In der Kosmetikbranche boomt der Onlinehandel. Damit sich der Vertriebsweg auch rechnet, setzen die Hersteller darauf, die Produkte zu personalisieren.
Düsseldorf Beim Konsumgüterkonzern Beiersdorf bahnt sich eine kleine Revolution an. Der Hersteller von Marken wie Nivea, Eucerin und Hansaplast ist es gewohnt, große Mengen an Kosmetikartikeln an den Einzelhandel zu verkaufen. Doch nun will der Hamburger Konzern, der im Corona-Jahr 2020 rund sieben Milliarden Euro umgesetzt hat, verstärkt einen neuen Vertriebsweg nutzen – den digitalen, also Direct-to-Consumer (D2C).
Vorgemacht haben es große Unternehmen wie Apple und Adidas, die seit Jahren erfolgreich ihre Produkte über das Internet verkaufen. Adidas-CEO Kasper Rorsted kündigte in diesem Jahr sogar an: „Bis 2025 werden wir ein D2C-getriebenes Unternehmen mit Online als wichtigstem Store sein.“
Auch die Konsumgüterhersteller finden den digitalen Vertrieb wichtig. Sie stehen jedoch vor einer kniffeligen Aufgabe: Wenn die Produkte zu günstig sind, oftmals weniger als zehn Euro pro Stück kosten, lohnt sich der Versand für die Firmen nicht.
Die Lösung liegt für die Konsumgüterhersteller darin, die Produkte zu personalisieren. Statt eine Creme für junge oder reife Haut zu verkaufen, setzen die Hersteller auf einen großen Baukasten an Inhaltsstoffen, aus dem sich die Kunden bedienen und aus dem sie ihre ganz eigene Pflege kreieren. Kunden werden so zu Entwicklern. Die individuellen Produkte sind in der Regel deutlich teurer als die herkömmlichen Produkte im stationären Handel. Dadurch rechnet sich das digitale Geschäft für die Hersteller.
Für die Konzerne ist es wertvoll, direkt mit den Konsumenten zusammenzutreffen. „Die Kunden kaufen ihre Hautpflege immer häufiger online. Wir haben die Möglichkeit, in direkte Interaktion mit den Kunden zu kommen, und können dadurch bessere Produkte schaffen“, argumentiert Catja Prykop, Global Marketing Director Face Cleansing bei Beiersdorf. Dieser Trend habe sich in der Corona-Pandemie deutlich verstärkt. D2C ist vor allem ein neues Marktforschungsinstrument für die Firmen.
Jüngster Coup ist ein Investment von Beiersdorf bei dem Start-up Routinely. Das Unternehmen bietet personalisierte Hautpflege an und nutzt dafür einen Algorithmus. Die Nutzer stellen sich ihre eigene Pflegekombination online zusammen und bekommen von der App Empfehlungen zur täglichen Pflege auch auf Basis von externen Faktoren wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Luftqualität oder Sonneneinstrahlung. Kostenpunkt pro Produkt: ab 29 Euro aufwärts.
„Für uns ist das ein sehr spannender Ansatz“, sagt Ascan Voswinckel, Head of Venture Capital bei Beiersdorf. Der Manager hat den Deal betreut. Über den Anteil und die Höhe der Investition will er keine Angaben machen. Nur so viel: „Wir haben schon lange einen Fokus auf Personalisierung – und diese Investition zahlt genau darauf ein.“
Im vergangenen Februar hatte Beiersdorf bereits eine neue eigene Pflegemarke unter dem Namen Own gelauncht, die rein digital vertrieben wird. Das Vorgehen ist ähnlich: Kunden können im Webshop ihre Inhaltsstoffe selbst zusammenstellen, dabei werden sie von einer KI-gestützten Software unterstützt. Anschließend bekommen sie Tiegel und Tuben zugesandt, auf denen ihr Vorname gedruckt steht. Die Personalisierung findet auf mehreren Ebenen statt.
Umsätze macht Beiersdorf damit noch nicht. Noch können sich die Nutzer lediglich auf eine Warteliste für Own setzen lassen. Wie viele Nutzer interessiert sind, will Marketingdirektorin Prykop nicht verraten. Die Zielgröße sei aber erreicht. Ab Sommer würden die ersten Own-Produkte ausgeliefert werden.
Den Beiersdorf-Managern ist klar: Hohe Umsätze werden sie damit nicht so schnell erreichen. „Unser Ziel ist es zu lernen“, sagt Prykop. Das Gelernte, so erklärt sie, lasse sich später durchaus auch auf Marken wie Nivea übertragen, die Hauptmarke des Konzerns mit einem Umsatzanteil von rund 80 Prozent.
Experten schätzen, dass der Digitalanteil im gesamten Kosmetikmarkt bis 2025 bei 25 Prozent liegen könnte. „Das könnten wir uns auch bei Beiersdorf vorstellen“, sagt die Managerin. Davon ist das Unternehmen derzeit aber noch deutlich entfernt. Der inzwischen ausgeschiedene Beiersdorf-CEO Stefan De Loecker hatte im Februar lediglich durchblicken lassen, dass der Digitalumsatzanteil 2020 um 70 Prozent gestiegen sei.
Zum Vergleich: Bei L’Oréal, weltweit die Nummer eins im Markt, liegt der Anteil schon heute bei über 26 Prozent. Allerdings bezieht sich diese Zahl nicht nur auf die eigenen Webshops, sondern auch auf Verkäufe über Onlinemarktplätze wie Amazon. Der französische Konzern hatte sich diese Vorreiterrolle schon früh gesichert, zum einen mit Zukäufen wie der D2C-Marke Kiehl’s, zum anderen mit Akquisitionen wie dem virtuellen Make-up-Konfigurator Modiface.
Für Panos Meyer, Geschäftsführer der Hamburger Digitalagentur Cellular, ist es allerdings nur schwer nachvollziehbar, warum die Konsumgüterhersteller den digitalen Vertriebsweg so zögerlich gehen. „Von Meister Proper bis Vileda – die Unternehmen verspielen das Guthaben der Marken“, kritisiert er.
Das erste Coronajahr hinterließ beim Konsumgüterkonzern Blessuren. Für 2021 erwartet Henkel starkes Wachstum bei Klebstoffen für die Industrie.
Statt mit viel Marketinggeld neue Marken aufzubauen, sollten die Unternehmen lieber gute Onlineangebote ihrer bestehenden Marken aufziehen, sagt Meyer. „Ich bin mir sicher, dass man auch niedrigpreisige Produkte verschicken kann. Für jede Marke gibt es einen Anwendungsfall.“ Gerade jetzt, in der Krise, würden viele Konsumenten auch Kleinstprodukte online kaufen. Der Digitalexperte vermutet „Verlustängste“ bei den etablierten Konzernen. Statt sich selbst zu wandeln, würden Unternehmen oftmals Start-ups kaufen, „um die Gefahr vom Markt wegzukaufen“.
Tatsächlich ist Akquisition auch beim Düsseldorfer Konsumgüterkonzern Henkel beliebt. So erwarb das Unternehmen im vergangenen Jahr das Berliner Start-up Invincible Brands, das mit Digitalmarken wie Hello Body seine Kunden direkt im Netz anspricht. Ein Jahr zuvor hatte Henkel den amerikanischen Spezialisten für personalisierte Haarfärbemittel, E-Salon, gekauft.
Allerdings entwickelt der Konzern, der Marken wie Schwarzkopf und Schauma führt, auch eigene, neue D2C-Marken. So entstand 2020 die für Männerhaare konzipierte Marke M:ID im hauseigenen Forschungslabor. Für den 17-Milliarden-Euro-Konzern Henkel, dessen Digitalumsatzanteil aktuell bei 15 Prozent liegt, ist das der Weg in die Zukunft. „Bei der Digitalisierung wollen wir noch einen Gang höher schalten“, kündigte Henkel-CEO Carsten Knobel im März an.
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