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01.11.2022

16:04

Einzelhandel

Bangen um Galeria Karstadt Kaufhof – die wichtigsten Fragen zur Schutzschirm-Insolvenz

Von: Martin Greive, Jens Koenen, Franziska Telser

Der Warenhauskonzern flüchtet erneut unter den Schutzschirm. Wie läuft ein solches Verfahren ab? Und was passiert, wenn der Rettungsversuch fehlschlägt?

Der Warenhauskonzern will mindestens ein Drittel seiner Häuser schließen. Welche Standorte betroffen sein werden, steht noch nicht fest. dpa

Galeria-Kaufhaus in Frankfurt

Der Warenhauskonzern will mindestens ein Drittel seiner Häuser schließen. Welche Standorte betroffen sein werden, steht noch nicht fest.

Berlin, Frankfurt Zum zweiten Mal innerhalb von nur zweieinhalb Jahren will das Management den Einzelhandelskonzern Galeria Karstadt Kaufhof in einem sogenannten Schutzschirmverfahren sanieren. Bereits im Jahr 2020 war so versucht worden, gemeinsam mit einem Sachwalter und einem Sanierer die letzte große deutsche Warenhauskette wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

Nun wollen Geschäftsführer Miguel Müllenbach, Sanierer Arndt Geiwitz und Sachwalter Frank Kebekus ohne weitere Staatshilfen Strukturen schaffen, die dauerhaft tragfähig sind. Doch nachdem das schon einmal nicht geklappt hat, gibt es bei einigen Experten Zweifel, ob das dieses Mal gelingen kann. Entsprechend groß sind Wut und Enttäuschung, aber auch Sorgen der 17.400 Mitarbeitenden.

Wie soll die Rettung von Galeria Karstadt Kaufhof diesmal funktionieren? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie ernst ist es um den Warenhauskonzern bestellt?

Die wirtschaftliche Lage muss sehr ernst sein. Nach letzten verfügbaren Angaben rechnet das Management im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr mit einem Verlust in niedriger bis dreistelliger Millionenhöhe. Schon im Vorjahr, das stark von den Coronabeschränkungen geprägt war, musste Galeria ein Minus in Höhe von 622 Millionen Euro verkraften.

Zwar war das Unternehmen nach dem Verlassen des ersten Schutzschirms zum 1. Oktober 2020 schuldenfrei neu gestartet. Aber die dauerhaften Verluste sowie hohe Kosten für die geplante Modernisierung der Kaufhäuser und zuletzt auch die Energie belasten die Bilanz aufs Neue. Dazu hielten sich die Kunden beim Besuch der Warenhäuser auch gegen Ende der Pandemie weiterhin zurück. Der Versuch, beim Wirtschaftsstabilisierungsfonds erneut Staatshilfen zu bekommen, scheiterte.

Was ist das Schutzschirmverfahren genau?

Es handelt sich um eine Sonderform des Insolvenzrechts. Das Verfahren muss aber früher als eine normale Insolvenz beantragt werden. Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung müssen drohen, dürfen aber noch nicht eingetreten sein. Das bedeutet zugleich: Ein Unternehmen muss noch über ausreichend Substanz sowie ein Geschäftsmodell verfügen, um eine Chance zu haben, saniert zu werden.

Was ermöglicht ein solches Verfahren?

Der laufende Betrieb ist vor dem Zugriff von Gläubigern geschützt. Sie können zum Beispiel kein Inventar oder keine Maschinen abholen. Gleichzeitig können harte Sanierungsschritte umgesetzt werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann innerhalb von drei Monaten ohne Sozialplan und ohne Kündigungsfristen gekündigt werden. Andererseits hat der Sachwalter die Aufgabe, darauf zu achten, dass die Interessen der Gläubiger nicht aus den Augen verloren werden.

Wer sind Arndt Geiwitz und Frank Kebekus?

Geiwitz ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Vor zehn Jahren versuchte der Insolvenzexperte, die Drogeriekette von Anton Schlecker zu retten, und erlitt eine Niederlage. Die Pleite konnte nicht verhindert werden, mehr als 20.000 Mitarbeitende verloren ihren Job.

2020 bildete Geiwitz zusammen mit dem Juristen Kebekus ein gut abgestimmtes Gespann bei Galeria Karstadt Kaufhof. Kebekus war der unbequeme Sanierer, während Geiwitz mit seinem freundlichen und zugewandten Auftreten nach dem Abgang von Vorstandschef Stephan Fanderl als Gesicht des Unternehmens fungierte. Geiwitz ist unter anderem Treuhänder bei Willy Bogner und bekannt für seine guten Kontakte.

Auch Kebekus hat viel Erfahrung mit spektakulären Insolvenzfällen. Zu seinen Erfolgen zählt die Rettung des Suhrkamp-Verlags. Schon im Jahr 2009 vertrat er bei der Karstadt-Insolvenz das Immobilienkonsortium Highstreet – und saß damit auf der anderen Seite des Verhandlungstisches.

Auf dem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater liegt nun die große Hoffnung der Galeria-Belegschaft. Kann der erfahrene Sanierer den Warenhauskonzern und zumindest einen Teil der Jobs retten? SGP Schneider Geiwitz & Partner

Arndt Geiwitz

Auf dem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater liegt nun die große Hoffnung der Galeria-Belegschaft. Kann der erfahrene Sanierer den Warenhauskonzern und zumindest einen Teil der Jobs retten?


Wie geht es nun weiter bei Galeria?

Zunächst muss das Amtsgericht Essen dem Antrag auf den Schutzschirm stattgeben. Dazu muss die Fähigkeit, das Unternehmen zu sanieren, nachgewiesen werden, ebenso die drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Stimmen die Richter dem Antrag zu, muss das Unternehmen innerhalb von drei Monaten ein Sanierungskonzept vorlegen. Das wiederum muss vom Sachwalter und den Gläubigern abgesegnet werden.

Wie soll das Unternehmen saniert werden?

Die Geschäftsführung hat bereits angekündigt, mindestens ein Drittel der Filialen schließen zu wollen. Das könnten bis zu 45 der 131 Warenhäuser sein. Eine Liste gibt es nach Aussage von Geiwitz noch nicht, sie soll in den kommenden Wochen erstellt werden. Als wahrscheinlich gilt, dass vor allem jene Häuser von einer Schließung bedroht sind, die schon beim ersten Schutzschirm auf der Streichliste standen. Damals wollte der Sanierer 85 Häuser schließen, es wurden aber nur 42.

Insolvenzverfahren

Verdi-Chef: „Riesige Wut und Enttäuschung bei den Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof“

Insolvenzverfahren: Verdi-Chef: „Riesige Wut und Enttäuschung bei den Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof“

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Die verbleibenden Warenhäuser sollen nach dem Konzept „Galeria 2.0“ umgebaut werden, kündigte Galeria-Chef Müllenbach an. Die im vergangenen Herbst eingeleitete Modernisierungsoffensive lief bisher schleppend.

Was sagen die Arbeitnehmervertreter?

Die Gewerkschaft Verdi hat erklärt, um jeden Arbeitsplatz kämpfen zu wollen. Die Wut und die Enttäuschung unter den Kolleginnen und Kollegen seien groß, heißt es bei der Gewerkschaft. Ganz verhindern werden die Arbeitnehmer einen Jobabbau aber nicht. Die Geschäftsführung hat bereits erklärt, dass Kündigungen unvermeidbar sein werden.

Was ist noch von Eigentümer René Benko zu erwarten?

Galeria Karstadt Kaufhof gehört der Signa Holding des österreichischen Immobilieninvestors René Benko. Von dem Unternehmer, der in seiner Heimat unter Bestechungsverdacht steht, gibt es bisher kein Statement zur aktuellen Situation. Die Entscheidung, noch einmal den für die Belegschaft schmerzlichen Weg eines Schutzschirmverfahrens zu gehen, dürfte aber eng mit ihm abgestimmt sein.

Der Galeria-Eigentümer hat sich noch nicht öffentlich zur aktuellen Situation geäußert. Getty Images for Oberpollinger/

René Benko

Der Galeria-Eigentümer hat sich noch nicht öffentlich zur aktuellen Situation geäußert.

Das könnte dafür sprechen, dass Benko die Hoffnung hat, einen erneut geschrumpften Konzern doch noch zukunftsfest zu machen. Ob er dazu noch mal eigene finanzielle Mittel bereitstellen wird, ist offen.

Was sagt die Politik zum erneuten Scheitern bei Galeria?

Die Politik sieht jetzt vor allem Eigentümer und Unternehmensführung in der Pflicht. „Gerade in der aktuellen Zeit müssen alle Beteiligten sicherstellen, dass im nun laufenden Insolvenz- und Schutzschirmverfahren die Arbeitnehmerrechte gewahrt bleiben“, sagt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt: „Wir stehen an der Seite aller Beschäftigten und der Gewerkschaft Verdi und appellieren an alle Beteiligten, trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage die über 17.000 Arbeitsplätze bestmöglich zu schützen und gute Lösungen für alle Beschäftigten zu ermöglichen.“

Was passiert, wenn die Sanierung fehlschlägt?

Sollte das Sanierungskonzept vom Sachwalter und den Gläubigern abgelehnt werden, etwa weil sich einzelne Gläubiger benachteiligt sehen, entscheidet das Gericht über ein reguläres Insolvenzverfahren. In dem Fall könnte Galeria die Abwicklung drohen.

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