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27.01.2022

15:25

Fleischbranche

Streit über Lohnkosten: Land muss Tönnies-Subfirmen Corona-Entschädigung zahlen

Von: Michael Verfürden

Trotz Kritik wollen Fleischunternehmen Geld vom Land zurück. Nun hat ein Gericht den ersten Klägern recht gegeben.

Das Urteil dürfte Signalwirkung haben. imago images/Kirchner-Media

Fleischwerk von Tönnies

Das Urteil dürfte Signalwirkung haben.

Düsseldorf Im Streit über Lohnkostenerstattungen für den Fleischkonzern Tönnies und seine ehemaligen Subfirmen hat erstmals ein Gericht entschieden. Das Verwaltungsgericht Minden hat am Mittwoch den Klagen auf Entschädigung von zwei Zeitarbeits- und Dienstleistungsfirmen stattgegeben (Az. 7a K 424/21). Das bestätigte eine Sprecherin dem Handelsblatt.

Im Mittelpunkt des Streits steht die Frage, ob die Branche eine Mitschuld an den Corona-Ausbrüchen in ihren Werken trägt. Der Schlachtkonzern Tönnies und einige Subfirmen hatten trotz massiver Kritik Anträge auf Entschädigung gestellt, nachdem die Behörden das Tönnies-Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück im Sommer 2020 für vier Wochen geschlossen hatten. Hintergrund war ein massiver Corona-Ausbruch, bei dem sich mehr als 1000 Arbeiter des Werks nachweislich mit dem Coronavirus infiziert hatten.

Zuständig für die Bearbeitung der Anträge auf Lohnkostenerstattung ist der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Das Infektionsschutzgesetz sieht grundsätzlich die Erstattung von Lohnkosten vor, wenn Gesundheitsämter Betriebe schließen und Quarantäne anordnen. Die Löhne müssen vorerst von den Unternehmen bezahlt werden und können bis zu einem Jahr rückwirkend erstattet werden.

Das nordrhein-westfälische Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) hatte die Behörde im Streit mit Tönnies und seinen Subfirmen jedoch angewiesen, eine Entschädigung abzulehnen, wenn es durch „die Nichtbeachtung der bestehenden Schutzpflichten des Arbeitgebers zu einer Infektion mit dem Coronavirus“ gekommen ist.

Das MAGS berief sich dabei auf ein Rechtsgutachten, welches das Ministerium zuvor eingeholt hatte. Ende 2020 lehnte das LWL dann die ersten Anträge aus der Fleischbranche ab – zumindest teilweise zu Unrecht, wie das Verwaltungsgericht Minden nun entschied.

4500 Verfahren anhängig

Konkret ging es in den mündlichen Verhandlungen um die Dienstleister Best. Promo Distrib S.R.L. und Ni.Ke. Fleischverarbeitung GmbH, die für Tönnies tätig waren. Eine dritte Entscheidung betrifft die P.P.S. Partner Personal Service GmbH Paderborn, die jedoch nicht in der Fleischbranche tätig ist. Auch ihrer Klage gab die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Minden statt.

Zu den Urteilsgründen nannte eine Sprecherin des Gerichts keine Details. Diese seien auch den Beteiligten noch nicht bekannt gegeben worden, hieß es am Donnerstag. Allein beim Verwaltungsgericht Minden seien nun noch mehr als 4500 Verfahren betreffend Entschädigungsverfahren anhängig. Mehr als 3000 sind es nach Auskunft eines Sprechers etwa beim Verwaltungsgericht in Münster.

Ende 2020 lagen landesweit etwa 50.000 Entschädigungsanträge vor, 2200 davon im Zusammenhang mit dem Schlachtkonzern Tönnies. Dabei ging es um mehrere Millionen Euro. Schon damals hatte das MAGS mitgeteilt, dass der Fall juristisches Neuland sei und eine sorgfältige rechtliche und tatsächliche Prüfung „aller relevanten Fragen“ erforderlich mache.

Ob das Land Nordrhein-Westfalen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden hinnimmt, ist fraglich. Notfalls, das haben beide Seiten bereits in der Vergangenheit angedeutet, würden sie den Streit bis vor das Bundesverwaltungsgericht tragen.

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