Der Vermögensverwalter Attestor will insgesamt 450 Millionen Euro Kapital zur Verfügung stellen. Mit dem frischen Geld soll der Neustart gelingen.
Frankfurt Der kriselnde Ferienflieger Condor hat einen neuen Mehrheitseigner: Der Vermögensverwalter Attestor übernehme 51 Prozent der Anteile, teilte die Fluggesellschaft am Donnerstag mit. Er bringe 200 Millionen Euro frisches Eigenkapital ein und habe sich zu weiteren 250 Millionen Euro Eigenkapital zur Modernisierung der Condor-Langstreckenflotte verpflichtet. Sämtliche 4050 Arbeitsplätze blieben erhalten, hieß es.
„Wir denken unternehmerisch, wir glauben an die starke Marke, an die Nische des Geschäftsmodells und an die starke Mannschaft“, sagte Friedrich Andreae von Attestor am Abend in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz: „Wir wollen Condor als den führenden Ferienflieger in Europa etablieren.“
Der Attestor-Fonds wurde 2012 gegründet und betreut nach eigenen Angaben derzeit ein Vermögen von rund 5,5 Milliarden Euro. Das Kapital stamme überwiegend von Universitätsstiftungen und Family Offices, sagte Andreae. Diese Investoren seien langfristig orientiert. Der Attestor-Manager versuchte damit, Sorgen zu zerstreuen, dass Condor von einem klassischen und eher kurzfristig ausgerichteten Finanzinvestor übernommen wird.
Seit der Gründung habe der Vermögensverwalter noch keine Mehrheitsbeteiligung wieder abgegeben, so Andreae: „Wir sind ein sogenannter Evergreen-Fonds. Unser Fonds läuft nicht aus, wir können Investitionen so lange halten, wie wir es für richtig halten.“
Gleichzeitig kündigte Andreae an, auch die verbleibenden 49 Prozent an der Airline, so schnell es geht, übernehmen zu wollen. Sie werden vorerst weiter von der SG Luftfahrtgesellschaft im Auftrag vom Bund und dem Land Hessen gehalten.
Der Bund und das Land Hessen, die Condor mehrfach mit Darlehen geholfen haben, werden sich wohl auch an diesem Deal beteiligen. In welcher Form, ist allerdings noch offen. Das hänge nicht zuletzt von der beihilferechtlichen Zustimmung der EU-Kommission ab, sagte Christoph Debus, Finanzchef von Condor. In Branchenkreisen wird vermutet, dass der Bund und das Land Hessen als Starthilfe einen Teil des KfW-Darlehens stornieren oder zumindest zeitlich strecken könnten.
Ralf Teckentrup, der langjährige CEO von Condor, zeigte sich sichtlich erleichtert über die Transaktion: „Die Krise dauert länger, als wir erwartet haben“, sagte er. „Und ein Kredit des Bundes und des Landes Hessen ist nun mal endlich.“ Man sei sich mit Attestor komplett einig, was die langfristige Strategie der Condor angehe.
Attestor selbst will sich laut Andreae strategisch so wenig wie möglich einmischen. Der Fonds besitzt zwar Anteile am Autovermieter Europcar und an einigen Hotels. Aber in der Luftfahrt habe man bisher keine Erfahrungen sammeln können. Attestor sehe sich hier eher in der Rolle eines Aufsichtsrats, sagte Andreae.
Gleichzeitig bedankte sich Teckentrup für die Unterstützung der Gewerkschaften in den letzten 20 Monaten. Das gelte auch für die Veranstalter, die Condor immer die Treue gehalten hätten. In den letzten Tagen wurde in verhandlungsnahen Kreisen berichtet, dass der neue Eigentümer von den Arbeitnehmervertretern Zugeständnisse verlangt habe. Das wurde auf Investorenseite jedoch zurückgewiesen. Allerdings gelten die Tarifverträge, die in der Krise Anfang 2020 geschlossen wurden und die signifikante Beiträge etwa des Kabinenpersonals und der Piloten beinhalten, nun weiter.
Schon vor einigen Wochen wurde bekannt, dass Condor weitere finanzielle Hilfen benötigt. Seitdem liefen Gespräche über die Möglichkeiten einer weiteren Finanzierung mit der Bundesregierung und interessierten Investoren. Angesichts der anhaltenden Coronakrise und der Reisebeschränkungen geriet das Unternehmen zuletzt immer mehr unter Zeitdruck, eine Lösung zu finden.
Laut Finanzchef Debus waren neun Investoren in den Wettbewerb eingestiegen. „Wir hatten am Ende drei bindende Angebote“, sagte Debus. Letztlich habe sich Attestor durchsetzen können. Die Entscheidung werde auch vom Bund und dem Land Hessen unterstützt.
Condor ist seit der Insolvenz der ehemaligen Muttergesellschaft Thomas Cook im Jahr 2019 in einer schwierigen Lage. Große Teile der Liquidität der Tochterfluggesellschaften lagen damals bei der Konzernmutter. Die Airline musste in ein Schutzschirmverfahren gehen, vergleichbar mit dem Chapter-11-Verfahren in den USA. Um das Überleben zu sichern, gaben der Bund und das Land Hessen einen ersten Überbrückungskredit.
Ende 2019 fand sich dann mit der polnischen PGL, der Mutter der Airline Lot, ein Käufer. Dann kam Corona, PGL sprang ab und Condor musste erneut um staatliche Hilfen bitten. Damals erhielt die Fluggesellschaft nochmals Finanzhilfen mit einem Volumen von 550 Millionen Euro.
Einen Teil des Geldes nutzte das Management allerdings, um den ersten Überbrückungskredit zu tilgen. Das verbliebene Geld – 250 Millionen Euro als reine Corona-Hilfen – ist mittlerweile aufgebraucht. Die Kosten laufen aber weiter und gerade für den absehbaren Hochlauf des Urlaubsgeschäfts benötigen Airlines viel Kapital. Condor hat zudem eine veraltete Flotte, Thomas Cook hatte mangels Geld lange Zeit nicht in neues Fluggerät investiert.
Andreae zeigte sich überzeugt, dass Condor nun gute Chancen habe – trotz eines weiterhin hohen Wettbewerbs in der Luftfahrt. „Wenn man dreimal K.O. geschlagen wurde und immer noch dasteht, zeugt das von der guten Qualität eines Unternehmens.“ Alle würden von einem zweiten starken Carrier im Ferienfluggeschäft neben Lufthansa profitieren.
Lufthansa will selbst stark in das Geschäft mit Privat- und Urlaubsreisenden expandieren. Europas größte Airline-Gruppe hatte deshalb einen Kooperationsvertrag mit Condor gekündigt, der Zubringer- und Verteilerflüge für die Condor-Jets etwa in Frankfurt regelt. Lufthansa will zunächst die eigenen Flugzeuge füllen. „Das hat uns einige schlaflose Nächte bereitet“, räumte Andreae ein.
Doch nach teils deutlicher Kritik seitens der EU und auf Drängen der Bundesregierung hat die Lufthansa diesen Vertrag vor wenigen Tagen bis Mai kommenden Jahres verlängert. Condor braucht die Zubringerflüge, um die Flugzeuge zu füllen. Mit knapp 50 Flugzeugen verfügt die Airline nicht über ein ausreichendes Netz an eigenen Zubringerdiensten.
Mit Material von dpa und Reuters
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