besitzt, kann sie in der Theorie miteinander kombinieren. Auch Affeldt hat nicht nur eine Wärmepumpe und ein Elektroauto, sondern auch eine Photovoltaikanlage auf seinem Dach installiert. Im Sommer bezieht er den nötigen Strom für sein Elektroauto günstig vom eigenen Dach. Im Winter bekommt er ihn günstig über seinen Wärmepumpentarif – und kann dafür zeitweise nicht laden.

Jeder deutsche Hausbesitzer mit Wärmepumpe und Elektroauto kann es so machen – davon ist zumindest der Lehrer aus Brandenburg überzeugt. Man müsse sich lediglich ausrechnen, ob sich das trotz der Kosten für den zusätzlichen Stromzähler, der für den Wärmepumpentarif eingebaut wird, lohnt.

Falls ein neuer Zählerschrank erforderlich sei, könne der Einbau des neuen Zählers über 1000 Euro kosten. Aber bei einem so hohen Stromverbrauch, wie er durch Wärmepumpe und E-Auto in einem Jahr anfällt, lohne sich das trotzdem.

Allerdings ist fraglich, ob es tatsächlich so einfach ist, diesem Beispiel zu folgen. Zumindest für Verbraucher, die nicht wie Affeldt und sein Elektriker geduldig mit ihrem Netzbetreiber und ihrem Stromanbieter ihren Fall ausdiskutieren mögen.

Stromanbieter sperren sich gegen kombinierte Tarifnutzung

Denn zumindest von den Stromanbietern, die das Handelsblatt befragte, kamen skeptische Reaktionen. So sagte etwa eine Sprecherin der Stadtwerke München auf die Frage, ob es dort die Möglichkeit gebe, beim Wärmpumpentarif auch eine Wallbox anzuschließen: „Nein. Die Stadtwerke München bieten Kunden mit Wärmepumpen und mit Wallboxen für jede der beiden Verbrauchseinrichtungen einen gesonderten Stromliefervertrag an.“

Hintergrund sei, dass die Netzentgelte für Wärmepumpen und Elektroautos verschieden seien. Ähnlich äußert sich auch ein Sprecher von EnBW: „Bei der EnBW gibt es gesonderte Tarife für Wallboxen und Wärmepumpen.“ Wenn die Netzentgelte für Wärmepumpen und Wallboxen unterschiedlich seien, könne ohne getrennte Zähler keine korrekte Messung der unterschiedlichen Geräte erfolgen.

Auch von dem Ökostromanbieter Lichtblick heißt es: „Eine Kombination von Heizstrom und Fahrstrom ist aktuell nicht möglich. Das ist aber auch ungewöhnlich, auch weil die Tarife unterschiedlich sind.“

Verbraucherschützer Loch erklärt, dass es für E-Auto-Strom und für Wärmepumpenstrom häufig zwei verschiedene Tarife gibt. Der Grund: Netzbetreiber gehen von bestimmten, typischen Lastprofilen aus, die Wärmepumpenkunden haben. Vereinfacht gesagt: Wenn es kalt ist, benötigen sie beispielsweise viel Strom.

Ein Elektroauto, das am gleichen Zähler hängt, schmeißt das Lastprofil aber durcheinander. Noch schlimmer wird es, wenn auch noch eine Photovoltaikanlage ins Spiel kommt. Loch sagt: „Netzbetreiber wehren sich häufig gegen Kunden, die einen unterbrechbaren Stromtarif haben wollen, aber auch eine PV-Anlage – weil die so ein verrücktes Lastprofil haben.“

Solche Kunden machen es für Netzbetreiber nicht einfach, sondern schwieriger, die Last im Stromnetz zu planen und zu beherrschen.

Stromspeicher nicht bei unterbrechbarem Stromzähler zugelassen

Dabei würde Affeldt am liebsten noch viel weiter gehen. Er sagt: „Es wäre auch sinnvoll, darüber nachzudenken, die Anzahl der anschließbaren Verbraucher zu erhöhen, denn auch Klimaanlagen, Kühlgeräte und viele andere Geräte könnten so ohne Komforteinschränkung betrieben werden.“

Ebenfalls nicht als unterbrechbarer Verbraucher zugelassen sind momentan Stromspeicher. Affeldt wünscht sich, dass die Gesetzeslage sich ändert und er auch seinen Stromspeicher an seinen unterbrechbaren Stromzähler anschließen darf. Immerhin, so argumentiert er, sei ein Elektroauto-Akku ja auch nichts anderes als ein Stromspeicher.

Für die restlichen Elektrogeräte in seinem Haus hat Affeldt einen sogenannten dynamischen Stromtarif. Dabei bezahlt er für den Strom immer den jeweiligen Börsenpreis. Ist der Strom an der Börse also gerade günstig, weil beispielsweise der Wind weht und viel Windenergie eingespeist wird, läuft seine Waschmaschine. So spart er auch hier Geld und entlastet das Netz.

Stromkosten: Verbände setzen auf dynamische Stromtarife

Dynamische Tarife sind es auch, die viele Verbände als bessere Alternative zu den harten Stromabschaltungen sehen, die die Bundesregierung plant. Denn hier können Verbraucher auf Basis von Preisanreizen selbst entscheiden, zu bestimmten Zeiten weniger Strom zu verbrauchen.

Das entspreche eigentlich der Sparmentalität vieler Deutscher, findet Affeldt. Er sagt: „Ich weiß ja auch, dass ich nicht montags um acht zur Tanke fahre, weil es dann immer zehn Cent teurer ist. Das muss man eben lernen, das bringt halt diese neue Energiewelt mit sich.“

So lange, bis die deutsche Gesetzgebung so weit ist, wie Affeldt es sich wünscht, versucht er auf eigene Faust, den netzdienlichen Stromverbrauch in Deutschland voranzubringen. „Ich habe mich selbstständig gemacht“, sagt der Lehrer, der seinen eigentlichen Beruf jetzt nur noch in Teilzeit ausübt. „Ich plane PV-Anlagen und berate Leute zu ihrem Stromverbrauch und ihren Lademöglichkeiten.“ Mittlerweile habe er gemeinsam mit lokalen Handwerksfirmen weit über 100 Projekte umgesetzt.

Erstpublikation: 04.03.2023, 09:00 Uhr.

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