Das Sterben der Warenhäuser beschleunigt die Verödung der Innenstädte. Eine Gruppe von Kommunen geht mit digitalen Lösungen in die Offensive gegen den Leerstand.
Ausverkauf im Karstadt in Trier
Das Warenhaus in Trier wurde bereits 2020 geschlossen, noch gibt es keine neue dauerhafte Nutzung.
Bild: imago images/Jochen Tack
Düsseldorf Leere Ladenlokale, Ein-Euro-Shops, Spielhallen: In vielen Kommunen veröden die Innenstädte seit Jahren. Zusätzlich sollen nun im Insolvenzverfahren des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof mindestens 40 weitere Filialen schließen. „Das wird den Druck auf viele Kommunen weiter erhöhen“, sagt Iris Schöberl. Als Managing Director des Immobilienunternehmens CT Real Estate Partners Germany beobachtet sie die Probleme seit Jahren und sitzt auch im Vorstand des Immobilienverbands ZIA.
Eine Gruppe von Städten will der Entwicklung jedoch nicht tatenlos zusehen. Gemeinsam mit dem Handelsforschungsinstitut IFH und dem Bundeswirtschaftsministerium haben sie eine digitale Plattform aufgebaut, die die Suche nach Nachmietern für leerstehende Ladenlokale deutlich beschleunigt. Das Tool stellt das Ansiedlungsmanagement der Gemeinden auf eine neue, professionelle Basis – und kann jetzt erste Erfolge vorweisen.
Gut ein Jahr lang haben 14 Kommunen vom großen Bremen bis zum kleinen Langenfeld im Projekt „Stadtlabore“ an der Plattform namens „LeAn“ getüftelt. Sie bietet nicht nur einen Überblick über den Immobilienbestand einer Stadt, sondern auch ein Dashboard mit relevanten Daten zu Umfeld und Nutzbarkeit der Immobilie. Seit August läuft sie im Testbetrieb.
Die Herausforderung ist riesig. So könnte nach einer Umfrage der Imakomm-Akademie unter 750 Vertretern aus Kommunen und Wirtschaftsvereinigungen die Leerstandsquote in den deutschen Städten auf dauerhaft bis zu 15 Prozent steigen. Nur für besonders attraktive Standorte könne sich der Leerstand auf sieben bis acht Prozent begrenzen lassen.
Welchen Fortschritt die neue Plattform für die Städte bedeutet, zeigt sich beispielhaft in Hanau. „Dank der Möglichkeiten, die uns LeAn bietet, haben wir es geschafft, in atemberaubendem Tempo ein leerstehendes Ladenlokal neu zu besetzen“, sagt Martin Bieberle, Geschäftsführer der städtischen Baubetreuungs- und Projektentwicklungsgesellschaft. Gerade mal eine Woche habe es in dem Fall nach dem ersten persönlichen Gespräch gedauert, bis dort ein Spielwarenfachgeschäft eröffnen konnte.
LeAn funktioniert nach dem Tinder-Prinzip, nur dass hier Städte und potenzielle Ladenbetreiber auf Partnersuche sind. Für den Testbetrieb wurden 50 leerstehende Immobilien in sechs Modellstädten genutzt. Im Schnitt gab es pro Objekt zehn Vorschläge für Nutzungskonzepte, in fast allen Fällen sind bereits Gespräche mit Interessenten gelaufen. Im neuen Jahr soll die Plattform in den Regelbetrieb gehen, viele weitere Kommunen haben Interesse angemeldet.
Denn das Problem drängt für die Städte und Kommunen immer stärker, beobachtet Eva Stüber vom Handelsforschungsinstitut IFH. „Vier bis fünf Leerstände kannst du noch ganz gut bewältigen, aber bei 20 bis 30 kommst du nicht mehr hinterher“, sagt sie. Excel-Tabellen reichten da nicht mehr.
Das bestätigt auch Andreas Bausewein, Oberbürgermeister von Erfurt. „Bislang haben wir unser Leerstandsmanagement analog vollzogen“, sagt der Politiker. „Dass wir hier nachregeln müssen, liegt klar auf der Hand.“ Mit der digitalen Aufrüstung sieht er die Chance, den Nachvermietungsprozess zu beschleunigen und so eine „zukunftsfähige Stadtentwicklung zu begünstigen“.
Das Problem ist teilweise auch hausgemacht. „In vielen Städten sind Handels-Monokulturen entstanden, die nicht mehr dem Bild einer attraktiven, vielfältigen und vitalen Innenstadt entsprechen“, sagt der Hanauer Ansiedlungsmanager Bieberle. Es werde immer anspruchsvoller, die richtige Mischung sicherzustellen. „Der Handel allein ist nicht mehr der Magnet, der die Menschen in die Innenstadt zieht, er braucht neue Nachbarn wie Gastronomie, Kultur, Ärzte, Dienstleistungen, Büros oder Sportstätten.“
Wenn Flaggschiffe wie Kaufhof oder Karstadt schließen, verschärfe das die Probleme, sagt Bieberle. Noch gibt es in Hanau einen Kaufhof, aber ob er bleibt, ist unklar.
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„Man muss davon Abschied nehmen, dass man eine Handelsfläche von 4000 Quadratmetern wieder an einen Händler neu vermieten kann“, sagt der Stadtentwickler. Für die großen Warenhäuser müsse man künftig über einen Nutzungsmix nachdenken. „Im Zweifel muss man dann solche Immobilien kaufen und sie gemeinsam mit einem privaten Investor neu entwickeln“, erklärt er.
Immobilienmanagerin Schöberl hat aus Sicht der Branche die Entwicklung der Plattform LeAn begleitet. Anfangs sei sie skeptisch gewesen, räumt sie ein. Sie habe im Austausch aber viel gelernt und denke heute, dass es ein sehr hilfreiches Instrument sei, um gemeinsam an der Zukunft der Innenstädte zu arbeiten.
„Der Faktor Zeit ist bei der Bekämpfung des Leerstands sehr entscheidend“, weiß sie aus Erfahrung. „Das digitale Ansiedelungsmanagement kann die Zeit bis zur Neubelegung der Immobilie deutlich verkürzen.“ Das Wichtigste dabei sei der Dialog. „Wenn man die Eigentümer bei den Gesprächen mit am Tisch hat, ist es leichter, flexible Lösungen für eine neue Nutzung von Innenstadtimmobilien zu finden“, sagt Schöberl.
Als wichtiges Instrument hat sich in Hanau wie in zahlreichen anderen Städten auch die sogenannte Vorkaufsrechtssatzung erwiesen. Dabei kann die Stadt im Zweifel die Immobilie selbst übernehmen. „Sie bringt uns in eine starke Position gegenüber den Eigentümern, bildet aber auch die Basis für den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen zu ihnen“, sagt Stadt-Manager Bieberle. Alle Beteiligten seien dadurch gezwungen, das Gespräch zu suchen.
So kann eine Nutzung erreicht werden, die für den Vermieter passt, aber auch die Sicherung der Vielfalt in der Stadt im Blick hat. „Im besten Fall müssen wir dann vom Vorkaufsrecht keinen Gebrauch machen“, sagt Bieberle. In gerade fünf von 100 Streitfällen habe die Stadt die Immobilie gekauft, in allen anderen Fällen habe es einvernehmliche Lösungen gegeben.
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