Die Engpässe beim Seetransport haben die Gewinne der Reederei 2022 rasant steigen lassen. Doch den Abschwung der Frachtraten dürfte Hapag-Lloyd schon bald spüren.
Containerschiff von Hapag-Lloyd in Hamburg
Deutschlands größte Container-Reederei profitierte im abgelaufenen Geschäftsjahr von den hohen Frachtraten.
Bild: IMAGO/Markus Tischler
Düsseldorf Hapag-Lloyd hat im abgelaufenen Geschäftsjahr ihr Betriebsergebnis auf 17,5 Milliarden Euro verdoppelt und rückt damit in die Spitzengruppe der deutschen Konzerne auf. Laut den am Dienstagmorgen veröffentlichten vorläufigen Zahlen steigerte Deutschlands größte Reederei ihren Umsatz 2022 um mehr als die Hälfte auf 34,5 Milliarden Euro und lag damit – wie auch beim Betriebsergebnis (Ebit) – leicht über den Schätzungen der Analysten.
Zahlen zum Nettogewinn will Hapag-Lloyd erst am 2. März bekannt geben, Analysten erwarten aber schon jetzt einen Rekordwert von 16,8 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das Dax-Schwergewicht Volkswagen, das achtmal so viel umsetzte wie Hapag-Lloyd, wird für 2022 voraussichtlich einen Nettogewinn von 16,6 Milliarden Euro vorlegen – und damit wohl von der Hamburger Reederei überholt.
Ein wesentlicher Grund für die außerordentlich hohen Gewinne von Hapag-Lloyd sind die überbordenden Frachtraten, die insbesondere zwischen dem Sommer 2021 und dem Frühjahr 2022 auf den Weltmeeren verlangt wurden. So kostete die Reise eines 20-Fuß-Standardcontainers (TEU) von Schanghai nach Nordeuropa in dieser Zeit bis zu 8000 Dollar – und damit das Fünffache des üblichen Preises. Hinzu kamen ungewöhnliche Zuschläge, etwa für die Bereitstellung von Containern oder den pünktlichen Abtransport.
Ausgelöst wurde die Preisspirale durch zahlreiche Engpässe im Seetransport, die das Angebot drastisch einschränkten. So hatten insbesondere Verbraucher in den USA zu Beginn der Coronapandemie verstärkt Swimmingpools, Kücheneinrichtungen oder Baumarktartikel geordert. Schließlich wollte man auf mögliche Lockdowns vorbereitet sein.
Die Käufe lösten einen Importboom aus Fernost aus, weshalb Reedereien einen Teil ihrer Flotten auf den Pazifik verlegten. Das wiederum verursachte Engpässe im Asien-Europa-Verkehr, gefolgt von massiven Preissteigerungen auch dort.
Der Boom ist zwar längst vorbei. Seit ihren Höchstständen im Sommer 2021 brachen die durchschnittlichen Frachtraten laut dem Shanghai Containerized Freight Index (SCFI) von 5200 auf 1030 Dollar ein. Doch die hohen Tarife von einst wirken nach.
Ein erheblicher Teil der Kundschaft habe in den Hochpreiszeiten langfristige Verträge geschlossen, um vor einem weiteren Anstieg gewappnet zu sein, teilte das Unternehmen mit. Damit habe der Preisverfall auf dem Spotmarkt für die Reederei zunächst nur geringe Auswirkungen. Doch auch für Hapag-Lloyd dürfte sich die Ertragslage schon bald verschlechtern, denn die Kontrakte laufen üblicherweise selten länger als ein Jahr.
Zudem steigen die Kosten der 252 Frachtschiffe umfassenden Flotte. „Allein die Treibstoffeinkäufe schlagen pro Container gegenüber dem Vorjahr mit 112 Dollar zu Buche“, bekundete Hapag-Lloyd-Vorstandschef Rolf Habben Jansen bereits kurz vor dem Jahreswechsel. Zusammen mit den gestiegenen Abfertigungskosten in den Häfen und höheren Abschreibungen habe sich der Transport eines Containers binnen Jahresfrist sogar um 243 Dollar verteuert – und damit um 22 Prozent.
Da die Transportmenge kaum noch wächst – für das Gesamtjahr 2022 bewegte sie sich bei Hapag-Lloyd mit 11,8 Millionen TEU auf dem Niveau des Vorjahres -, expandiert die börsennotierte Hamburger Reederei schon seit über einem Jahr in benachbarte Sektoren. So erwarb man nicht nur einen Minderheitsanteil am Tiefseehafen Jade-Weser-Port bei Wilhelmshaven. Erst Ende vergangener Woche gab die Reederei zudem bekannt, dass sie sich mit 35 Prozent am indischen Terminalbetreiber J M Baxi Ports & Logistics beteiligen wird.
Zudem vereinbarten die Hamburger, das Terminalgeschäft der chilenischen SM SAAM zu übernehmen, was ihnen einen bevorzugten Zugang zu zahlreichen Häfen in Nord- und Südamerika verschafft. Darüber hinaus erwarb Hapag-Lloyd Mitte Januar einen 49-Prozent-Anteil an der italienischen Spinelli Group. Das Familienunternehmen gilt als die führende Logistikgruppe Italiens. Mit der Diversifizierung will man sich absichern gegen einen weiteren Verfall der Frachtraten auf See.
Denn schon jetzt zeichnet sich für die kommenden Jahren wieder ein Überangebot an Frachtschiffen ab. So stehen bis zum Auslieferungsjahr 2025 Schiffskapazitäten für 7,3 Millionen Standardcontainer (TEU) in den Orderbüchern, was 28 Prozent der Weltflotte entspricht. Zum Vergleich: 2017 bis 2020 pendelte der Anteil an Neubestellungen zwischen gerade einmal zehn und 13 Prozent der bestehenden Flotte.
Die Skepsis zeigt sich längst auch an der Börse. Seit ihrem Höchststand Mitte Mai 2022 hat die Aktie mehr als die Hälfte ihres Werts verloren.
Erstpublikation: 31.01.2023, 10:57 Uhr.
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