Die monatlichen Abschläge für Verbraucher werden sich 2023 mindestens verdreifachen, schätzt die Bundesnetzagentur. Vor einem drohenden Gasmangel seien Privathaushalte jedoch geschützt.
Gasempfangsstation von Nord Stream 1 und Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL
Kein Gas: Die Ostseepipeline Nord Stream 1 wird bis zum 21. Juli gewartet.
Bild: dpa
Berlin „Bei denen, die jetzt ihre Heizkostenabrechnung bekommen, verdoppeln sich die Abschläge bereits – und da sind die Folgen des Ukrainekriegs noch gar nicht berücksichtigt“, sagte der Präsident der Behörde, Klaus Müller, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Donnerstag. „Ab 2023 müssen sich Gaskunden auf eine Verdreifachung der Abschläge einstellen, mindestens“, fügte er hinzu.
An den Börsen hätten sich die Preise zum Teil versiebenfacht. „Das kommt nicht alles sofort und nicht in vollem Umfang bei den Verbrauchern an, aber irgendwann muss es bezahlt werden. Und deshalb ist es ja auch so sinnvoll, jetzt stärker zu sparen“, führte Müller weiter aus.
Auf die Frage, was er davon halte, die höheren Beschaffungskosten der Gashändler mit einer Umlage an die Gaskunden weiterzugeben, sagte der Netzagenturchef: „Das ist eine politische Entscheidung, die man sehr genau abwägen muss.“ Man könnte so mit Milliarden die Unternehmen unterstützen. Die andere Variante wäre, „die Preise durchzugeben und dann zielgenau denen zu helfen, die sie nicht mehr tragen können“.
Müller trat Befürchtungen entgegen, dass Privathaushalte im Fall einer Gasmangellage nachrangig versorgt werden könnten. „Die deutsche und die europäische Rechtslage sehen vor, private Haushalte bis zum Ende zu schützen“, bekräftigte er. „Selbst im schlimmsten Szenario wird Deutschland weiter Gas bekommen aus Norwegen und von Terminals aus Belgien oder Holland, demnächst auch direkt von Terminals an der deutschen Küste.“ Dass gar kein Gas mehr bei den Menschen zu Hause ankommt, halte er für „nicht sehr wahrscheinlich“. Die Gasspeicherstände in Deutschland lagen am 12. Juli bei 64,9 Prozent, wie die Bundesnetzagentur angibt.
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Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte am Dienstag mit Blick auf die Priorisierung der Gaszuteilung erklärt, dass er auf europäischer Ebene Handlungsbedarf sieht. Eine europäische Verordnung, auf der der deutsche Notfallplan Gas basiert, definiere geschützte Kunden und diese Vorgabe gelte, so eine Sprecherin. „Das heißt, Kindergärten, Krankenhäuser, private Verbraucher sind geschützte Verbraucher und diese werden auch im Fall einer Gasmangellage weiter versorgt und beliefert und nicht abgeschaltet.“ Klar sei aber auch, „dass im Fall einer Gasmangellage alle Verbraucher einen Beitrag zum Energiesparen leisten müssen“.
Seit Montag liefert Russland durch die wichtige Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr. Die Arbeiten sollen bis zum 21. Juli dauern. Offen ist, ob anschließend wieder Gas fließen wird. Die Wartung ist eigentlich eine zehntägige Routine. Russland führt als Grund für die gedrosselten Gaslieferungen über Nord Stream 1 eine fehlende Turbine an, die in Kanada gewartet wird. Wegen geltender Sanktionen weigerte sich Kanada zunächst, die Turbine an Russland zurückzugeben. Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass das Aggregat stattdessen aber an Deutschland übergeben werden soll.
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Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger macht sich wegen des Wartungsstopps große Sorgen um die deutsche Wirtschaft. „Es sieht so aus, als ob Russland das Gas stark verknappt oder auf Dauer gar nichts mehr liefert“, sagte Dulger am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung. „Wir stehen vor der größten Krise, die das Land je hatte.“ Ein Gaslieferstopp stelle die deutsche Wirtschaft vor ernste Probleme. Das bleibe nicht auf die Industrie beschränkt, sondern betreffe alle. „Wir müssen uns ehrlich machen und sagen: Wir werden den Wohlstand, den wir jahrelang hatten, erst mal verlieren“, sagte Dulger.
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