Der Discounter will auch Wurstprodukte bald nur noch aus den Haltungsformen drei und vier anbieten. Doch das könnte an Problemen scheitern, die Aldi nur begrenzt kontrollieren kann.
Wurstregal bei Aldi
Bis 2030 will der Discounter alle Fleischprodukte auf die höheren Haltungsformen drei und vier umgestellt haben.
Bild: Aldi
Düsseldorf Mit großem Pathos kündigen die Discounter Aldi Nord und Aldi Süd ihren neuesten Vorstoß zum Tierwohl an. „Es ist für uns eine Herzensangelegenheit, den Wechsel der Haltungsformen voranzutreiben“, sagt Katrin Beyer, die bei Aldi Nord für das Thema verantwortlich ist. Nicht weniger als ein „Gamechanger“ sei das, heißt es bei den Händlern.
Was haben die Marktführer im Discount vor? Bis zum Jahr 2030 wollen sie auch ihr gesamtes Sortiment von gekühlten Fleisch- und Wurstwaren auf die höheren Haltungsformen drei und vier umstellen, also auf eine Tierhaltung, die mindestens offene Ställe vorsieht und damit deutlich über den gesetzlichen Mindestvorschriften liegt. Betroffen davon wären Produkte wie Salami, Kochschinken, Bacon und Würstchen.
„Von unserer Timeline werden wir nicht mehr abrücken, die steht, und die werden wir einhalten“, zeigt sich Julia Adou entschlossen, die bei Aldi Süd das Thema Nachhaltigkeit verantwortet. Doch ob das wirklich gelingt, ist noch unklar.
Im Juli 2021 hatten die beiden Discount-Schwestern bereits angekündigt, ihr Frischfleischsortiment bis zum Jahr 2030 auf die Haltungsformen drei und vier umzustellen. Bei Haltungsform drei haben die Tiere mehr Platz und bekommen durch eine offene Wand Frischluft. Bei Haltungsform vier kommt Auslauf im Freiland dazu.
Fast die Hälfte des Fleischkonsums in Deutschland entfällt jedoch nicht auf Frischfleisch, sondern auf verarbeitete Fleisch- und Wurstwaren. Deswegen haben Aldi Süd und Nord jetzt auch für dieses Sortiment einen Stufenplan zum Umstieg entwickelt.
So wollen sie bis 2025 vollständig auf Ware aus Haltungsform eins verzichten. Der Schritt ist noch nicht so groß: Heute schon stammen 90 Prozent der Wurstwaren bei Aldi aus Haltungsform zwei oder höher. Bis 2026 soll dann ein Drittel aus den beiden höchsten Haltungsformen stammen und 2030 der Umstieg abgeschlossen sein.
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Aldi hat sich mit seinen Ankündigungen an die Spitze der Handelsbranche gesetzt. Auch alle anderen großen Händler treiben die Umstellung voran, aber die wenigsten so konsequent. Rewe will ebenfalls bis 2030 komplett aus den beiden unteren Haltungsformen beim Frischfleisch aussteigen. Lidl hat immerhin angekündigt, bis 2026 ein Drittel des Frischfleischsortiments auf die Haltungsformen drei und vier umzustellen.
Doch schon bei Aldis Plan für das Frischfleisch meldeten Experten und Bauernvertreter Skepsis an. Um ausreichend Fleisch in dieser Qualität bereitzustellen, müsse die Landwirtschaft massiv umgebaut werden.
Bau- und Umweltrecht stünden dem entgegen, kritisierte beispielsweise Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands. Aus Klimaschutzgründen etwa werden Ställe mit Außenbereich nur zurückhaltend genehmigt – wegen der bei der Tierhaltung entstehenden Emissionen.
Dazu kommt: Der Umbau kostet die Bauern viel Geld. Und es ist für sie nicht sicher, ob sich das für sie rechnet, sie also entsprechend höhere Preise bekommen.
Das kann und will auch Aldi nicht garantieren. „Es ist sehr schwer zu prognostizieren, wie sich der Preis entwickeln wird“, sagt Aldi-Nord-Managerin Beyer. Durch die Einbeziehung der Wurst könne das Unternehmen die Aufpreise jedoch optimal auf viele Artikel verteilen.
Doch klar ist jetzt schon: Einen hohen Aufpreis wird es für die bessere Tierhaltung wohl nicht geben. „Wir versprechen dem Kunden ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis für die höheren Haltungsformen drei und vier“, formuliert es Beyer.
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Die Discounter erklären zwar, sie sähen eine hohe Bereitschaft der Kunden, zu höheren Haltungsformen zu greifen. In der Praxis aber ist das zurzeit angesichts starker Preissteigerungen im Lebensmittelhandel eher weniger zu beobachten. Tierwohl-Fleisch habe wegen der Inflation nicht mehr den Absatz wie früher, sagte Bauernpräsident Joachim Ruckwied anlässlich der Grünen Woche im Januar.
Die Bauern stecken damit in einem Dilemma. Aldi betont, mit seinem Plan zum Haltungswechsel gebe man den Bauern Planungssicherheit. Doch umbauen müssen die Landwirte auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will für den Umbau immerhin eine Milliarde Euro bereitstellen, hat aber selbst schon angedeutet, dass das wohl bei Weitem nicht reichen wird. „Die eine Milliarde Euro, die die Politik bisher zugesagt hat, ist zu wenig“, erklärt auch Aldi-Managerin Adou.
„Die Verbesserung der Tierhaltung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, sagt Adou. Daran müssten alle mitwirken, vom Verbraucher über die Landwirtschaft und den Handel bis zur Politik. Finanzielle Zusagen oder feste Abnahmepreise aber bietet auch Aldi den Landwirten nicht an.
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