PremiumDie Berliner Gründer von Project Eaden geben erstmals Einblick, wie sie Fleischersatz mit Textiltechnik zum Durchbruch verhelfen wollen. Damit überzeugten sie bekannte Investoren.
Pflanzliches Steak von Project Eaden
Das Berliner Food-Tech präsentiert sein pflanzliches Fleischimitat aus gesponnenen Fasern (in der Mitte).
Düsseldorf Die Maschine spinnt Fäden aus einer Masse pflanzlicher Proteine, mit 0,2 Millimeter Durchmesser dünner als Zwirn. Rund 250 Fasern werden auf einer rotierenden Spule wie Muskelstränge gebündelt und mit pflanzlichen Fetten kombiniert. So entsteht rot-weiß marmoriertes Fleischimitat, das von Optik und Textur kaum vom tierischen Original zu unterscheiden ist.
„Wir bauen Fleisch erstmals Faser für Faser nach und nutzen dafür erprobte und einfach skalierbare Technologien aus der Textilindustrie“, erklärt David Schmelzeisen, 32, promovierter Materialwissenschaftler und Mitgründer von Project Eaden. Dem Handelsblatt gewährt das Berliner Food-Tech erstmalig Einblicke in seine Technologie, die bisher Investoren vorbehalten waren.
Die Bündel gesponnener Fäden aus Pflanzenproteinen sollen das Bissgefühl erzeugen, auf das der Mensch konditioniert ist. Project Eaden will pflanzlichen Fleischersatz damit auf eine neue Stufe heben, der Marktstart soll spätestens Anfang 2024 erfolgen. Investor und Veggie-Fleisch-Pionier Godo Röben, Ex-Manager der Rügenwalder Mühle, spricht von einem „bahnbrechenden Projekt“.
Der Fleischkonsum sinkt hierzulande seit Jahren – von 62,8 Kilo pro Kopf 2011 auf 55 Kilo im Jahr 2021. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Tierwohl, Klima- und Umweltschutz und Gesundheit geraten immer mehr ins Bewusstsein. Der große Durchbruch von pflanzlichem Fleischersatz ist bislang aber ausgeblieben. 2021 wurden in Deutschland Fleischprodukte für 35,6 Milliarden Euro hergestellt – etwa das 80-Fache des Werts von Fleischersatzprodukten.
Veggie-Fleisch ist oft noch teurer. Verbraucher bemängeln zudem vielfach die gummiartige Konsistenz von Tofuschnitzel oder Seitannuggets. Große Fleischstücke mit Muskelstruktur wie Steak sind bisher schwer zu imitieren. Pflanzliche Fleischalternativen werden meist im sogenannten Extruder hergestellt: Unter hohem Druck und Temperatur werden dabei dickflüssige Massen über eine Schraube befördert und durch kleine Öffnungen gepresst.
„Heraus kommt nicht selten eine zähe Konsistenz wie Brotteig“, meint Jan Wilmking, der mit Mymuesli-Gründer Hubertus Bessau Project Eaden aufgebaut hat. „Durch Hitze und Hochdruck entstehen bei der Extrusion zudem ungewollte Nebengeschmäcker von sehr süß bis bitter“, erläutert der 43-Jährige, der zuvor bei McKinsey und Zalando arbeitete. Beim Modehändler traf er den Materialwissenschaftler Schmelzeisen.
„Geschmack, Textur und Aussehen von pflanzlichem Fleischersatz sind bisher nicht überzeugend“, meint auch Carl Fritjofsson, General Partner bei Investor Creandum. Project Eaden habe deshalb das Potenzial, die Branche grundlegend zu verändern. Creandum führte die hohe Seed-Runde an, die im Juni acht Millionen Euro einbrachte. Dazu zählen bekannte Investoren wie Food Labs, Shio Capital, Trellis Road und Business-Angel wie Röben. Im Dezember erhöhten Food Labs und Magnetic ihr Investment um 2,1 Millionen Euro.
„Die erprobte Fasertechnologie, die wir zum ersten Mal auf Lebensmittel aus essbaren Proteinfasern adaptiert haben, haben bereits Textilindustrie, Luft- und Raumfahrt und Implantatmedizin revolutioniert“, führt Schmelzeisen aus. Die Verfahren seien über Jahrzehnte auf niedrige Kosten, hohen Durchsatz und flexiblen Einsatz optimiert.
Gründer von Project Eaden
David Schmelzeisen, Hubertus Bessau und Jan Wilmking (v.l.) wollen durch Fasertechnik aus der Textilindustrie pflanzlichem Fleischersatz zum Durchbruch verhelfen.
„Die Fasern können wir hinsichtlich Elastizität, Wasserbindung und Festigkeit sehr präzise und individuell designen“, erklärt Wilmking. Viele Details verraten die Gründer nicht, nur: Die Konsistenz der Proteinmasse variiere zwischen Honig, stichfestem Joghurt bis zu Teig. Die Fasern werden meist bei Zimmertemperatur ausgesponnen. Um einzelne Komponenten etwa mit pflanzlichem Bindegewebe zu vernetzen, sind bis zu 80 Grad nötig.
Mehr als ein Jahr hat das Team aus Textilexperten, Lebensmitteltechnologen und Köchen am Steakimitat getüftelt. Zwar sah das Fleisch bald täuschend echt aus. „Doch als wir die ersten Prototypen in der Pfanne brieten, sind sie zerflossen“, erzählt Wilmking. „Die nächsten Steaks schmeckten wie trockener Tafelspitz.“ Heute sei eine krosse Kruste möglich und das Pflanzensteak bleibe innen saftig, demonstrieren sie im Video.
>> Lesen Sie hier: Chef der Rügenwalder Mühle: „Wir wollen auch bei kultiviertem Fleisch ein Vorreiter sein“
Im Februar bezieht das 20-köpfige Team in Berlin ein eigenes Technikum mit 450 Quadratmetern Labor, Produktion und Küche. Spezialmaschinenbauer fertigten dafür größere Maschinen. „Alle Prototypen stellen wir selbst her. Wir wollen schnell sein.“
Denn schon Ende dieses Jahres oder Anfang des kommenden wollen die Berliner ihr gesponnenes Pflanzensteak als eigene Marke herausbringen. Offen ist, ob zunächst in Restaurants oder Web-Shop. „Unser Produkt soll besser schmecken, aber weniger kosten als bisheriger Fleischersatz“, lautet die ehrgeizige Ansage. Mittelfristig wollen sich die Gründer neben Deutschland große dynamische Fleischmärkte wie Großbritannien und die USA anschauen.
Der globale Markt für pflanzlichen Fleischersatz könnte von 4,2 Milliarden Dollar 2021 auf bis zu 118 Milliarden Dollar im Jahr 2030 steigen, prognostiziert Bloomberg. Wie schnell tierische Stoffe durch gute Imitate ersetzt werden, zeige Wilmking zufolge das Beispiel Leder.
Project Eaden ist nicht das einzige Food-Tech, das Konsistenz und Akzeptanz von Pflanzensteak verbessern will. Zur Konkurrenz zählen Juicy Marbels aus Slowenien und Novameat aus Spanien. Sie nutzen 3D-Druck wie auch Redefine Meat, Das israelische Food-Tech hat mehr als 170 Millionen Dollar eingesammelt und verkauft bereits gedruckte Steaks. Den 3D-Druck halten die Gründer von Project Eaden indes für wenig geeignet für eine optimale Fleischstruktur.
3D-Fleisch-Drucker
Das israelische Food-Tech Redefine Meat stellt Steak im 3D-Druck-Verfahren her. Die Produkte werden bereits in Europa vermarktet.
Bild: Reuters
In den USA arbeitet Tender Foods ähnlich wie Project Eaden an pflanzlichen Fasern und Sehnen, dahinter stehen Forscher aus Harvard. „Die komplexe Textur und das Mundgefühl von ganzen Fleischstücken wie Steak nachzubilden ist eine große Herausforderung“, erklärt Seren Kell, Wissenschafts- und Technologiemanagerin beim Good Food Institute Europe. „Innovationen wie das Faserspinnen spielen eine entscheidende Rolle bei der Überwindung dieser Hindernisse.“
Sorge, dass Textil- oder Lebensmittelkonzerne ihre Methode schnell kopieren, haben die Berliner Gründer nicht: „Das lässt sich nicht so einfach nachbauen, zumal wir zentrale Prozesse schützen lassen.“ Produktentwicklung und Herstellung wollen sie in ihrer Hand behalten. Zukünftig können sie sich auch eine Lizenzierung vorstellen, ähnlich wie bei Coca-Cola.
Zunächst fokussiert sich Project Eaden auf Rindfleischersatz. Zucht und Haltung von Kühen gilt als besonders klimaschädlich. Andere Fleischarten seien ebenso spinnbar wie Fleischimitat mit verschiedenen Geschmacksebenen außen und innen. Neben pflanzlichen Rohstoffen seien auch andere Materialien denkbar – etwa im Labor gezüchtete Fleischzellen, deutet Schmelzeisen an: „Mit unserer Spinnmethode lassen sich ganz neue Lebensmittel erschaffen.“
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