Ursprünglich suchte Otto für die deutsche Tochter einen strategischen Partner. Nun greift der Finanzinvestor Advent zu – und kündigt Investitionen an.
Paketbote von Hermes
In Deutschland ist das Geschäft von Hermes weiterhin defizitär.
Bild: imago images / Schšning
Düsseldorf, Frankfurt Seit rund zwei Jahren sucht der Versandhändler Otto Group nach einem Partner für den Paketdienst Hermes. Nun kann das Unternehmen Vollzug melden: Der Finanzinvestor Advent beteiligt sich finanziell sowohl an der deutschen als auch an der britischen Tochter des Logistikers.
In Großbritannien übernimmt Advent sogar die Mehrheit und wird künftig 75 Prozent an Hermes UK halten. In Deutschland dagegen steigt der Investor nur mit 25 Prozent bei Hermes ein. Der Deal steht jedoch noch unter dem Vorbehalt der Freigabe durch die Gremien sowie der entsprechenden Kartellbehörden. Ein Kaufpreis wurde nicht genannt. Branchenkreisen zufolge soll er aber bei mehr als einer Milliarde Euro gelegen haben.
Die Hermes-Gruppe hat im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro gemacht, das war ein Wachstum von neun Prozent. Schätzungsweise Zwei Drittel davon wurden in Deutschland und Großbritannien erwirtschaftet. Im Geschäftsjahr 2019/20 hat das Unternehmen in den beiden Ländern 760 Millionen Sendungen transportiert.
Die Finanzierung des Deals war für Advent offenbar kein größeres Problem. „Das Kapital für unser Investment in Hermes kommt aus dem aktuellen Advent Fond Global Private Equity 9, der vornehmlich in europäische und nordamerikanische Unternehmen investiert und über ein Gesamtvolumen von rund 17.5 Milliarden Dollar verfügt“, sagte Advent-Deutschlandchef Ranjan Sen dem Handelsblatt.
Ursprünglich hatte Otto zumindest für das Deutschlandgeschäft als Partner einen „großen strategischen Investor“ gesucht, wie Otto-Chef Alexander Birken bei der Bilanzvorlage im April bestätigte, und war auch dort bereit, die Mehrheit abzugeben. Am weitesten gediehen waren die Gespräche mit dem US-Logistikriesen Fedex, wie aus Branchenkreisen zu hören war. Doch diese Verhandlungen haben sich offenbar zerschlagen.
Noch vor wenigen Wochen zählte Fedex zu den Kaufinteressenten von Hermes Deutschland, wie mehrere Brancheninsider unabhängig voneinander berichten. Doch die Amerikaner winkten inzwischen ab – wohl auch, weil die vor vier Jahren abgeschlossene Milliardenübernahme des niederländischen Wettbewerbers TNT immer noch nicht verdaut ist. Offenbar gab es auch keine Einigung über den Kaufpreis für das defizitäre Deutschlandgeschäft.
Vor der Blamage, in Deutschland nun komplett ohne einen Käufer dazustehen, bewahrte Otto am Ende der Finanzinvestor Advent. „Es ist wahrscheinlich, dass der Finanzinvestor das profitable Großbritannien-Geschäft nur unter der Bedingung erhielt, auch einen Anteil am Deutschland-Geschäft zu erwerben“, vermutet Horst Manner-Romberg, Chef der Hamburger Logistikberatungsfirma MRU.
Das Geld, das Hermes durch den Advent-Einstieg zufließt, kann der Logistikkonzern in Deutschland gut gebrauchen. „Es gibt Regionen, in denen die Otto-Tochter nur schwach mit eigenen Umschlagstellen vertreten ist“, berichtet Manner-Romberg. Entsprechend sei nun mit dem Bau neuer Hubs zu rechnen. Ein Otto-Sprecher dagegen betonte, Hermes Deutschland sei flächendeckend vertreten, der lange geplante Hochlauf der Hubs sei fast abgeschlossen.
Auch für die eigene Transportflotte, die mit 1000 Elektrofahrzeugen von Mercedes ergänzt werden soll, steht durch den Einstieg frisches Geld zur Verfügung. Zu den Profiteuren könnten zudem die Paketfahrer zählen. Schon vor einiger Zeit kündigte Hermes an, für Subunternehmen einen zusätzlichen dreistelligen Millionenbetrag ausgeben zu wollen.
Nicht zuletzt die massiv gestiegene Nachfrage nach Logistikdienstleistungen seit Beginn der Coronakrise hatte Otto deutlich vor Augen geführt, dass massiv in den Ausbau der Kapazitäten investiert werden muss, um im Markt eine relevante Rolle spielen zu können. „Die Partnerschaft mit Advent gibt beiden Gesellschaften weiteren Spielraum für wichtige Investitionen und schafft damit optimale Voraussetzungen für weiteres Wachstum“, sagt Kay Schiebur, Otto-Group-Vorstand für den Bereich Services.
Mit Advent hat Otto immerhin einen Partner gefunden, der auch über Expertise im Logistikgeschäft verfügt. So hält Advent die Mehrheit am polnischen Logistikunternehmen Integer Group, der auch in Großbritannien tätig ist. Außerdem ist Advent auch im Handel engagiert und hielt einige Zeit beispielsweise die Mehrheit an der Parfümeriekette Douglas. „Wir bringen neben weiterem Wachstumskapital auch tiefes Sektor Knowhow mit“, betont Advent-Deutschlandchef Sen.
Die operative Führung beider Hermes-Gesellschaften wird auch nach dem Einstieg von Advent vom jeweils aktuellen Management fortgeführt. Otto behält in beiden Ländern Einfluss auf die Unternehmen. So hat sich der Versandhändler auch in Großbritannien trotz des Rückzugs auf einen Minderheitsanteil vertraglich ein Mitspracherecht bei wichtigen strategischen Entscheidungen gesichert, wie das Unternehmen mitteilte.
Advent und Otto pflegen schon lange Jahre Kontakt. So hat der Finanzinvestor 2017 Otto gemeinsam mit Bain Capital den Zahlungsdienstleister Ratepay abgekauft. Bereits da habe der Investor gut mit Otto zusammengearbeitet, betonte Advent-Manager Sen. „Wir freuen uns darauf, diese Beziehung zu vertiefen und das Potenzial von Hermes in diesem wettbewerbsintensiven und schnell wachsenden Geschäftsfeld mit unserer Branchenexpertise weiter zu steigern“, erklärte Sen.
Auch für Advent ist der Hermes-Kauf ein Prestige-Erfolg. „Wir freuen uns sehr über das Vertrauen einer großen deutschen Handels-Familie in Advent als Partner“, sagte Sen. „Wir sind eine ähnliche Partnerschaft mit der Kreke-Familie im Rahmen der Douglas-Transaktion eingegangen.“
Angesichts schmaler Erträge bei Hermes hatte sich die Partnersuche jedoch lange als schwierig erwiesen. Im vergangenen Jahr ist der Bereich Services der Otto Group, der weitgehend aus dem Logistikgeschäft von Hermes besteht, in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt, was die Partnersuche offenbar wieder erleichterte.
In Deutschland jedoch ist das Geschäft von Hermes weiterhin defizitär. Der Bereich sei aber „auf gutem Weg“, wie Otto-Finanzvorständin Petra Scharner-Wolff bei der Bilanzvorlage gesagt hatte. Branchenkreisen zufolge sollen die Verluste in Deutschland zuletzt in zweistelliger Millionenhöhe gelegen haben. Interne Planungen sehen nun vor, den Bereich innerhalb von zwei Jahren in die schwarzen Zahlen zu führen.
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