PremiumDie Gruppe aus Mailand übernimmt Marken wie den Wärmepumpenbauer Wolf. Mit dem Milliardendeal will Firmenchef Paolo Merloni seine Anteile auf dem deutschen Markt rasant ausbauen.
Produktion von Wärmepumpen bei Wolf
Die deutsche Marke gehört künftig zur italienischen Ariston-Gruppe.
Mailand Wenn Paolo Merloni auf den deutschen Heizungsmarkt blickt, sieht er vor allem eines: Umsatzpotenzial. „Es gibt eine sehr veraltete Basis im Heizungssektor“, sagt der Italiener. Die installierten Heizungen seien hier viel älter als etwa in Italien, Frankreich oder den Niederlanden. Für den Chef der Ariston Group, einem der weltweit größten Hersteller von Klimatechnik, Heizungen und Warmwassersystemen, ist Deutschland darum ein Wachstumsmarkt.
Zuletzt schlossen die Italiener darum den größten Deal der Firmengeschichte: Das Unternehmen Centrotec Climate Systems (CCS), zu dem Marken wie der Wärmepumpenhersteller Wolf oder der Raumlüfterproduzent Brink gehören, ist nun Teil von Merlonis Firmenreich. Auch der Klimagerätehersteller Pro Klima und der Ventilatorbauer Nedair gehören mit zum Paket.
Kostensynergien sieht Merloni nicht viele, höchstens im Einkauf. Der Deal sei „keine Kürzungs-, sondern eine Entwicklungsmaßnahme“, erklärt der 54-Jährige in seinem Mailänder Büro.
Rund 635 Millionen Euro hat Merloni ins niederbayerische Mainburg überwiesen, dazu kommen mehr als 41 Millionen Aktien des seit 2021 in Mailand gelisteten Unternehmens. Volumen des Deals: rund eine Milliarde Euro.
Merloni definiert ihn nicht als Übernahme, sondern als Partnerschaft. Auch, weil sich Centrotecs größter Aktionär Guido Krass bewusst für die Italiener entschieden hat und künftig mit elf Prozent an Ariston beteiligt sein wird – nach Merloni ist er dann zweitgrößter Einzelaktionär. Darüber hinaus zieht der Deutsche in den Verwaltungsrat und in den Strategieausschuss ein. „Ein wunderbarer Vertrauensbeweis“, findet Ariston-Chef Merloni. Mit der Übernahme ist sein Heizungsimperium auf mehr als drei Milliarden Euro Umsatz und über 10.000 Mitarbeiter angewachsen.
Paolo Merloni
Der Chef der italienischen Ariston-Gruppe will in Deutschland Marktanteile gewinnen.
Es ist nicht die erste Übernahme für das Unternehmen, das 1930 als Waagenhersteller an der italienischen Adriaküste gegründet wurde. Seit 2014 hat Merloni rund 18 Unternehmen übernommen: in den USA, in Israel, in Australien. Doch durch den Zusammenschluss wird Deutschland schlagartig der wichtigste Markt für Ariston – was den Umsatz anbelangt, aber auch die Zahl der Mitarbeiter.
„Wir erwarten, dass dieser Markt noch weiter wachsen wird“, ist Merloni überzeugt. Besonders Wolf und Brink, die wichtigsten CCS-Marken, sollen nun expandieren. „Sie haben den Vorteil, eine globale Gruppe hinter sich zu haben und von der Größe und dem Zugang zum Markt und den Technologien zu profitieren“, sagt der Ariston-Chef. In Europa beobachtet er einen starken Wandel hin zu mehr klimafreundlichen Heizungen.
Laut dem Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie wurden im vergangenen Jahr 980.000 Heizungen ausgeliefert – so viele wie seit 27 Jahren nicht. Gasheizungen haben aber noch immer einen Marktanteil von 61 Prozent. „Vor allem der Einbau von neuen Heizungen sorgt für hohes Umsatzpotenzial, das noch über Jahre erhalten bleiben wird“, schreibt die Sparkassen-Finanzgruppe in ihrem jüngsten Branchenreport.
Europa macht derzeit etwa 67 Prozent des Gruppenumsatzes von Ariston aus. Nach der Integration der Deutschen wird dieser Anteil auf mindestens 70 Prozent ansteigen. Ungefähr 20 Prozent entfallen auf Afrika, den Nahen Osten, Asien und Australien. Rund zehn Prozent macht der nordamerikanische Kontinent aus. Insgesamt hat Ariston 31 Werke auf der ganzen Welt, seit 2005 auch ein Werk in Russland mit ein paar Hundert Mitarbeitern.
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Dort wurde das Geschäft mit Ausbruch des Ukrainekriegs stark heruntergefahren. Das Werk produziert fast nur noch für den innerrussischen Markt. Ganz zurückziehen wollen sich die Italiener aber nicht. „Wir stellen unsere Mitarbeiter an die erste Stelle“, sagt Merloni. Die Gehälter würden weitergezahlt, und auch die Mitarbeiter und ihre Familien in der Ukraine, wo laut Merloni einige Dutzend für Ariston arbeiten, würden weiterhin unterstützt.
Produktion von Wärmepumpen bei Ariston
Der italienische Hersteller von Klimatechnik setzt auf den deutschen Markt.
Bild: Ariston
Der Krieg und die Pandemie haben Merloni gefordert. Es gab auch Probleme in der Lieferkette, etwa bei Halbleitern oder Stahl. „Aber im Großen und Ganzen bin ich zufrieden damit, wie es dem Unternehmen zusammen mit unseren Zulieferern gelungen ist, diese komplizierte Zeit zu bewältigen“, sagt Merloni. Immerhin: Die Fabriken standen niemals still.
In einigen Bereichen kam Ariston allerdings nicht um Preiserhöhungen herum. „Zum Teil haben wir den Preisanstieg mit Effizienz und Produktivität kompensiert, zum Teil mussten wir aber auch die Preislisten neu austarieren.“ 2021 lag der Umsatz bei knapp zwei Milliarden Euro, ein Plus von 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Gewinnmarge vor Steuern lag bei knapp 14 Prozent.
Merlonis Einkaufstour ist noch längst nicht vorbei. Zwar gibt es derzeit keine konkreten Kandidaten, aber in Mailand evaluiert Merloni „eine Reihe von möglichen Ideen“. Ariston halte immer Ausschau nach neuen Technologien oder Marktnischen. „Wenn sich Möglichkeiten ergeben, die mit unserer Strategie übereinstimmen, werden wir sie verfolgen“, sagt der Ariston-Chef.
Die gesamte Branche befindet sich im Konsolidierungsprozess. 2018 hatte der japanische Klimagigant Daikin den österreichischen Kältetechnikproduzenten AHT übernommen, vergangenen Sommer kauften die Japaner (Umsatz: rund 23 Milliarden Euro) auch noch den italienischen Pumpenproduzenten Duplomatic. Die Thermotechniksparte von Bosch ist einst durch die Übernahme von Buderus zu einem der größten Heizungshersteller Europas geworden. Viessmann aus Nordhessen übernahm erst Anfang des Jahres die Mehrheitsanteile am Eisspeicheranbieter Iscoal.
„Der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnikmarkt verzeichnet gewaltige Wachstumsraten, die diese Branche bei der Energiewende – und auch für Investitionen in diesen Übergang – an vorderste Stelle rücken“, sagt Andrea Biscia, Analyst der Schweizer Finanzgruppe Decalia.
Ariston investiert derzeit auch ins Thema Wasserstoff. Schon heute haben sie dort hocheffiziente Heizkessel im Angebot, die für den Betrieb von Erdgas-Wasserstoff-Gemischen zertifiziert sind, bis zu 30 Prozent Wasserstoffanteil sind bereits erlaubt. Parallel laufen Tests mit 100 Prozent Wasserstoff als Heizträger, auch in thermisch aktivierten Wärmepumpen ist Wasserstoff laut Merloni denkbar.
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Der studierte BWLer Merloni begann seine Karriere bei der Unternehmensberatung McKinsey. 1995 trat er als einfacher Angestellter ins Unternehmen ein, das damals noch Vater Francesco führte. Nach diversen Leitungsposten wurde er 2004 CEO der Gruppe. 2011 gab er das operative Geschäft an einen Manager ab und ist seitdem Executive Chairman.
Der Konzern ist bis heute trotz seiner globalen Größe noch ein Familienbetrieb: Eine der beiden Schwestern Merlonis sitzt mit im Vorstand. Vater Francesco ist mit 97 Jahren noch immer Ehrenmitglied im Vorstand. „Das Unternehmen ist seine Leidenschaft, seine Lebensquelle“, sagt Sohn Paolo. Sobald der Ingenieur kann, möchte er zu Wolf nach Deutschland fahren, um sich die neue Fabrik anzuschauen.
Erstpublikation: 22.02.2023, 04:00 Uhr.
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