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08.12.2018

08:02

Die Branche findet nicht aus der Krise. dpa

Modegeschäft in Hamburg

Die Branche findet nicht aus der Krise.

Einzelhandel

Warum das Weihnachtsgeschäft die Modebranche nicht retten kann

Von: Christoph Kapalschinski

Ein Ende des Aufschwungs würde die Branche unvorbereitet treffen. Experten erwarten schon bald zahlreiche Insolvenzen im Modehandel.

Hamburg Auf den Weihnachtsmann kann der deutsche Modehandel nicht hoffen. Das laufende Weihnachtsgeschäft wird die deutlichen Einbußen der Branche in diesem Jahr nicht wettmachen. Im Gegenteil: Experten warnen immer lauter vor einer Insolvenzwelle.

Keine gute Nachricht für die Hersteller ist zudem, dass auch der Online-Handel mit Kleidung langsamer wächst als andere Kategorien – Anbieter wie Zalando, Asos und AboutYou zum Trotz.

„Der Wirtschaft und den Konsumenten geht es gut. Doch das merkt der Einzelhandel im Weihnachtsgeschäft nur in Teilen“, sagt A.T.-Kearney-Partner Mirko Warschun. Gerade in der Mode bleibe das Geschäft hinter den Erwartungen zurück. War es im Sommer die lange Sonnenperiode, ist es nun das milde Wetter, das der Branche eine Entschuldigung liefert.

Doch Experten wie Warschun sehen tiefer sitzende Gründe für die Krise. „Es ist nicht das Wetter, sondern es sind strukturelle Probleme“, sagt er.

Die Mode hält mit dem Wachstum anderer Einzelhandelsfelder nicht Schritt. Von 2009 bis zum laufenden Jahr hat etwa der Sporthandel 8,8 Prozent zugelegt, Uhren und Luxus um 5,3 Prozent. Die Mode kommt nur auf ein Plus von 4,1 Prozent – gerade einmal so viel wie der Lebensmittelhandel. Das Schuhgeschäft verzeichneten in all den Jahren gerade mal einen Zusatzumsatz von 1,9 Prozent.

Anders gesagt: Die deutschen Haushalte geben einen immer geringeren Anteil ihres Budgets für Kleidung aus. Experte Warschun sieht darin einen von vier wichtigen Ursachen für die Misere:

  1. Die Menschen geben mehr Geld für andere Dinge aus – etwa für Unterhaltungselektronik, Veranstaltungen und Entertainment. Statt über materielle Statussymbole definieren sich Menschen im Facebook-Zeitalter über Erlebnisse. Das geht zulasten des Modebudgets.
  2. Die stationären Händler verlieren Umsatz an Online-Händler. Nicht nur kleine Boutiquen schaffen es kaum, mit einem Omni-Channel-Ansatz selbst Umsätze im Online-Handel zu erwirtschaften. Auch bekannte Ketten wie Karstadt und Peek & Cloppenburg spielen im Netz nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen machen reine Online-Anbieter wie Zalando und AboutYou das Geschäft.
    Eine Studie der Boston Consulting Group im Auftrag von Zalando sagt voraus, dass sich dieser Effekt noch verstärken wird: „Derzeit ist das Umsatzverhältnis zwischen unternehmenseigenen Onlinekanälen und Plattformen noch ausgeglichen, doch bis 2020 wird das meiste Geld im Plattformgeschäft erwirtschaftet“, heißt es dort.
  3. Die Modebranche selbst hat die Kunden dazu erzogen, auf Sonderangebote zu warten, lautet Warschuns provokante These. Als ein Beispiel dafür nennt er den Black Friday zu Beginn des Weihnachtsgeschäfts. Seit der Abschaffung der formellen Sommer- und Winterschlussverkäufe gibt es einen Wildwuchs an Rabattaktionen.
    Dazu kommt der E-Commerce, der die Preise transparenter macht. In der Regel verdoppeln die Händler zunächst den Einkaufspreis und reduzieren anschließend schrittweise. Diese Systematik funktioniert nicht mehr. Darunter leiden vor allem mittelpreisige Marken. Sie werden von günstigeren Angeboten bis hin zur Billigkette Primark ausgestochen. Wer sich hingegen etwas gönnen will, greift zu Luxusmarken. Das heißt: Die Ränder wachsen, die Mitte verliert.
  4. Die Mode hat sich durch das Aufkommen der Fast-Fashion-Ketten wie H&M und Zara verändert. Anders als in der Vergangenheit gibt es nicht mehr zwei klar abgegrenzte große Kollektionen für Sommer und Winter und damit einhergehend klare Modetrends im Wechsel. Stattdessen erneuern die Ketten und viele Hersteller monatlich ihre Kollektionen. Für die Konsumenten gibt das einerseits immer neuen Kaufanreize – andererseits sind viele Kleiderschränke voll mit Dingen, die nicht aus der Mode sind und daher weiter getragen werden können.

Tatsächlich zeigt sich die Krise längst an den Unternehmen. Die Fusion von Karstadt mit Kaufhof hat ihre Ursache auch im Umsatzrückgang vor allem bei Kaufhof. Noch vor 15 Jahren machten Warenhäuser und Katalogversender fast ein Drittel der Mode-Umsätze unter sich aus – heute ist es noch ein Zehntel. Sie haben an Online-Händler und an Ketten wie H&M und Zara verloren.

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Zugleich sind auch kleine Boutiquen sind verschwunden, darunter renommierte Modehändler wie Eickhoff auf der Düsseldorfer Königsallee und Uli Knecht auf dem Hamburger Neuen Wall. Einst glänzende Namen wie Bench, Roeckl, René Lezard und Gardeur gerieten in Zahlungsschwierigkeiten.

Die einstigen Börsenstars Gerry Weber, Esprit und Tom Tailor, die in den vergangenen Jahren ihre Ladenketten deutlich ausgebaut haben, enttäuschen ihre Aktionäre mit gebrochenen Versprechen und Kurseinbrüchen. „Insolvenzen werden wahrscheinlicher – unter Herstellern und Händlern“, warnt Warschun, ohne konkrete Namen zu nennen.

Düstere Prognose der Experten

Falls die aktuellen Dax-Turbulenzen tatsächlich ein Ende des langen Aufschwungs anzeigen sollten, würde das Branche besonders treffen, da sie nicht stabil aufgestellt ist. „Eine drastische Verschlechterung der Wirtschaftslage –nach zehn Jahren Wachstum – wird die Einzelhandelslandschaft nachhaltig verändern, vor allem Spieler, die in guten Zeiten nicht die Transformation gewagt haben“, schreiben die Berater von A.T. Kearney.

Sie wagen eine düstere Prognose: Die Umsatzrendite im Modehandel soll 2022 auf null fallen – damit würden die Händler im Schnitt nichts mehr verdienen. 2017 lag die Kennzahl noch bei 1,9 Prozent, schon 2018 soll sie unter ein Prozent fallen – und damit noch niedriger liegen als im wettbewerbsstraken Lebensmittelhandel.

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Selbst der Verband Textil und Mode findet – vor dem Hintergrund der laufenden Tarifauseinandersetzungen – deutliche Worte: „Das Sterben stationärer Einzelhändler und die Verschiebung Richtung Online-Handel setzen der werte- und qualitätsorientierten deutschen Bekleidungsindustrie schwer zu. Eine ganze Reihe namhafter Unternehmen kämpft um die Existenz“, heißt es in der jüngsten Stellungnahme des Verbands.

Ein Patentrezept gegen die Misere haben die Experten nicht. Trotz der für die gesamte Branche negativen Aspekte raten sie den einzelnen Spielern, weiter Erfolgsrezepte der Fast-Fashion-Ketten wie schnell wechselnde Produkte abzuschauen und sich stärker im Online-Handel zu engagieren.

Nahtlose Online-Angebote auf der einen Seite und mehr Erlebnis im Laden sollen helfen. Einfach wird es nicht – das zeigt sich auch daran, wie lange die Branche schon kriselt.

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