Die „MSC Zoe“ hat in der Nordsee Hunderte Container verloren. Doch wie gefährlich sind sie wirklich? Und wie ist die Lage an den Küsten? Ein Überblick.
Den Helder/Bremerhaven Die „MSC Zoe“ hat in der Nacht auf Mittwoch auf dem Weg vom belgischen Antwerpen nach Bremerhaven rund 270 Container in stürmischer See verloren. „Die endgültige Zahl der Container wird sich erst bei der Zählung in Bremerhaven herausstellen“, sagte ein Sprecher des Havariekommandos in Cuxhaven am Donnerstag. Das könne einige Tage dauern.
Das Schiff legte in der Nacht auf Donnerstag in Bremerhaven an. Die „MSC Zoe“ der Reederei Mediterranean Shipping Company aus der Schweiz ist mit mehr als 394 Metern Länge eines der größten Containerschiffe der Welt und fährt unter der Flagge von Panama. Sie kann mehr als 19.000 Standardcontainer laden.
Die Einsatzleitung liegt beim Havariekommando in Cuxhaven. Ein Hubschrauber der Bundespolizei und ein Öl-Überwachungsflugzeug suchen das Gebiet nordwestlich der Nordseeinsel Borkum weiträumig ab. Auch Schiffe wurden ins Einsatzgebiet geschickt. Die Reederei setzt Spezialschiffe mit Sonartechnik ein.
Bei der Suche nach den Containern unter Wasser soll am Freitag das Spezialschiff „Wega“ vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) helfen. Grundsätzlich ist es möglich, Container mit GPS-Technologie zu versehen, Standard ist das aber nicht.
In deutschen Gewässern wurden bisher zehn Container gesichtet, allerdings konnte nur einer von ihnen gesichert werden, wie das Havariekommando mitteilte. Die anderen neun seien aus der Luft aus sichtbar gewesen. Sie waren allerdings bereits gesunken, als ein Schiff ihre Position erreichte.
Einige der Container sind gefährlich. „Bisher können wir bestätigen, dass maximal drei Container mit Gefahrgut über Bord gegangen sind“, sagte ein Sprecher des Havariekommandos. „Diese Container wurden noch nicht gefunden.“
Einer der Container enthalte Dibenzoylperoxid, das in der Kunststoffproduktion eingesetzt wird. Die Chemikalie dient zur Härtung von Harzen oder als Bleichmittel für Öle, Fette und Wachse. Im Extremfall kann sie bei großer Hitze explodieren.
An der niederländischen Wattenmeer-Insel Schiermonnikoog wurde ein Sack mit etwa 25 Kilogramm giftigem Puder entdeckt. Nach ersten Erkenntnissen handelt es sich um einen Stoff aus der Gruppe der Peroxide, meldeten die Behörden der Provinz. Die Substanz werde nun untersucht. Tests sollen ergeben, welcher Stoff genau es ist. „Wenn die Verpackung nicht hält, wird der Stoff sicherlich zu ernsthaften Schäden für die Tiere führen“, sagte Chemie-Experte Manfred Santen von Greenpeace Deutschland bei Radio Bremen.
Das Havariekommando in Cuxhaven warnt davor, am Strand gefundene Container, Containerteile oder Gegenstände zu berühren. Auch für den Schiffsverkehr stellen die großen Behälter ein Risiko dar.
Besondere Wachsamkeit herrscht in Deutschland an der ostfriesischen Küste, für die Insel Borkum gilt eine Warnmeldung. Bisher wurde an der deutschen Nordseeküste noch kein Container angespült. Jedoch tauchte an friesischen Stränden am Donnerstag immer mehr Treibgut auf, darunter auch Gefahrenstoffe. Am Freitagmorgen werden die Strände von Borkum, Juist und Norderney erneut auf mögliche Anlandungen abgesucht.
Auf den niederländischen Wattenmeer-Inseln Vlieland, Terschelling und Ameland wurden laut der niederländischen Küstenwache mehr als 20 Container entdeckt. Die Strände der niederländischen Wattenmeer-Inseln sind inzwischen übersät vom Inhalt der Container. Angespült wurden unter anderem Auto-Ersatzteile, Ikea-Möbel, Kühlschränke, Fernseher, Spielzeug, Plastik-Seifenspender und OP-Kleidung.
Die Niederlande setzen für die Aufräumarbeiten an ihren Stränden die Armee ein. Soldaten sollen schnell dorthin geschickt werden, wie das Verteidigungsministerium in Den Haag mitteilte. Die Bürgermeister der Inseln Terschelling und Schiermonnikoog hatten um Hilfe gebeten: Ehrenamtliche könnten es allein nicht schaffen.
„MSC nimmt den Vorfall sehr ernst, sowohl in Hinsicht auf die Folgen solcher Unfälle für die natürliche Umwelt als auch hinsichtlich der Schäden bei der Fracht der Kunden“, teilte die MSC Reederei mit Sitz in Genf am Mittwochabend auf ihrer Homepage mit.
Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Es muss zügig geklärt werden, wie das in dieser Dimension passieren konnte.“ Der SPD-Politiker nannte es „nicht erklärlich“, dass auch Tage nach dem Unglück nicht bekannt sei, wie viele Container genau das Frachtschiff verloren hat – insbesondere Gefahrgutcontainer.
Lies hält es für denkbar, Container zum Beispiel mit Sendern auszustatten, um sie notfalls besser orten zu können. Man müsse sich sehr gut überlegen, ob es nicht mindestens für die Gefahrgut-Container andere Möglichkeiten für ein möglichst schnelles Auffinden im Havariefall gebe. „Da, denke ich, müssen wir dringend ran“, sagte der Minister dem Radiosender FFN in Hannover. Zu klären sei auch, ob Gefahrgut-Container möglicherweise nicht mehr am Rand oder oben auf dem Schiff gelagert werden sollten.
Auch die Umweltorganisation Greenpeace macht sich für eine solche Lösung stark. Dem NDR sagte Manfred Santen, technisch sei es kein Problem, solche Systeme einzubauen. Sie sollen dafür sorgen, dass Container mit gefährlichen Stoffen auch unter Wasser schnell gefunden und geborgen werden können. Es gebe großen Nachholbedarf, erklärte der Greenpeace-Experte.
Dass Container über Bord gehen, ist keine Seltenheit. So war Ende 2016 Fracht an die Strände von Wangerooge, Spiekeroog, Langeoog und Norderney getrieben worden. Abertausende Überraschungseier sorgten damals auch international für Schlagzeilen.
Nach Angaben des Verbands Deutscher Reeder kommt es jedoch selten vor, dass ein Schiff Hunderte Container verliert. „Ich kann mich nicht an einen ähnlichen Vorfall in der Nordsee erinnern“, sagte ein Sprecher des Havariekommandos in Cuxhaven.
Damit Container an Bord nicht verrutschen, werden sie am Schiffsboden oder am Lukendeckel fixiert und untereinander verbunden. Unter Deck werden sie in Zellengerüste geschoben, die Container passen genau in die Struktur. Auf Deck werden die Container mit handballgroßen Verriegelungen fixiert – jeder Container hat an seinen vier Ecken eine Vorrichtung, mit der er ans Schiff oder andere Container angeschlossen wird. Ob die vorgeschriebenen Standards eingehalten werden, wird nach Angaben des Verbands Deutscher Reeder regelmäßig von nationalen Behörden kontrolliert.
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