Eine wachsende Zahl von Unternehmen schwenkt in der Pandemie auf die Langzeitmiete um. Sie hoffen zudem, per Abo schneller an begehrte Fahrzeugmodelle zu kommen.
Auto-Abo-App
Ein Auto-Abo ist eine Art Langzeitmiete, wobei Kunden neben der Fahrzeugkategorie auch das Modell wählen.
Bild: Shutterstock
Köln Die Vergünstigungen geben den Ausschlag. Seit E-Autos und Plug-in-Hybride bei der pauschalen Dienstwagen-Versteuerung deutlich bessergestellt sind, wollen viele von Christian Steiners Mitarbeitern möglichst schnell vom Verbrenner auf die klimafreundlicheren Antriebe wechseln, und das auch schon, als die Spritpreise noch nicht so extrem anstiegen wie zurzeit. Doch als der Chef der 20-köpfigen Agentur für Digitalmarketing Analytica A bei den angestammten Leasingfirmen nach neuen Fahrzeugen fragte, wurde er enttäuscht: „Man hat mir Lieferzeiten von bis zu 15 Monaten in Aussicht gestellt“, sagt Steiner. „So lange wollten wir nicht warten.“
Statt Leasingverträge zu verlängern, geht Steiner neue Wege: Drei der sieben Dienstwagen bezieht die Münchener Agentur als sogenanntes Auto-Abo. Dahinter verbirgt sich eine Art Langzeitmiete, wobei Kunden neben der Fahrzeugkategorie auch das Modell wählen. Für die Nutzung wird eine monatliche Gebühr fällig. Abgesehen von den Ausgaben für Laden oder Tanken sind alle Kosten enthalten – etwa für Versicherungen und Reparaturen. Er schätze den Komfortgewinn, sagt Steiner. „Ausschlaggebend war aber, dass die E-Autos innerhalb von zwei Wochen geliefert wurden.“
Neue Technologien und Antriebe ausprobieren, Wartezeiten für Neuwagen überbrücken, einen kompletten Kostenüberblick haben – für Fuhrparkleiter sind das die Hauptgründe für Auto-Abos, ergab kürzlich eine Befragung der Marktforscher Dataforce für eine Studie, die der Verband markenunabhängiger Mobilitäts- und Fuhrparkmanagementgesellschaften (VMF) beauftragt hatte. Darin werden für den noch jungen Markt jährliche Wachstumsraten zwischen 50 und 70 Prozent erwartet. Im Jahr 2025 wären dann in Deutschland 400.000 bis 700.000 Abo-Fahrzeuge unterwegs – davon etwa ein Drittel bei Firmenkunden.
Als Katalysator der Entwicklung sieht Stephan Lützenkirchen die Pandemie. „Einige Unternehmen brauchten kurzfristig zusätzliche Fahrzeuge, andere mussten ihren Fuhrpark verkleinern“, sagt der Mitgründer von Vivelacar. „Langfristige Bindungen wollte angesichts der Unsicherheiten kaum jemand eingehen.“ Das Stuttgarter Start-up startete 2019 mit Auto-Abos für Privatkunden. Anfang 2021 folgte ein B2B-Angebot, das nun ein Drittel des Geschäfts ausmacht. An eine Trendumkehr nach Corona glaubt Lützenkirchen nicht. „Das Mobilitätsverhalten hat sich durch Homeoffice-Möglichkeiten nachhaltig verändert.“
Auch andere Anbieter bemühen sich verstärkt um Firmenkunden, ermittelte die Frankfurter Beratung HPP. „Das große Potenzial lockt mehr und mehr Player in den Markt“, sagt Geschäftsführer Thorsten Liebehenschel. Knapp 55 Auto-Abo-Marken im DACH-Raum haben die Berater gezählt. Neben Start-ups, Vermietern, Autobauern und Versorgern mischen verstärkt auf das B2B-Geschäft bedachte Leasingunternehmen mit. „Ein Motiv ist, neben dem Versuch, Marktanteile zu verteidigen, Auslastung und Umsatz pro Fahrzeug zu verbessern“, sagt Liebehenschel.
Anfang Februar startete etwa die Mercedes-Benz-Tochter Athlon ein Abo mit zunächst zehn Fahrzeugmodellen. Die Resonanz sei sehr gut, das Angebot schließe die Lücke zwischen Miete und Leasing, sagt Vertriebschefin Doris Brokamp: „Ein Auto-Abo passt – bei klarer Kalkulationsgrundlage – hervorragend, wenn die Nutzungsdauer für nicht weniger als sechs Monate und voraussichtlich nicht mehr als 24 Monate geplant ist.“ Als Beispiel nennt sie Dienstwagen für neue Mitarbeiter in der Probezeit. Ein typischer Anwendungsfall sei auch der Test von E-Autos in Fuhrparks.
Besonders forsch geht Athlon-Konkurrent ALD vor. Im Herbst übernahm die Tochter der französischen Großbank Société Générale das Kölner Start-up Fleetpool, das zu den ersten Auto-Abo-Anbietern gehört. Im Januar kündigte ALD zudem an, den Wettbewerber Leaseplan zu übernehmen, und gab einen Ausblick auf die neue Strategie. Demnach soll „New ALD“ den Wandel vom Autobesitz zur Autonutzung vorantreiben – auch auf dem B2B-Markt.
Das Wachstumspotenzial wird von der Tatsache unterstrichen, dass längst nicht nur kleine Unternehmen Auto-Abos für sich entdecken. Auch erste Großkonzerne mit professionellen Fuhrparkmanagern tasten sich vor. Die Deutsche Telekom beispielsweise kooperiert seit Mai 2021 mit Fleetpool.
Der Anbieter gewährt attraktive Konditionen für die Mitarbeiter – im Gegenzug rührt die Telekom intern die Werbetrommel. 2.000 Interessenten hätten sich registriert, bisher seien 40 Verträge abgeschlossen worden, sagt Olga Nevska, Chefin von Telekom Mobility Solutions. Abos passten zur Strategie des Konzerns. „Wir wollen weg von starren Firmenwagen hin zu einer bedarfsgerechten Bereitstellung von Mobilität kommen.“
Um den rund 6.000 Dienstwagen-Berechtigten den Verzicht aufs Auto schmackhaft zu machen, setzt die Telekom auf „Benefit-Budgets“. Mitarbeiter können sich die Einsparungen auszahlen lassen, das Geld in die Altersvorsorge stecken oder eine Bahncard 100 bekommen. Zusammen mit Sixt testet der Konzern derzeit, ob Auto-Abos den Wandel beschleunigen können.
Der Pilotversuch begann vor einem Jahr mit 15 Mitarbeitern. „Erstaunlich war, dass keiner der Teilnehmer einen eigenen Dienstwagen wollte“, sagt Nevska. „Und im Abo wurden im Schnitt sehr viel kleinere Fahrzeuge gewählt.“ Im Alltag reiche vielen etwa ein Mini Cooper – der Kombi oder SUV werde oft nur für den Urlaub gebraucht. Das Charmante am Abo sei, dass Nutzer bei Bedarf für einige Monate zum größeren Modell wechseln oder in den Sommermonaten ganz verzichten können.
Für die Anbieter ist die Flexibilität ein wichtiges Marketingversprechen. Tatsächlich hoffen sie aber, dass Nutzer möglichst lange bei einem Fahrzeug bleiben – denn jeder Wechsel verursacht Kosten. Besonders margenstark sei das Geschäft bisher nicht, heißt es vom VMF, der vor allem Leasingunternehmen zu seinen Mitgliedern zählt. Besonders das Firmenkundengeschäft sei herausfordernd. Wie aus der Studie des Verbands hervorgeht, liegt die durchschnittliche Abo-Rate, die Gewerbetreibende zahlen, bei nur 440 Euro. Bei Privatpersonen seien es dagegen 650 Euro.
Nach Einschätzung von HPP-Chef Liebehenschel arbeitet noch lange nicht jeder Anbieter profitabel. Erste Firmen hätten bereits aufgegeben. Vor allem Autohersteller – aktuell mit Fokus auf Privatkunden – drängten in den Markt. „Man versucht, einen zusätzlichen Vertriebskanal zu erschließen.“ Aktuell gerieten die Einkaufskonditionen für unabhängige Abo-Anbieter mit eigenen Flotten unter Druck. Denn nach wie vor stockt durch den Chipmangel die Produktion. Und der Ukrainekrieg sorgt für Engpässe bei anderen Teilen.
„Wir könnten deutlich mehr Abos verkaufen, wenn die Fahrzeuge besser verfügbar wären“, sagt Vivelacar-Manager Lützenkirchen.
Gegenüber manchen Wettbewerbern sehen sich die Stuttgarter aber im Vorteil. Vivelacar betreibt auch die Abo-Plattformen mehrerer Hersteller. Zudem kauft das Start-up selbst keine Fahrzeuge, sondern vermittelt die Abos an aktuell gut 700 Händler. „Nicht alle sind komplett leer gefegt“, sagt Lützenkirchen. Für Händler sei es attraktiv, Neuwagen zunächst Geld verdienen zu lassen und sie dann mit leichtem Abschlag als junge Gebrauchte zu verkaufen.
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