Atlantic Food Labs aus Berlin startet einen zweiten Fonds: 100 Millionen Euro Wagniskapital für disruptive Start-ups aus Europa, die Ernährung nachhaltig machen.
Christophe Maire (l.)
Der Investor fördert disruptive Foodtechs in Europa: „Es ist eine Wette auf die nächste Generation von Fleisch oder Milch. Wir stehen erst am Anfang eines großen Umbruchs.“
Bild: Food Labs
Düsseldorf Christophe Maire hat einen Riecher für Disruptives. Als erster Investor glaubte er an das Geschäftsmodell des Schnelllieferdienstes Gorillas. Im Sommer 2020 stieg er mit seiner Berliner Firma Atlantic Food Labs in das junge Start-up ein. Nach der letzten Finanzierungsrunde explodierte die Bewertung von Gorillas auf rund drei Milliarden Dollar. „Das ging wirklich sehr schnell“, kommentiert der Investor, der noch einen einstelligen Anteil an Gorillas hält, mit schweizerischer Zurückhaltung.
Nun legt Maire, der in der Start-up-Szene auch als „Super Angel“ bezeichnet wird, einen Foodtech-Fonds von 100 Millionen Euro auf, wie das Handelsblatt vorab erfuhr. Mit dem Kapital sollen 40 bis 50 Firmen in Europa mit disruptivem Potenzial für eine nachhaltige Ernährung gefördert werden. „Die Lebensmittelindustrie hat einen enormen Impact auf unsere Gesundheit und den Planeten“, sagt Maire. Es brauche neue intelligente Lösungen entlang der gesamten Versorgungskette.
Der neue Fonds investiert in Innovationen – vom Agrotech über Urban Farming und alternative Proteine bis zu smarten Produktions- und Vertriebsmethoden. Ziel sind gesündere Lebensmittel mit geringem CO2-Fußabdruck.
Zu den ersten geförderten Start-ups aus Deutschland zählen etwa Microharvest, das Proteine aus Bakterien herstellt, und Klim, das Landwirten bei der Speicherung von CO2 in Böden unterstützt. Airfarm bietet Bauern eine digitale Plattform, und Foodji entwickelt Essensautomaten mit gesunden Mahlzeiten.
Kapital hat Maire bei institutionellen Investoren genauso eingesammelt wie bei Family-Offices aus der Branche, darunter große Einzelhändler, Nahrungsmittel- und Getränkehersteller. „Sie alle suchen gezielt nach nachhaltigen Anlagemöglichkeiten“, sagt Maier.
Er will eine Plattform bauen für Start-ups und die traditionelle Ernährungsindustrie. In Atlantic Food Labs, die Maire 2016 gründete und nun in Food Labs umbenennt, waren bekannte Branchengrößen wie Oetker investiert. Im neuen Fonds sind Bitburger, Gemüsering und Döhler Teilhaber und Partner. Sie investieren zum Teil parallel in die Start-ups.
Zu Geld gekommen ist Maire, der in Sankt Gallen BWL studiert hat, mit Navigationssoftware. Sein Start-up Gate5 wurde 2005 von Nokia gekauft. Zehn Jahre später übernahmen BMW, Audi und Daimler den in Here Technologies umbenannten Kartendienst für 2,6 Milliarden Euro. Danach gründete Maire Txtr, das mit E-Books Amazon Paroli bieten wollte, aber floppte.
Maire betätigt sich bewusst als Frühphaseninvestor. „Wagniskapital ermöglicht sprunghafte Innovation und ist ein entscheidender Katalysator für Unternehmertum. Deshalb fördere ich disruptive Gründer, auch wenn sie einige Jahre keinen Umsatz machen“, erklärt der 55-Jährige.
Europa habe viele Unternehmertalente und Uni-Spin-offs mit innovativen Patenten. „Was fehlt, ist die unterstützende Infrastruktur, da wollen wir ansetzen. Warum warten, bis die Amerikaner die Branche aufmischen?“, fragt der Schweizer.
Ein Hemmnis für disruptive Foodtechs in Europa sieht Maire im strengen und langwierigen EU-Zulassungsverfahren für sogenanntes Novel Food. „Unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes werden Innovationen für eine grüne Wirtschaft ausgebremst“, moniert er.
Maire sieht sich als langfristiger Begleiter der Unternehmer. Acht Experten des Food-Labs-Teams unterstützen in vielen Belangen, auch bei der Suche nach passenden Mitgründern. Maire coacht die Gründer auch persönlich. Das US-Portal „Tech Crunch“ kürte ihn zweimal zum „Best European Seed Investor“.
Atlantic Food Labs hat bisher 15 Millionen Euro in etwa 25 Start-ups investiert. Maire sieht großes Potenzial in Portfoliofirmen wie Vertical-Farming-Anbieter Infarm oder Firmen wie Mushlabs, Formo oder Meatable, die alternative Proteine herstellen.
Der Schweizer ist längst nicht der einzige Investor, der auf Foodtechs setzt. Blue Horizon aus der Schweiz investiert massiv in alternative Proteine. Five Seasons Venture aus Paris kündigte vor einer Woche einen Foodtech-Impact-Fonds von 180 Millionen Euro an. Ex-Metro-Chef Olaf Koch will bis zum Frühjahr einen Fonds namens Zintinus mit mindestens 150 Millionen Euro auflegen. Koch steigt anders als Maire in der Wachstumsphase der Start-ups ein.
Maire freut sich über jeden Mitspieler, der Foodtechs nach vorn bringt. Eine Überhitzung des Marktes sieht er nicht, auch wenn manche Bewertung vielleicht zu hoch sei. „Es ist eine Wette auf die nächste Generation von Fleisch oder Milch. Wir stehen erst am Anfang eines großen Umbruchs“, betont Maire. Das Bewusstsein der Verbraucher habe sich bereits erstaunlich gewandelt.
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