Der Arbeitsplatzabbau durch neue Elektroautos könnte kleiner als bislang erwartet ausfallen. Auf einen Bereich sehen die Forscher aber größere Probleme zukommen.
VW-Fahrzeugwerk in Zwickau
Aufwand und Zeit für die Fertigung eines neuen Golf der achten Generation und des ID.3 unterscheiden sich einer Studie zufolge nicht besonders.
Bild: dpa
Düsseldorf Elektroautos gelten zwar als umweltfreundlich, doch unter den Beschäftigten der Automobilindustrie sind sie auch als Jobkiller gefürchtet. Denn ein Elektroauto lässt sich mit weniger Aufwand und entsprechend weniger Personal produzieren.
Vor allem die Gewerkschaften schlagen schon seit längerer Zeit Alarm: Mehrere 100.000 Arbeitsplätze könnten in Deutschland in den nächsten zehn Jahren verloren gehen.
Doch jetzt gibt es zum ersten Mal ein wenig Entwarnung: „Vielleicht wird alles doch nicht ganz so schlimm“, lässt sich eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zusammenfassen. Auftraggeber war Volkswagen. Das Institut sollte die Auswirkungen von Elektromobilität auf die deutschen VW-Werke untersuchen.
Die deutsche Automobilindustrie gehört zu den wichtigsten Branchen des Landes. Mehr als 800.000 Menschen arbeiten unmittelbar für einen Autohersteller oder einen Zulieferer. Dazu kommen noch einmal weitere 1,3 Millionen Beschäftigte, die in irgendeiner Form von der Autobranche abhängen: sei es der Grafiker in der Werbeagentur oder der Kfz-Mechaniker in der Werkstatt. Allein für den VW-Konzern sind in Deutschland unmittelbar rund 300.000 Menschen tätig.
Dass der Wechsel zum Elektroauto weniger dramatische Folgen haben könnte, betrifft in erster Linie die Beschäftigten in der Fahrzeugfertigung. Die Fraunhofer-Forscher haben verglichen, wie sich die Fertigung des konventionellen Golf und des neuen E-Autos ID.3 in den kommenden zehn Jahren auf die Beschäftigung auswirken werden.
„Die Effekte durch das Elektroauto sind geringer als bislang angenommen“, sagte Florian Herrmann, einer der Autoren der Studie. Aufwand und Zeit für die Fertigung eines neuen Golf der achten Generation und des ID.3 unterscheiden sich demnach nicht besonders.
Die Beschäftigtenzahlen in der Fahrzeugfertigung würden bei VW im aktuellen Jahrzehnt zwar um etwa zwölf Prozent sinken. Doch diese Entwicklung beruhe nur in sehr geringem Umfang auf dem Wechsel zum Elektrofahrzeug. Für den Beschäftigungsabbau seien vielmehr die branchenüblichen Produktivitätszuwächse verantwortlich, die es bei allen Autoherstellern gebe, so Herrmann.
Probleme durch den umfassenden Einstieg in die Elektromobilität sieht das Fraunhofer-Institut allerdings für den Komponentenbereich von VW. Der Personalbedarf für die Fertigung eines Diesel- oder Benziner-Antriebsstrangs fällt um etwa 70 Prozent höher aus als beim Elektromotor. Beim E-Motor wird in aller Regel kein Getriebe mehr gebraucht, was den Personalbedarf besonders schrumpfen lässt.
Im Unterschied zu anderen Autoherstellern ist der Komponenten-Eigenanteil bei VW vergleichsweise hoch. So betreibt der VW-Konzern beispielsweise ein großes Getriebewerk in Kassel. Wichtigster deutscher Standort für konventionelle Verbrennermotoren ist Salzgitter. Ein weiteres großes Motorenwerk betreibt die Konzerntochter Audi im ungarischen Györ.
Die Transformation muss nicht automatisch bedeuten, dass Volkswagen seine Motoren- und Getriebewerke aufgeben wird. Der Konzern versucht stattdessen, den betroffenen Standorten im Rahmen des Umbaus hin zur Elektromobilität neue Aufgaben und neue Arbeitsplätze zu geben.
So hat VW damit begonnen, das Motorenwerk Salzgitter für die Fertigung elektrischer Komponenten umzurüsten. Zudem sollen dort in drei bis vier Jahren zusammen mit dem schwedischen Partner Northvolt Batteriezellen gefertigt werden. Der Konzern investiert dafür rund eine Milliarde Euro. „Diese qualitative Verschiebung der Beschäftigung erfordert insbesondere die Fortbildung der Mitarbeitenden für die Fertigung völlig neuer Produkte“, folgern die Studienautoren.
Eine Alternative könnte auch darin bestehen, bestehende Komponentenwerke zu Fahrzeugfabriken umzubauen. Die Audi-Fabrik in Ungarn könnte dabei zum Vorbild werden: Die VW-Tochter hatte dort zunächst nur Motoren gefertigt, war später aber auch in die Fahrzeugfertigung eingestiegen. „Neue zusätzliche Werke werden wir in den kommenden Jahren sicherlich nicht brauchen“, hieß es dazu ergänzend in Konzernkreisen.
Größere Veränderungen stehen bei Autokonzernen wie VW auch wegen der Digitalisierung an: Produktion, Verwaltung, Logistik – sämtliche Bereiche sind gleichermaßen davon betroffen. Am Beispiel VW werde deutlich, „dass es im Transformationskorridor des kommenden Jahrzehnts keinen einheitlichen Trend der Beschäftigungsentwicklung, sondern vielmehr ein vielfach verflochtenes Nebeneinander von Arbeitsplatzaufbau, Arbeitsaufwertung und Arbeitsplatzentfall geben wird“, erwarten die Fraunhofer-Autoren. Weiterbildung und Umschulung der Mitarbeiter seien eine passende Antwort darauf.
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