Verdi kritisiert die Eigentümer und das Management der Warenhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof hart. Die Gewerkschaft spricht von Missmanagement und fordert Investitionen.
Galeria Karstadt Kaufhof in Berlin
Mindestens ein Drittel der Galeria-Filialen soll geschlossen werden.
Bild: Reuters
Düsseldorf, Essen Die Gewerkschaft Verdi sieht die Schuld für die erneute Schieflage beim Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof beim Management um Chef Miguel Müllenbach. „Missmanagement und fehlende Investitionen sind in erster Linie das Problem. Die externen Faktoren kommen nur hinzu“, sagte die für Handel zuständige Verdi-Vorständin Stefanie Nutzenberger dem Handelsblatt. Müllenbach selbst hatte vor allem die externen Probleme betont, wie steigende Energiekosten und schlechte Konsumstimmung.
Verdi-Vorständin Nutzenberger kritisiert das deutlich: „Wir akzeptieren nicht, dass das Management die eigenen Entscheidungen und Fehlentscheidungen völlig ausblendet, sich einen schlanken Fuß macht und Beschäftigte auf die Straße setzen will.“ Zudem sei zu wenig in das neue Zukunftskonzept investiert worden.
Mitten im wichtigen Weihnachtsgeschäft steckt die Warenhauskette im Schutzschirmverfahren. Die Stimmung ist schlecht: Frustrierte Fachkräfte in der Verwaltung und verunsicherte Mitarbeiter in den Filialen machen eine Sanierung des Unternehmens schwierig. Das hat Auswirkungen auf Entscheidungen für die Zukunft von Galeria.
„Die Wut und die Enttäuschung sind groß bei unseren Kolleginnen und Kollegen vor Ort“, berichtet Verdi-Vorständin Nutzenberger aus Gesprächen mit Mitarbeitenden, die schon im ersten Insolvenzverfahren einen erheblichen Beitrag zur Sanierung geleistet hätten: „Eine Galeria-Verkäuferin zum Beispiel hat jährlich auf circa 5500 Euro verzichtet, um ihren Arbeitsplatz zu sichern.“
Nun fürchten die Beschäftigten erneut um ihre Arbeitsplätze. Schließlich will der Eigentümer, die Signa Holding des österreichischen Milliardärs René Benko, mindestens ein Drittel der Filialen schließen, in Branchenkreisen ist sogar von mehr als der Hälfte die Rede.
Das drückt die Motivation. Ein langjähriger Mitarbeiter sagt: „Mit ihrer Arbeit sollen sie auch noch das Weihnachtsgeschäft mitnehmen, die Entlassungslisten kommen zum Dank dann danach.“ Heute schon seien häufig nur noch zwei Galeria-Mitarbeiter auf einer Etage im Einsatz, da sei es kaum noch möglich, die Kunden zu beraten. Jetzt wirke sich auch aus, dass das Unternehmen schon vor dem Antrag auf das Schutzschirmverfahren einen Einstellungsstopp für Aushilfen verhängt hatte.
Angesichts der Unsicherheit schauen sich viele Filialmitarbeiter bereits nach neuen Jobs um, teilweise auch außerhalb des Handels. Doch viele arbeiten schon Jahrzehnte bei Kaufhof oder Karstadt, da fällt die Neuorientierung nicht leicht, gibt Nutzenberger zu bedenken: „Wer lange bei einem Unternehmen beschäftigt ist, für den ist der Arbeitsplatz ja auch ein Stück Familie.“
Protestaktion vor einer Kaufhof-Filiale
Schon vor zwei Jahren standen wie hier in Brühl viele Filialen vor der Schließung. Jetzt sind die Mitarbeiter erneut in Sorge um ihre Arbeitsplätze.
Bild: imago images/Manngold
Die Mitarbeitenden von Galeria seien gut ausgebildet und somit grundsätzlich auf dem Arbeitsmarkt gefragt. „Aber bekannt ist auch, wie unterschiedlich der Arbeitsmarkt je nach Region ist“, sagt die Verdi-Vorständin. „Wir reden hauptsächlich über Frauen in Teilzeitarbeit, die lange im Unternehmen arbeiten und von Altersarmut bedroht sind.“
Doch nicht nur die Mitarbeitenden in den Filialen sind in Sorge um ihre Jobs. Auch in der Zentrale in Essen geht bei vielen Beschäftigten die Zukunftsangst um. Ein Insider berichtet, dass es Überlegungen gebe, die Hälfte der 1900 Stellen in der Verwaltung abzubauen. Das Unternehmen hat bisher keine konkreten Zahlen für einen möglichen Stellenabbau genannt.
Auch auf der mittleren Ebene fühlten sich die Mitarbeiter schlecht darüber informiert, wie es mit dem Unternehmen weitergehen könnte. Zudem sind mit dem Generalbevollmächtigten Arndt Geiwitz viele Berater ins Unternehmen gekommen, die sich auch um operative Themen wie Vermietung, Vertrieb und Bau kümmern. Das kratzt am Selbstbewusstsein von Führungskräften aus der zweiten Ebene, die sich in ihrer Entscheidungsvollmacht eingeschränkt fühlen.
>> Lesen Sie auch: Wofür die Kaufhauskette Beratern jetzt Millionen Euro zahlt
Lange vor der Eröffnung des Schutzschirmverfahrens hatte der Aufsichtsrat begonnen, sich stärker ins operative Geschäft einzumischen, offenbar aus Sorge vor einer möglichen Insolvenzverschleppung. Zuletzt habe die Geschäftsführung dem Kontrollgremium wöchentlich Report erstatten müssen, heißt es in Aufsichtsratskreisen.
Seit dem Einzug des neuen Generalbevollmächtigten Geiwitz aber ist der Aufsichtsrat wieder eher in der Beobachterrolle. Den Insolvenzplan erarbeiten Geiwitz und seine Berater, unterstützt vom Management. Ein Galeria-Sprecher sagte auf Nachfrage: „Selbstverständlich und wie absolut üblich wird der Insolvenzplan auch dem Aufsichtsrat vorgelegt.“ Der Aufsichtsrat dürfte weitgehend vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Was viele Mitarbeiter zusätzlich ärgert: Das Unternehmen hatte vor einiger Zeit eine breit angelegte Zukunftsbefragung durchgeführt, an der Tausende Mitarbeiter teilgenommen hatten. Doch Beschäftigte haben den Eindruck, dass ihre Ideen kaum Einfluss auf die Zukunftskonzepte des Warenhausbetreibers haben.
Verdi-Vorständin Nutzenberger bestätigt das. „Die in unseren Augen wichtigen Erkenntnisse aus der Zukunftsbefragung einfach brachliegen zu lassen, ist ein grundlegender Fehler des Managements“, kritisiert sie. Die Beschäftigten hätten zuhauf Ideen für eine erfolgreiche Zukunft geliefert: „Dazu gehören zum Beispiel die Regionalisierung von Warenhäusern und die Erweiterung von Entscheidungsbefugnissen der Verantwortlichen vor Ort.“
Als erstes Eingeständnis der Krise hatte das Galeria-Management Anfang Oktober den mit der Gewerkschaft Verdi geschlossenen Sanierungstarifvertrag gekündigt. Dieser beinhaltete eine Standortsicherung und den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis Ende 2024. Nun sind die Gespräche über eine Nachfolgeregelung gestartet. Der Dialog mit der Arbeitnehmerseite laufe bereits intensiv, bestätigt ein Galeria-Sprecher.
>> Lesen Sie auch: Diese fünf Probleme muss Galeria jetzt lösen
Doch die Fronten sind verhärtet. Denn Verdi besteht auf einem neuen Tarifvertrag. Die Menschen müssten von dem Geld, das sie verdienen, auch dauerhaft leben können, so Nutzenberger: „Die Existenzsicherung durch Tarifverträge ist für sie elementar, denn es geht am Ende darum, der drohenden Altersarmut etwas entgegenzusetzen.“
„Kaputtsparen ist keine Lösung“, sagt sie in Richtung des Eigentümers. „Sie wäre nicht nur die brutalstmögliche für die Beschäftigten, sondern auch der Anfang vom Ende für die Warenhäuser.“ Der Generalbevollmächtigte Geiwitz hat angekündigt, dass der Eigentümer „sehr hohe Investitionen“ zugesagt habe. Eine konkrete Summe nannte er auf Nachfrage aber nicht.
Eigentümer René Benko müsse in die Filialen investieren und so Verantwortung übernehmen für die mehr als 17.500 Beschäftigten und ihre Familien, fordert Verdi-Vorständin Nutzenberger. Und sie warnt: „Jeder gesparte Euro vernichtet Arbeitsplätze und weitere Filialen.“
Transparenzhinweis: Die Handelsblatt Media Group ist wie die Signa-Holding von Galeria-Eigentümer René Benko an der digitalen Bildungsplattform Ada beteiligt.
Erstpublikation: 06.12.2022, 04:00 Uhr.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×