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22.08.2022

15:16

Elektromobilität

Brandgefährliche E-Auto-Akkus: Logbatt transportiert Gefahrgut für Porsche, BMW und Mercedes

Von: Claudia Scholz

Das Logistikunternehmen hat sich auf alte und gefährliche Akkus spezialisiert. Immer mehr Batterie-Abfall der Autohersteller verspricht Wachstum.

Entsorgung von E-Auto-Batterien Pulswerk

Entsorgungskiste für beschädigte Batterien

Weil E-Auto-Batterien bei extrem hohen Temperaturen abbrennen und kaum zu löschen sind, braucht es eine besonders sichere Transportbox.

Düsseldorf In einer Mercedes-Niederlassung in Westdeutschland kommt ein beschädigter Elektrogeländewagen EQC an. Mechaniker vor Ort bauen die Antriebsbatterie aus, die ebenfalls als beschädigt vermutet wird. Einmal ausgebaut, muss die defekte Batterie in einem speziellen Behälter aufbewahrt werden, bis sie entsorgt wird.

Der Autokonzern hat für solche Fälle ein paar spezielle Transportkisten angeschafft und leiht der Niederlassung einen der Behälter für den Notfall. Dieser Behälter wiegt anderthalb Tonnen und hat den Wert eines Kleinwagens: 25.000 Euro, wie ein Mercedes-Mitarbeiter verrät.

Hergestellt hat die Kiste das Unternehmen Logbatt. In Aichwald bei Stuttgart sitzt einer der ersten Anbieter in Deutschland, der eine rechtlich zugelassene Verpackung auf den Markt gebracht hat – für die großen, bis zu 700 Kilogramm schweren Elektroautobatterien etwa aus dem Porsche Taycan oder Mercedes EQC.

Angefertigt sind die Behälter nach Vorgaben der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM). Denn Transport und Lagerung von sogenannten kritisch-defekten Lithiumbatterien bedürfen einer behördlichen Genehmigung.

Die Transportkisten müssen auch für den schlimmsten Fall, einen Batteriebrand, ausgelegt sein. Denn wenn Batterien thermisch reagieren, kann in kurzer Zeit viel Energie frei werden.

Batterien verbrennen bei mehr als 1000 Grad

Da Batterien nicht löschbar seien, müssten sie langsam und kontrolliert ausbrennen, sagt Philipp Helmle, Gründer und Geschäftsführer von Logbatt. „Dabei entstehen Temperaturen von über 1000 Grad. Das muss eine Transportkiste aushalten.“ Bei Logbatt sorge eine Doppelwand dafür, dass außerhalb der Kiste nicht mehr als einhundert Grad ankommen. Der Deckel filtere zudem Rauchgas.

In Deutschland gibt es aktuell 20 Firmen, die gefährliche Batterien transportieren dürfen. Helmle

Transporter von Logbatt

In Deutschland gibt es aktuell 20 Firmen, die gefährliche Batterien transportieren dürfen.

In Deutschland gibt es aktuell 20 Firmen, die laut BAM kritische Batterien transportieren dürfen. Darunter sind große Logistikfirmen wie DB Schenker, aber auch Hersteller von Lithiumbatterien und Elektrowerkzeugen, Entsorger und Automobilfirmen.

Die Markteintrittsbarrieren sind relativ hoch, denn die Zertifizierung erfordert hohe Investitionskosten. Bei Tests müssen reale Batterien und die entworfenen Transportkisten abgebrannt werden.

Die Investitionen seien von der Verpackungs- und Batteriegröße abhängig, teilt die BAM mit. Der Brandtest könne je nach Größe über 10.000 Euro kosten – zuzüglich Batterie, die mehrere zehntausend Euro kostet. Logbatt hat die eigenen Kisten mit über 30 verschiedenen Batterien von verschiedenen Herstellern getestet und dafür einen sechsstelligen Eurobetrag investiert, heißt es vom Unternehmen.

Zehn Millionen Euro Umsatz mit Batterie-Transport

Doch die Kisten für brandgefährliche Akkus, von denen Logbatt wenige hundert pro Jahr anfertigt, sind nur Mittel zum Zweck. „Das ist unser Eintrittstor zu den Kunden“, sagt der studierte Logistiker Helmle, der zusammen mit Eduard Schönmeier das Unternehmen führt.

Viel öfter als gefährliche Batterien müssten Autohersteller ungefährliche Batterien transportieren. Hier liegt das Hauptgeschäft von Logbatt, zu dessen Kunden neben Mercedes die Autobauer Porsche, BMW und Streetscooter sowie die Zellhersteller CATL, Farasis, LG Europe und LG Chem gehören. Logbatt plant für diese Firmen Lagerung, Transport und Entsorgung der ausrangierten Akkus europaweit.

Dabei profitiert die Firma von der räumlichen Nähe zu den großen Autobauern. In 21 Minuten sind die Lastwagen von Helmle am Mercedes-Werk in Untertürkheim. Nur zehn Minuten länger brauchen sie zum Porsche-Werk bei Stuttgart.

Vor der Firmengründung 2017 knüpfte Helmle bereits Kontakte in die Automobilbranche, als er bei der Mercedes-Tochterfirma Deutsche Accumotive mit der Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien betraut war. „Es gab weder bestimmte Verpackung für Batterien, als wir angefangen haben, noch Logistikstrukturen“, sagt der 39-jährige Helmle.

Mittlerweile beschäftigt Logbatt 26 Mitarbeiter und erwartet für 2022 zehn Millionen Euro Umsatz. Dieses Jahr wird das Logistikunternehmen rund 3000 Tonnen Lithium-Ionen-Batterien transportieren, wovon 90 Prozent Autobatterien und der Rest Gerätebatterien sind. Damit ist Logbatt nach eigenen Angaben Marktführer im Bereich Logistik von Autoakkus.

Immer mehr Batterie-Abfälle bei Mercedes, Porsche und Co.

Ausrangierte Akkus fallen bei den Autoherstellern durch die zunehmende Zahl an Produktionsausschüssen und Batterien aus Testfahrzeugen an. „Es gäbe ohne den Chipmangel noch viel mehr produzierte Autos, dadurch Batterieabfall und damit Transportbedarf“, sagt Helmle.

Der Markt wird noch stark wachsen. Laut Umweltbundesamt könnten 2025 schon 160.000 Altbatterien aus E-Autos anfallen. Die BAM sagt: „Eine Prognose von über zehn Millionen E-Autos in Deutschland bis 2030 erscheint durchaus realistisch. Es wird daher zunehmend mehr Transporte von intakten wie defekten Batterien geben.“ Die höhere Anzahl von E-Autos werde auch die Anzahl der E-Autos in Unfällen erhöhen.

Mit dem Boom der E-Autos fallen auch immer mehr Batterien an, die transportiert werden müssen. dpa

Batterie-Recycling bei VW in Salzgitter

Mit dem Boom der E-Autos fallen auch immer mehr Batterien an, die transportiert werden müssen.

Die Beförderung von Batterien sei bei einigen Speditionshäusern bereits Teil des Geschäftsmodells, mit wachsendem Anteil, heißt es vom DSLV Bundesverband Spedition und Logistik. Der sichere Umgang mit dem Gefahrgut erfordere allerdings hohe Qualifikationen der Belegschaften.

Hier sieht Logistiker Helmle seinen Vorsprung. Viele Logistikunternehmen schreckten vor den gefahrgutrechtlichen und behördlichen Genehmigungen zurück, sagt er. „Beschädigte, kritische Batterien sind für viele weiterhin ein rotes Tuch.“ Auch sei die Auslastung bisher schwierig zu kalkulieren.

„Unser Vorteil ist, dass wir nicht so groß wie Kühne + Nagel oder DB Schenker sind“, sagt der Inhaber. Für Großkonzerne seien Abfallbatterien aus E-Autos oft nicht standardisiert genug. Logbatt setzt auf ein Netz aus einem Dutzend Partnerfirmen in Deutschland, die über Flotten von zehn bis 50 Lastwagen verfügen und flexibel angefragt werden.

Logbatt-Gründer Philipp Helmle Pulswerk

Philipp Helmle

Der Logbatt-Gründer nutzt die Kontakte aus seiner Zeit im Mercedes-Konzern.

Doch der Fachkräftemangel bei Lastwagenfahrern könnte noch zum Problem für Logbatt und seine Mitbewerber werden. Laut DSLV fehlen in Deutschland bis zu 80.000 Berufskraftfahrer. Diese Gefahr für das zukünftige Wachstum sieht auch Inhaber Helmle. Er wappnet sich mit „fairer Entlohnung und fachlichen Weiterbildungsmöglichkeiten in einem Zukunftsmarkt“.

Ein Franchisesystem für Elektroauto-Batterien

Gesetzlich haben alle Länder in Europa das gleiche Gefahrgut-Transportrecht, auch Länder wie die Türkei haben diese Regelungen übernommen. Insgesamt wenden 52 Staaten das Recht an, dort ist noch Wachstum für Transportfirmen wie Logbatt möglich.

Helmle sagt: „Wir sind dort am stärksten, wo es regulatorisch am strengsten ist. Wenn man in einem Land keine speziellen Gefahrgutkisten benutzen muss, werden wir auch weniger gebraucht.“

Logbatt glaubt, so gut darin zu sein, dass die Firma sogar ein Franchisesystem in Europa etablieren will. Helmles Ziel ist ein europäisches Rücknahmenetz für Lithium-Ionen-Batterien mit Kisten, Infrastruktur, Sammelstellen und Lagern. Er rechnet mit Zusatzeinnahmen aus Schulungen und der Organisation – und mehr verkauften Kisten, die Batterien sicher einschließen sollen.

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