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28.07.2022

13:01

Deutsche Bahn

DB-Chef Lutz erwartet höhere Gewinne und mehr Unpünktlichkeit

Von: Christoph Schlautmann

Die überbordenden Gewinne der Speditionstochter Schenker hieven die Deutsche Bahn aus den roten Zahlen. Doch pünktlicher wird der Staatskonzern dadurch nicht.

Der Chef der Deutschen Bahn stellt Fahrgäste und Unternehmenskunden auf zusätzliche Verspätungen ein, weil Großbaustellen den Betrieb behindern werden. dpa

Richard Lutz

Der Chef der Deutschen Bahn stellt Fahrgäste und Unternehmenskunden auf zusätzliche Verspätungen ein, weil Großbaustellen den Betrieb behindern werden.

Düsseldorf Bahn-Chef Richard Lutz kündigt für die kommenden Jahre noch mehr Staus und Verspätungen auf Deutschlands Schienen an. Verursacht würden sie durch den Bau provisorischer Umleitungsstrecken im kommenden Jahr und die Generalsanierung wichtiger Gleiskorridore ab 2024, sagte er am Donnerstag.

„Die Infrastruktur ist eingeschränkt, überaltert und störanfällig“, begründete er die Maßnahmen, „jetzt packen wir das Problem an der Wurzel.“

Wie groß das Problem inzwischen ist, steht im Halbjahresbericht des Staatskonzerns. So sank die Pünktlichkeit im Fernverkehr von Januar bis Juni auf durchschnittlich 69,6 Prozent – und lag damit zehn Prozentpunkte unter dem Wert im Vorjahreszeitraum.

Kaum besser sah es im Güterverkehr aus, den die Bundesregierung eigentlich kräftig ausbauen will. Hier kamen die Bahnen nur noch zu 66,9 Prozent im vereinbarten Zeitrahmen an, weil etliche Baustellen und Zugausfälle den Transport verzögerten. Im ersten Halbjahr 2021 hatte die Quote noch bei 70,8 Prozent gelegen.

Die Unzuverlässigkeit im DB-Frachtverkehr führt nach Informationen des Handelsblatts inzwischen dazu, dass erste Industriekunden ihre Speditionen anweisen, keine Waren mehr auf die Bahn zu geben. Entsprechend schrumpfte die Gütermenge im Vergleich zum ersten Halbjahr weiter um 0,5 Prozent.

Immer weniger Güter auf der Bahn

Gegenüber dem Stand vor der Pandemie landeten sogar sechs Prozent weniger Waren in den Waggons der Deutschen Bahn. Mit einem Betriebsergebnis von knapp minus 300 Millionen Euro war die Cargo-Sparte der größte Verlustbringer im Konzern.

An der Absicht, den Anteil der Schiene am gesamten deutschen Gütertransport von derzeit 18 auf 30 Prozent im Jahr 2030 zu steigern, hält der Bahn-Vorstand dennoch fest. „Es bleibt ein anspruchsvolles Ziel“, räumte Lutz nun allerdings ein.

Nach zwei Geschäftsjahren mit erheblichen Verlusten erwartet die Deutsche Bahn zumindest finanziell für 2022 eine deutliche Trendwende. Im laufenden Jahr werde das Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) über eine Milliarde Euro liegen, kündigte der Bahn-Chef an. 2021 hatte der Staatskonzern einen Verlust von 1,55 Milliarden Euro eingefahren, im Jahr zuvor sogar ein Minus von 2,9 Milliarden Euro erzielt.

Nur ein Milliardengewinn der Logistiktochter Schenker bringt die Bahn in die schwarzen Zahlen. dpa

Güterzug

Nur ein Milliardengewinn der Logistiktochter Schenker bringt die Bahn in die schwarzen Zahlen.

Dem Staatskonzern dürfte das Erreichen seiner neuen Prognose nicht schwerfallen: Schon im ersten Halbjahr 2022 lag das Ebit wieder bei 876 Millionen Euro.

Im Fernverkehr sei das Fahrgastaufkommen gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 um 117 Prozent gestiegen, berichtete Lutz, im Nahverkehr, der vom Neun-Euro-Ticket stark profitierte, um 60 Prozent. Der Halbjahresumsatz im Gesamtkonzern legte entsprechend um 28 Prozent auf knapp 28 Milliarden Euro zu. „Der Turnaround kam für uns schneller als erwartet“, sagte der Bahn-Chef.

DB Schenker rettet das Konzernergebnis

Für die überraschend hohen Gewinne sorgt allerdings nicht der Bahnbetrieb selbst. Ohne den Gewinnbeitrag von DB Schenker hätte der Konzern im ersten Halbjahr 2022 weiterhin einen Verlust von mehr als 300 Millionen Euro erlitten.

Die von Jochen Thewes geführte Speditionstochter lieferte in den ersten sechs Monaten mit 1,2 Milliarden Euro einen Betriebsgewinn ab, der doppelt so hoch war wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die außerordentlich hohen Frachtraten insbesondere in der Schiffs- und Luftfracht, an denen Speditionen üblicherweise kräftig verdienen, trieben das Ergebnis in die Höhe.

Ob dies in Zukunft so bleibt, ist ungewiss. Beim Eigentümer Bund wird in regelmäßigen Abständen darüber diskutiert, die Konzerntochter Schenker zu verkaufen oder an die Börse zu bringen, um den inzwischen auf 30 Milliarden Euro angewachsenen Schuldenberg zu verringern. Insbesondere in der FDP und bei den Grünen gibt es starke Kräfte, die sich für eine solche Trennung einsetzen. Angesichts der aktuell hohen Erträge wäre nun mit einem erhöhten Kaufpreis zu rechnen.

Weniger erfolgversprechend erscheint derzeit dagegen der 2020 gefasste Plan, sich von der britischen Nahverkehrstochter Arriva zu trennen. 2019 hatte man für die Tochterfirma bei der Deutschen Bahn einen möglichen Verkaufserlös von 3,5 bis vier Milliarden Euro errechnet, den man später jedoch wegen verdeckter Lasten im Unternehmen zusammenstreichen musste.

„Der Zeitplan für den Verkauf hat sich nicht geändert“, sagte DB-Finanzchef Levin Holle am Donnerstag. „Bei einem Verkauf zwischen 2023 und 2024 soll es bleiben.“ Nach dem Abklingen der Coronapandemie habe sich das Investoreninteresse für Verkehrsunternehmen wieder erhöht.

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