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22.11.2018

16:15

Adidas-Vorstand Roland Auschel (rechts) Zalando-Co-Gründer David Schneider, auf dem Konzern-Campus in Herzogenaurach. Daniel Delang für Handelsblatt

„China ist wahnsinnig spannend geworden.“

Adidas-Vorstand Roland Auschel (rechts) Zalando-Co-Gründer David Schneider, auf dem Konzern-Campus in Herzogenaurach.

Doppelinterview

„Wir müssen zuhören“ – So wollen Adidas und Zalando näher an ihre Kunden rücken

Von: Joachim Hofer, Thomas Tuma

Adidas-Vorstand Roland Auschel und Zalando-Co-Gründer David Schneider sprechen im Interview über ihre Rivalität im E-Commerce und die Magie von Rabattschlachten.

Herzogenaurach Künstlich geschaffene Rabattschlacht-Höhepunkte wie der an diesem Freitag startende Black Friday sind für Adidas wie Zalando gleichermaßen wichtige Umsatzbringer geworden. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum Adidas-Vorstand Roland Auschel und Zalando-Co-Gründer David Schneider hier erstmals gemeinsam übers Geschäft sprechen. Der Sportartikelriese war eines der ersten Unternehmen, die an die Berliner Online-Plattform glaubten, als sie vor zehn Jahren startete.

Mittlerweile ist Zalando selbst ein Konzern mit Milliarden-Umsätzen und die Partnerschaft extrem eng, auch wenn in manchen Feldern durchaus Rivalität herrscht. Adidas hat schließlich auch einen eigenen E-Commerce, und Zalando verkauft natürlich auch andere Sport-Marken.

Herr Auschel, wie wichtig sind Events wie der chinesische Singles‘ Day oder Black Friday nach US-Vorbild heute für Adidas geworden?
Auschel: Das sind alles neue Highlights, die eine global gewordene Kundschaft mittlerweile erwartet – in einer schnelleren Taktung und Kurzfristigkeit, denen wir schlicht gerecht werden müssen, und im Sinne unserer Kundenorientierung auch wollen, auf allen Kanälen.

Alibaba hat allein am 11. November, dem chinesischen Singles‘ Day, eine Milliarde Umsatz gemacht… in zwei Minuten. Am Ende des Tages waren es 27,7 Milliarden Dollar. Was kann Ihr Zalando noch von E-Commerce-Größen wie Alibaba oder jd.com lernen, Herr Schneider?
Schneider: China ist ein wahnsinnig spannender Markt geworden, der uns in manchen Dingen voraus ist. Das Geschäft dort ist schon viel stärker mobil getrieben. Den Desktop-Computer haben die Chinesen technologisch quasi übersprungen. Bemerkenswert finde ich vor allem, dass solche Shopping-Tage für die Leute zu einem echten Erlebnis geworden sind.
Auschel: Genau. Sie durchbrechen die Routine und bringen mit ihrem Ereignischarakter und ihren raffiniert gesteuerten Auktionen und Countdowns eine gewisse Aufregung ins Leben.
Schneider: Da können wir alle viel lernen, nicht nur was die Inszenierung neuer Produkte angeht. Und auch wenn wir längst nicht so discount-getrieben sind wie die Chinesen: Es geht heute darum, Geschichten zu erzählen.

Was bleibt bei so viel E-Commerce noch für den klassischen Sporthändler übrig?
Auschel: Am Ende wird der Konsument entscheiden, welcher Kontaktpunkt für ihn am sympathischsten und am einfachsten zugänglich ist. Unsere Aufgabe ist es, ein möglichst breites Angebot auf verschiedenen Kanälen sehr konsistent bereitzustellen. Letztlich werden die Konsumenten eine Kombination aus Online und physischen Läden bevorzugen.

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Selbst ein reiner Online-Händler wie Zalando unterhält jetzt Läden. Wozu?
Schneider: Wir haben Outlets, da geht es konkret darum, mit Rest-Ware umzugehen. Generell stimme ich zu, dass man es dem Kunden möglichst einfach machen muss. Den Menschen ist es letztlich egal, wem sie ihr Geld geben. Uns geht es eher darum, kleinen und großen Läden beim Online-Geschäft zu helfen und auf unsere Plattform zu bringen. Bis Ende des Jahres werden 600 stationäre Händler in Deutschland direkt an Zalando Kunden versenden. So können wir den Konsumenten perspektivisch digital mitteilen, in welchem Shop ihrer Nachbarschaft sie vielleicht genau das gerade finden, was sie suchen. Einfach nur Ware in einen Laden zu hängen, wird jedenfalls sicher nicht ausreichen.

Zalando bietet inzwischen viele Eigenmarken an. Werden Sie da nicht auch vom Partner zum Konkurrenten von Adidas?
Schneider: Wir stellen unsere Eigenmarken nicht vorn in unsere Schaufenster. Die sind also nicht sichtbarer als alle anderen Marken. Zalando ist eine neutrale Plattform, die das liefern will, was den größten Kundenmehrwert bietet. Was wir selbst produzieren, machen wir allerdings sehr datenorientiert. Da können wir zielgenau und schnell Ware bei den Lieferanten bestellen. Unsere Daten fließen direkt in die Supply-Chain, ohne Einkäufer. Aber auch dieses Wissen wiederum teilen wir gern mit Unternehmen wie Adidas.

Was macht die Partnerschaft mit Adidas für Sie so besonders?
Schneider: Das Unternehmen war einer unserer allerersten Partner, der uns quasi von der ersten Stunde an unterstützt hat. Vor zehn Jahren kannte uns ja noch niemand, da war das alles andere als selbstverständlich. Mittlerweile haben sich die Teams über beide Firmen hinweg sehr stark verknüpft, was letztlich auch beiden hilft.
Auschel: Diese sehr enge Kooperation hat auch damit zu tun, dass Zalando Innovationskraft hat und zudem extrem experimentierfreudig ist...

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Inwiefern?
Auschel: Was neue Wege der Vermarktung angeht etwa. Da gilt heute das Motto: Erstmal ausprobieren. Das geht mit Zalando sehr schnell und unkompliziert. Und das passt ja auch wieder sehr gut zu uns.

Können Sie beziffern, wie wichtig die Kooperation in Zahlen ist, für Zalando einerseits, für Adidas andererseits.
Auschel: Zalando gehört auf jeden Fall zu unseren Top-Drei-Kunden europaweit – mit einem klar überdurchschnittlichen Wachstum in den vergangenen Jahren.
Schneider: Das Kompliment kann ich nur zurückgeben: Unter unser zehn bestverkauften Artikeln sind regelmäßig Produkte von Adidas.

Adidas verfolgt einen eher selektiven Vertrieb. Welche Linien verkaufen Sie überhaupt bei Zalando? Und ist das immer das, was Sie wollen, Herr Schneider?
Auschel: Wir achten schon darauf, wo wir was verkaufen. Da Zalando sich ja extrem breit aufstellt, ist das wiederum für uns bei Adidas, aber auch unserer Tochtermarke Reebok eine Herausforderung. Über einzelne Produkte wird dann schon mal diskutiert…
Schneider: … wobei wir aber auch wieder viel lernen, wenn wir sehen, wie Herr Auschels Leute von der ersten Produktidee bis zur Markteinführung eine Innovation kommerzialisieren. Insofern haben wir durchaus Verständnis, dass nicht jedes Produkt überall angeboten werden kann. Andererseits können wir über unsere Plattformen natürlich auch sehr spezifische Kundengruppen ansprechen, die dann wiederum für Adidas relevant sind.
Auschel: Der Unterschied ist, dass Zalando datengetriebener ist als die meisten anderen unserer Kunden und uns mit diesen Daten oft auch überzeugen kann.
Schneider: Natürlich sind wir bei diesem Austausch an Regeln gebunden. Aber im Rahmen dessen ist doch eine intensive Kooperation möglich, die uns beiden hilft, unsere Kunden besser zu verstehen.

Eines der strategischen Ziele von Adidas ist es, den eigenen E-Commerce auszubauen. Vorstandschef Kasper Rorsted sagt immer, das sei der wichtigste Shop überhaupt. Wie verträgt sich das mit einer gedeihlichen Zalando-Kooperation?
Auschel: Wunderbar, zumal wir über Zalando wieder ein anderes Publikum ansprechen können als über unseren eigenen Online-Store.

Ein Beispiel bitte.
Auschel: Etwa 70 Prozent der Zalando-Kunden sind weiblich, bei uns sind es eher 50 Prozent. Und natürlich verkaufe ich den Fußball-Stollenschuh nicht über Zalando, sondern bei uns oder einem echten Spezialisten. Andererseits sind eher weibliche Sneaker wie der Falcon bei Zalando sehr gut positioniert.

Das Warenangebot ist unüberschaubar geworden. Umso wichtiger wird das Kuratieren. Wenn ich bei Zalando ganz plump „Herren-Turnschuh“ als Suchbegriff eingebe, wer steuert dann, welche Marke mir zuerst gezeigt wird? Ein Algorithmus?
Schneider: Am Ende entscheidet das der Kunde selbst – ohne es zu wissen.

Durch die Daten seines früheren Kaufverhaltens?
Schneider: Genau. Unser Store soll ja das ausspielen, was für den Kunden relevant ist. Und dabei orientiert sich das Angebot natürlich ganz stark an dem, was er oder sie schon früher gekauft oder auch nur angesehen hat. Andererseits ist für die Auswahl aber neben der Klick-Historie doch auch mehr denn je das Umfeld des Kunden wichtig: Freunde, Kollegen, Influencer, denen man vertraut.

Eines der größten Probleme des E-Commerce sind die Retouren. Wer von Ihnen hat da mehr zu schultern?
Auschel: Das dürfte eher waren-spezifisch sein. Bei uns zum Beispiel werden Badeanzüge am häufigsten getauscht oder zurückgeschickt, Socken dagegen kaum. Generell gilt: Die Retouren-Rate ist in Deutschland europaweit ohnehin die höchste.

Da können Sie sich bei Herrn Schneider bedanken, denn Zalando hat die Gratis-Retoure als Marketing-Argument doch überhaupt erst salonfähig gemacht, oder?
Auschel: Die Deutschen galten auch davor schon als anspruchsvolle Konsumentengruppe, was Material, Passform, Farb-Anmutung angeht. Aber die Gratis-Retoure hat das Leben der Menschen bequemer gemacht. Und darum geht’s uns letztlich beiden.

Na ja, mal drücken die Schuhe, mal zwickt das T-Shirt. Lässt sich da technisch nicht noch mehr verbessern, meine Herren?
Schneider: Das Thema „Sizing“ ist für uns alle ein Riesenthema, klar. Da sind wir schnell bei Systemen, die mit Hilfe Künstlicher Intelligenz künftig noch viel genauer in der Lage sein werden, den einzelnen Kunden zu kennen, ohne dass er sich dafür stundenlang vermessen lassen musste.

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Adidas arbeitet bereits an hoch individualisierten Schuhen aus dem 3D-Drucker. Was soll Zalando noch verkaufen, wenn sich die Kunden ihre Schuhe künftig zu Hause ausdrucken?
Auschel: Das ist noch weit weg. Aber passgenaue Schuhe im Laden kaufen zu können, das wird es bei uns schon in ein paar Jahren geben. Die Kunden wollen Produkte, die genau auf ihre besonderen Bedürfnisse abgestimmt sind, etwa auf ihre Fußstellung. Das ist natürlich ein ganz spannendes Thema und könnte übrigens irgendwann auch das Problem der Retouren lösen.

Überall werden derzeit neue Zollschranken hochgezogen. Was bedeutet das für Ihr Geschäft?
Auschel: Der bevorstehende Brexit beschäftigt uns natürlich. Daher haben wir schon vor einiger Zeit die Entscheidung getroffen, dass wir ein separates Lager für Großbritannien brauchen, weil das europäische Zentrallager nicht reicht. Wir können einfach nicht davon ausgehen, dass wir in den nächsten Jahren die Ware so einfach hin und her transportieren können. Auch das hat was mit den Retouren zu tun. In dem Zusammenhang überlegen wir, ob wir die Plattform nicht auch Zalando zur Verfügung stellen können. Ich glaube nicht, dass es bei den Lieferanten große Brüche geben wird, aber wir müssen uns diesen Themen jeden Tag aufs Neue stellen. Eine andere Frage ist, wie sich die Rhetorik, die in England herrscht, auf das Konsumentenverhalten ausgewirkt hat. Das lässt sich noch nicht sagen.
Schneider: Wir kennen das Thema Zollprozesse bereits aus der Schweiz oder Norwegen. Letztlich wissen wir beim Brexit alle nicht, was auf uns zukommt. Sicher ist: Kunden werden weiterhin Kleidung online kaufen wollen. Je mehr wir dort gemeinsam mit Partnern wie Adidas arbeiten, desto besser für uns. Wenn also Adidas ein starkes Lager in England hat, müssen wir nicht unbedingt von unseren Logistikzentren in Europa versenden. Da können wir zumindest die Kunden, die bei uns Adidas bestellen, direkt aus deren Lager beliefern. Umgekehrt schauen wir uns übrigens auch an, wie wir in anderen Ländern unsere Infrastruktur für Partner wie Adidas öffnen können.

Adidas gibt es schon seit 1949, Zalando feierte diesen Herbst erst seinen zehnten Geburtstag. Wie kann man derart unterschiedliche Unternehmen immer wieder kreativ halten oder machen?
Auschel: Für uns geht es immer darum, kundenorientiert zu bleiben. Der Konsument und die Konsumentin verändern sich jeden Tag. Wenn wir die Daten, die wir von ihnen bekommen, richtig interpretieren, werden wir immer nahe an ihnen dranbleiben. Das ist Kreativität der neuen Definition. Alles, was vor einem Jahr noch funktioniert haben mag, funktioniert heute nicht mehr. Wir müssen also vor allem gut zuhören.
Schneider: Ein wichtiger Bestandteil kreativer Firmen ist, dass sie Dinge immer wieder testen und auch den Mut behalten, mal danebenzuliegen. Dabei darf natürlich nie das große Ganze riskiert werden. Aber nur so ist Veränderung möglich. Und dieses Bewusstsein gehört durchaus auch zu unserem Gencode.

Herr Auschel, Herr Schneider, vielen Dank für das Interview.

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