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22.01.2023

12:36

Fastenklinik Buchinger Wilhelmi

Wie eine Klinik vom Fastentrend profitieren will

Von: Michael Scheppe

PremiumFamilienunternehmer Leonard Wilhelmi setzt im Jubiläumsjahr auf mehr medizinische Angebote. Erstmals bietet er auch eine Fastenmöglichkeit für zu Hause an.

Das Foto zeigt die dritte und vierte Generation des Familienunternehmens. Buchinger-Wilhelmi

Familie Wilhelmi

Das Foto zeigt die dritte und vierte Generation des Familienunternehmens.

Düsseldorf Zum Anfang des Jahres gibt es für Leonard Wilhelmi zwei Wochen lang keine feste Nahrung. Der 35-Jährige macht das, womit er sein Geld verdient: Er ist Chef der Überlinger Fastenklinik Buchinger Wilhelmi.

In ruhiger Hanglage direkt am Bodensee und mit Blick auf die Alpen gelegen, kommen dorthin pro Jahr rund 3500 Besucher, die nur Fastensuppen aus Obst- und Gemüsesäften zu essen bekommen. Je nach Zimmer bezahlen sie dafür zwischen 3000 und 6000 Euro pro Woche. Die Suite mit eigener Sauna und guter Aussicht kostet gar 16.000 Euro.

Die Einrichtung, die auch viele Manager anzieht, versteht sich als eine Mischung aus Privatklinik und Kloster – und zwar auf dem Niveau eines Vier- oder Fünfsternehotels. Die Besucher wollen dort nicht nur weniger essen, sondern mit dem Rahmenprogramm aus Yoga, Wellness, Wanderungen und medizinischen Untersuchungen auch mental entschlacken.

Im Jahr ihres 70-jährigen Bestehens kämpft die Einrichtung mit steigenden Energie- und Personalkosten. Wilhelmi hat wegen der Inflation die Löhne aller 300 Beschäftigten pauschal um sieben Prozent erhöht. Das Geschäft ist personalintensiv: Auf einen Besucher kommen zweieinhalb Mitarbeiter.

Neue Erlösquellen versucht das Familienunternehmen nun mit einem Angebot für das heimische Heilfasten zu erschließen. Die 24-teilige Fastenbox besteht aus Gemüsesuppen, Ölen, Tees und Nahrungsergänzungstabletten. Fünf Tage können Interessierte damit Verzicht üben – wenn sie bereit sind, 199 Euro für die Box zu bezahlen.

Der 35-Jährige setzt auf mehr medizinische Angebote in seiner Fastenklinik. Frank Beer für Handelsblatt

Leonard Wilhelmi

Der 35-Jährige setzt auf mehr medizinische Angebote in seiner Fastenklinik.

Gäste hätten den Wunsch geäußert, zwischen oder nach den Aufenthalten zu Hause fasten zu können, erklärt Wilhelmi. Zudem können sie den Besuch in der Klinik daheim verlängern, falls Zeit oder Geld für einen längeren Aufenthalt fehlt.

Mit Box für zu Hause vom Fastentrend profitieren

„Wir haben lange darüber diskutiert, ob wir uns mit der Box nicht den Ast abschneiden, auf dem wir sitzen“, sagt Wilhelmi, der das Unternehmen in vierter Generation führt. „Doch wir glauben, dass es eine Chance ist, mehr Leute zu erreichen und mit unseren Gästen in Kontakt zu bleiben.“

Die Box sei kein Ersatz für den Aufenthalt in der Klinik. Dort bekommen die Besucher nur 200 bis 250 Kilokalorien pro Tag, dafür ist ärztliche Aufsicht notwendig. Die Fastenbox beschränkt die Zufuhr auf gut 600 Kalorien.

Das Familienunternehmen baut die Angebote aus. Buchinger-Wilhelmi

Yoga in der Fastenklinik Buchinger

Das Familienunternehmen baut die Angebote aus.

Das Familienunternehmen will davon profitieren, dass immer mehr Menschen fasten. Knapp zwei Drittel gaben vergangenes Jahr in einer Umfrage der Krankenkasse DAK an, Verzicht zu üben. 2012 war es nur die Hälfte der Befragten. Zudem liegen Fastenjoghurts oder -suppen im Trend.

Umsatzeinbruch in der Pandemie

Die Idee zur Fastenbox reifte kurz nach Ausbruch der Pandemie. Die Belegungszahlen gingen wegen der Coronabeschränkungen zurück. „Die Reiseangst war das größte Gift für uns“, sagt Wilhelmi. 2020 brach der Umsatz der Fastenklinik laut Bundesanzeiger um ein Drittel auf 30 Millionen Euro ein, unter dem Strich stand ein Verlust von 261.000 Euro.

2021 blieben die Umsätze mit 44 Millionen und der Jahresüberschuss mit fünf Millionen Euro unter dem Vor-Pandemie-Niveau. Im abgelaufenen Jahr habe sich der Umsatz wieder auf dem Level von 2019 bewegt, so Wilhelmi – also bei rund 46 Millionen Euro.

Auf das neue Jahr blickt der Klinikchef trotz der allgemeinen Krisen zuversichtlich. Die Buchungslage sei gut. Wegen der inflationsbedingten Kostensteigerungen habe es zwar den ein oder anderen gegeben, der seinen Aufenthalt verschoben habe. Viele Gäste hätten aber bekräftigt, gerade in dieser unsicheren Zeit nicht am Klinikaufenthalt sparen zu wollen, berichtet Wilhelmi.

„Wir machen die Erfahrung, dass die Menschen nach einer sinnerfüllten Auszeit suchen – und nach Maßnahmen, wie sie ihren Stress in einen positiven Impuls umkehren können.“ Er merke, dass die Besucher aufgrund der Krisen Werkzeuge an die Hand bekommen wollten, mit denen sie ihre Widerstandsfähigkeit trainieren könnten.

Mehr medizinische Angebote

Wilhelmi, der den Familienbetrieb 2019 von seinem Vater übernommen hat, will das adressieren, indem er das medizinische Angebot der Klinik stärkt: Er hat neue Spezialisten etwa für Akupunktur oder Osteopathie eingestellt, kooperiert mit einer Schlafklinik und hat ein Yoga-Meditationsstudio gebaut.

„Fasten reicht unseren Gästen mittlerweile nicht mehr aus. Wir müssen drumherum ein attraktives Paket schnüren.“ Die Besucher wollten ihre Zeit in der Klinik auch etwa für Diagnostik-Check-ups nutzen.

Das Familienunternehmen hat im abgelaufenen Jahr einen mittleren siebenstelligen Betrag in die Modernisierung der Anlage in Überlingen investiert. Ein Architekt aus Mailand, der zu den Stammgästen der Klinik gehört, hat die Räume optisch überarbeitet. Die Ärztezimmer, der Speisesaal und die Küchen wurden erneuert.

In diesem Jahr feiert nicht nur die Einrichtung in Überlingen Jubiläum. Die Schwesterklinik im spanischen Marbella wird 50 Jahre. Sie wird von Leonard Wilhelmis Bruder Victor und der gemeinsamen Cousine Katharina Rohrer-Zaiser geleitet.

Forschung übers Fasten

In wirtschaftlicher Hinsicht will das Familienunternehmen nicht fasten, doch die Expansionspläne sind durch die Krisen gebremst. „Wir wollen uns zunächst auf unsere beiden existierenden Standorte konzentrieren“, sagt Leonard Wilhelmi. Die Erweiterung auf einen dritten Standort möchte er nicht ausschließen – „aber frühestens dann, wenn die Welt in wirtschaftlich ruhigeres Fahrwasser kommt“.

Die Einrichtung besteht seit 70 Jahren und wurde zuletzt modernisiert. Buchinger-Wilhelmi

Fastenklinik am Bodensee

Die Einrichtung besteht seit 70 Jahren und wurde zuletzt modernisiert.

Für Kritiker ist Wilhelmis Geschäft körperliche Rundumerneuerung durch Esoterik. Er versucht dem mit wissenschaftlichen Studien entgegenzuwirken. Seit Jahren arbeitet das Familienunternehmen mit europäischen Forschungseinrichtungen wie der Berliner Charité zusammen.

Zuletzt habe man zeigen können, dass eine Fettleber durch Fasten geheilt werden könne, so Wilhelmi. Auch Long-Covid-Erkrankungen könnten so abgeschwächt werden. „Für uns als Mittelständler ist solche Forschung extrem teuer. Doch wir wollen den Menschen den Nutzen des Fastens fundiert zeigen.“ Die Ergebnisse werden auf der Homepage und auf Youtube kostenlos präsentiert.

Aufgrund der steigenden Kosten sieht sich Wilhelmi gezwungen, seine Preise anzuheben. Im Schnitt werden die Aufenthalte um acht Prozent teurer. Bei dem Thema müsse man aber vorsichtig sein, sagt er: „Wir haben zwar viel investiert, dürfen unsere Stammgäste aber nicht mit zu hohen Preisen verschrecken.“

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