PremiumDie Pandemie hat die Konsumgewohnheiten verändert. Hersteller kämpfen mit steigenden Preisen, müssen aber zugleich in Nachhaltigkeit und Digitalisierung investieren.
Fachkraft im Supermarkt
Der Markt für Güter des täglichen Bedarfs gilt als krisenfest. Doch in der Pandemie hat selbst diese Branche gelitten.
Bild: Getty Images
Düsseldorf Gegessen und getrunken wird immer, sagt der Volksmund. So gilt der Markt für Güter des täglichen Bedarfs als krisenfest. Doch in der Pandemie hat selbst diese Branche gelitten – und tut es auch noch Anfang 2022.
Die Ernährungsbranche blickt auf ein durchwachsenes zweites Coronajahr. Die hohe Nachfrage in den Supermärkten wird durch das lahmende Geschäft in der Gastronomie gedämpft. Die Geschäftserwartungen an das erste Halbjahr sind laut Ifo-Institut mit einem Indikator von minus 25,9 Punkten doppelt so schlecht wie zu Beginn von 2021.
„Zwar sind die Erwartungen an Beschäftigung und Verkaufspreise überwiegend positiv, doch die Produktionspläne und Exporterwartungen sind deutlich eingebrochen“, sagt Stefanie Sabet, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie.
Konsumgüterfirmen wie Nivea-Hersteller Beiersdorf oder Persil-Produzent Henkel haben sich zwar vom Coronatief 2020 erholt. Doch 2021 war für die Branche nur durchwachsen, sagt Analyst Jörg Philipp Frey von Warburg Research. „Die Nachfrage nach den Produkten des täglichen Bedarfs hat sich wegen der Coronabeschränkungen nur träge entwickelt.“ So lasteten Reisewarnungen oder das Tragen von Masken auf den Verkaufszahlen von Sonnenschutzmitteln oder Cremes.
Besser lief das Geschäft bei Luxusgütern und hochwertigen Pflegeprodukten. Die zahlungskräftige Kundschaft kann sich diese auch in der Krise leisten. So zweigeteilt dürfte die Entwicklung auch in den kommenden Monaten sein.
Die Marktforscher von Euromonitor International erwarten für 2022 einen leicht steigenden Umsatz für Güter des täglichen Bedarfs in Deutschland. Er soll bei knapp 246 Milliarden Euro liegen, nach knapp 243 Milliarden im vergangenen Jahr. Konsumenten können damit rechnen, dass es teurer, grüner und digitaler wird. Ein Überblick.
Verbraucher müssen für Dinge des täglichen Bedarfs 2022 wohl tiefer in die Tasche greifen. Die Hersteller kämpfen mit stark steigenden Rohstoffpreisen. Henkel etwa rechnet damit, dass diese um zehn bis 15 Prozent nach oben gehen – so stark wie seit 15 Jahren nicht mehr. „Wir können diese Preissteigerungen nicht vollständig kompensieren“, sagte CEO Carsten Knobel, man müsse sie auch an den Handel weitergeben.
Laut Edeka-Chef Markus Mosa sollen die Düsseldorfer bei den jüngsten Preisverhandlungen einen Aufschlag bei den Einkaufpreisen von zwölf Prozent verlangt haben. Aber nicht alle Hersteller kommen mit ihren Forderungen durch. „Je stärker die Marke, umso eher lassen sich höhere Preise durchsetzen“, sagt Christoph Treiber, Partner der Beratung OC&C.
Hersteller investieren deshalb verstärkt in profitable Marken. Für Mittemarken ohne starkes Profil könnte es hingegen schwer werden, sagt Mirko Warschun, Leiter Konsumgüter und Handel Europa der Beratung Kearney. Die Konsolidierung des Sortiments bekommt dadurch einen Schub.
„Regallücken führen dazu, dass neue Marken in den Fokus der Verbraucher rücken“, so Warschun. Viele junge Marken hätten über die sozialen Medien bereits einen hohen Bekanntheitsgrad und säßen in den Startlöchern, um im Handel gelistet zu werden.
Auch 2022 wird der Preisdruck nicht abnehmen. Das erklärt sich auch mit den global gestörten Lieferketten. Selbst Verpackungsmaterial von Kartonage bis Dosen ist knapp. „Firmen reagieren auf die Engpässe, indem sie in eigene Logistikkapazitäten investieren und versuchen, mit lokaleren Rohstoffanbietern zusammenzuarbeiten“, beobachtet Klaus Ballas, Leiter Konsumgüter und Handel von EY.
Dirk Van de Put, Chef des Milka- und Philadelphia-Herstellers Mondelez, hofft, dass sich die Lage ab Ende 2022 stabilisiert. „Allerdings werden die Nahrungsmittelpreise auf hohem Niveau bleiben.“
Obwohl Preise steigen und Margen sinken, müssen die Hersteller investieren. Gerade in Sachen Nachhaltigkeit gibt es Nachholbedarf. Der Druck auf die Branche steigt, Anbau und Verpackungen nachhaltiger zu machen, Emissionen und Abfälle zu reduzieren. „Das sind anfangs hohe Investitionen. Aber sie werden auf Dauer unsere Kosten signifikant senken“, meint Mondelez-Chef Van de Put.
EY-Experte Ballas sagt: „Das Thema Nachhaltigkeit wird 2022 vor allem von den Gesetzgebern vorangetrieben. Die Hersteller bekommen etwa bei Verpackungen immer mehr Auflagen.“ Die Firmen versuchen, weniger fabrikneuen Kunststoff einzusetzen, und experimentieren mit nachhaltigeren Verpackungen.
Corona hat Verbraucher für Nachhaltigkeit, Regionalität und Fairness sensibilisiert. Berater Treiber beobachtet, dass Hersteller deshalb mehr in nachhaltige und margenträchtige Zukunftsfelder wie Fleisch- und Milchersatz investieren. „Rückläufige Sparten mit schlechtem Image in Sachen Gesundheit oder Nachhaltigkeit werden abgestoßen.“
Mit steigender Nachfrage nach klima- und tierfreundlichen Alternativen begründet auch die Familienkäserei Hochland den Einstieg ins Geschäft mit veganem Käse vor sechs Jahren. Das Allgäuer Familienunternehmen ist mit seiner Marke „Simply V“ deutscher Marktführer. Hochland-Chef Peter Stahl prognostiziert: „In 20 Jahren wird nur noch jeder zweite ‚Käse‘ in den Supermarktregalen weltweit aus Milch von der Kuh stammen.“
Immer mehr Betriebe leiden indes unter den Folgen des Klimawandels. So klagen etwa die Bierbrauer darüber, dass die Ernten immer unberechenbarer werden. Jan Niewodniczanski, Geschäftsführer Technik und Umwelt von Bitburger, sagt: „Wetterextreme wie Starkregen und Dürre treffen unser Geschäft stark.“
Lockdown und Maskenpflicht haben das Einkaufsverhalten verändert. „Die Pandemie hat den Trend beschleunigt, dass Kunden auch Waren des täglichen Bedarfs vermehrt online kaufen. Diese Entwicklung wird auch nach der Krise anhalten“, sagt Sandra Deutschländer, Partnerin und Konsumgüterexpertin von BCG. Viele große Hersteller würden auch 2022 weiter in ihr Online-Angebot investieren, um Kunden zu erreichen.
Beiersdorf etwa will in den nächsten fünf Jahren zusätzlich 300 Millionen Euro in Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Wachstumsmärkte investieren. „Die Pandemie war ein Katalysator für E-Commerce“, so CEO Vincent Warnery.
Auf eigenen Online-Verkaufskanälen haben Anbieter die Chance, ihren Kunden personalisierte Produkte anzubieten. Sie können zudem wertvolle Daten über die Einkaufsvorlieben sammeln. Noch ist das Ganze aber eine Nische. Beiersdorf etwa macht zehn Prozent seines Netto-Umsatzes über digitale Kanäle. Kosmetikhersteller L’Oréal kommt schon auf fast 30 Prozent.
Warburg-Analyst Frey sagt: „Firmen, die einen größeren Anteil ihrer Produkte online verkaufen, werden auch künftig besser durch die Krise kommen.“
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