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05.10.2018

14:55

CWS Boco

Haniel-Vorstand Thomas Schmidt will einen Waschraum der Zukunft schaffen

Von: Anja Müller

Der Hygiene- und Arbeitsbekleidungsanbieter CWS Boco ist Haniels größter Hoffnungswert. Darum kümmert sich der neue Vorstand in einer Doppelfunktion.

Der Haniel-Vorstand ist ein Verfechter von Diversität, auch wenn es anstrengend ist. Haniel

Thomas Schmidt

Der Haniel-Vorstand ist ein Verfechter von Diversität, auch wenn es anstrengend ist.

Duisburg Thomas Schmidt spricht leise und unprätentiös, das Fränkische klingt leicht durch. Es ist ein ungewöhnlicher Ort für ein Gespräch mit einem Vorstand von Haniel, einem der traditionsreichsten deutschen Familienunternehmen: der Waschraum der Zukunft.

Hier im Testlabor und Showroom ist alles sauber, und es riecht auch so. Hier muss man nichts unnötig anfassen. Hier kommt das Wasser gleich mit der Seife zusammen und wassersparend aus dem Hahn, die Fototapeten verleihen Freizeitatmosphäre. So auch an diesem Tag im September.

Schmidt lässt sich Zeit, bevor er über die Zukunft sprechen mag. Seit gut anderthalb Jahren ist er ordentliches Vorstandsmitglied bei Haniel und seit Juli vergangenen Jahres zugleich Vorstandschef des Hygiene- und Arbeitsbekleidungsspezialisten CWS Boco. Seine Position des dritten Haniel-Vorstands wurde erst neu geschaffen, um die Portfoliofirmen enger begleiten zu können.

Vor wenigen Wochen hatte Haniel bekanntgegeben, zunächst 7,3 Prozent und über eine Call-Option auch den Rest des einstmals 22,5-Prozent-Pakets an der Metro in tschechische Hände zu verkaufen – nach 50 Jahren. Ende vergangener Woche konnte Haniel-Vorstandschef Stephan Gemkow Vollzug melden. Auch das Kartellamt hat zugestimmt.

Es hat sich lange abgezeichnet, dass Gemkow sich von den Anteilen trennen will. Zuletzt musste er hohe Verluste melden, doch die Bilanz über die gesamten 50 Jahre Metro-Beteiligung fällt dennoch zweistellig positiv aus. Nun sollen die Firmen im Haniel-Portfolio, die der Vorstand auch wirklich operativ managen kann, die mehr als 680 Gesellschafter glücklich machen.

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Für das größte Investment seit Beginn der Amtszeit von Gemkow im Jahr 2011 bedeutet das Erfolgsdruck: das Joint Venture mit Rentokil Initial und damit die Integration der Arbeitsbekleidungs- und Hygienebereiche von Initial in das seit 1981 zu Haniel gehörende Hygieneunternehmen CWS Boco. Den Druck kann Schmidt aushalten. Er brennt für seine Aufgaben und hat früh gelernt, was es heißt, sich nur auf sich selbst verlassen zu können.

Nie länger als 18 Monate in einer Funktion

Auf seinem Hemd trägt Schmidt seine Initialen. T. C. S. Schmidt gibt bereitwillig Auskunft über seinen Spitznamen „Chester“, den er als Jugendlicher beim Fußballspielen erhielt und der geblieben ist. Auch in der Haniel-Mannschaft kickt er zuweilen.

Dabei könnte man leicht vergessen, wie ungewöhnlich sein Weg ist. So war er bei General Electric „nie länger als 18 Monate in einer Funktion“, resümiert er. Auch seinen Mitarbeitern bei CWS Boco ist klar, dass er bei ihnen nicht in Rente gehen wird. Als Haniel-Vorstand vielleicht schon eher, wenn die Herausforderungen stimmen. Denn Schmidts Triebfeder ist die ständige Weiterentwicklung. Nach mehr als 20 Jahren in Konzernen wollte er wissen, wie Familienunternehmen so ticken.

Sein schlichtes und elegantes Vorstandsbüro am Franz-Haniel-Platz ist aufgeräumt. Oft ist der 46-Jährige nicht dort. Denn mit seiner Doppelfunktion hat er viel zu tun. Die Aufteilung zwischen Haniel-Vorstand und CWS Boco liege bei 50 : 50. Durch den Zukauf ist das Unternehmen zum Hoffnungswert für Haniel avanciert. Die Integration muss Schmidt stemmen, die Digitalisierung gleich mitdenken und noch mehr auf die Kunden schauen.

 Gedanklich sei er zu rund 80 Prozent beim Hygiene- und Arbeitsbekleidungsspezialisten. Das operative Ergebnis stieg zuletzt durch die erstmalige Integration um 85 Prozent auf 72 Millionen Euro, der Umsatz kletterte um 38 Prozent auf 566 Millionen im ersten Halbjahr. Damit ist CWS nach dem Schrott- und Recyclingunternehmen ELG vom Umsatz her die Nummer zwei im Haniel-Portfolio.

Bis 2021 soll der Jahresumsatz bei 1,5 Milliarden Euro liegen. Dafür arbeitet er mit Start-ups zusammen, sucht Chancen im Onlinegeschäft und baut die Divisionen länderübergreifend auf. Schmidt will Vollgas geben, das sagt er, das sagen seine Mitarbeiter. 3.000 von knapp 11.000 CWS-Boco-Mitarbeitern wurden allein in den ersten sechs Monaten nach seinem Amtsantritt versetzt. Schmidt hat auch den Führungskreis erweitert. Das sei sinnvoll, weil es mehr Diversität gebe. Ein großes Thema, bei dem aber viele vergäßen, wie anspruchsvoll das sei: „Unsere Diskussionen laufen schwieriger und offener ab. Vertrauen ist dabei das Wichtigste.“

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Schmidt hat den kühlen Blick, er wirkt unaufgeregt, er sei zielstrebig und fordernd, sagen seine Wegbegleiter aus den zehn Jahren bei General Electric und den zehn Jahren beim Schweizer Elektronikkonzern TE. Schmidt sei „aber auch bereit, Zeit zu investieren, um die Menschen im Unternehmen auf die Reise mitzunehmen“, urteilt Al Ghelani, General Manager bei TE.

Schmidt verfolgte keine geradlinige Karriere

Dabei verlief Schmidts Weg alles andere als gradlinig. Mit 16 verließ er die Schule im Oberfränkischen. Englisch, Französisch, Latein – Schmidt wollte einfach nicht mehr. Mitten im Schuljahr bewarb er sich bei Playmobil. Der junge Thomas Schmidt musste den Ausbildungsleiter überreden, der aber rasch erkannte, dass er keinen gewöhnlichen Lehrling vor sich hatte und ihn nahm, bevor die Konkurrenz ihn sich schnappen würde.

Schmidt rechnet es seinen Eltern, einem Drucker und einer Büroangestellten, hoch an, dass sie ihn haben gehen lassen, trotz des oft hohen Erwartungsdrucks, dem sich Einzelkinder wie er gegenübersehen. „Ich habe mir eine Zielstrebigkeit angewöhnen müssen, die mir sehr nützlich ist“, sagt Schmidt. Er wurde bester Auszubildender seit Jahren, verkürzte die Lehre um ein Jahr und durfte dann gut acht Monate nach Malta. Dort lernte er nicht nur Englisch, in ihm wurde auch immer deutlicher der Karrierewille geweckt.

Doch er musste zurück in die Schule. Ohne Fachabitur wäre seine Karriere schnell beendet gewesen. Nun ging alles ganz schnell. An der FH Würzburg Schweinfurt studierte er Kunststofftechnik, suchte sich bewusst einen Praktikumsplatz im Ausland, kam so auf GE und blieb dort mehr als zehn Jahre. Die GE-Kultur habe ihn sehr beeindruckt, sagt der schlanke Manager. Es galten dort die Prinzipien, dass man früh Verantwortung hatte und Führung gefördert wurde.

So gelangte Schmidt als Einziger mit FH-Studium in das Leadership-Programm. Im Ausland leben, vorwiegend Englisch sprechen war für ihn mittlerweile selbstverständlich. 2016 dann wollte er sich erneut weiterentwickeln. Playmobil war bislang das einzige Familienunternehmen in seiner Karriere, über Haniel musste sich Schmidt einlesen. Es reizte ihn, auf Augenhöhe mit Gesellschaftern zu sprechen. Er entschied sich für Haniel.

 In Aufsichtsratskreisen ist er gut angekommen, sie sehen seine „unternehmerischen Impulse“, obwohl seine Karriere bislang konzerngeprägt sei. Offenbar wusste der Vater einer Tochter schon mit 16, was für ihn am besten war. Denn: „Dass ich die Schule abgebrochen habe, war die wichtigste Entscheidung meines Lebens.“ Nun dürfen die Haniels darauf hoffen, dass seine Wahl für Duisburg die zweitwichtigste Entscheidung war.

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