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15.03.2023

09:55

Galeria Karstadt Kaufhof

Warum einige Standorte noch hoffen können

Von: Florian Kolf, Anja Müller

Die Schließungsliste wirft viele Fragen auf. Mitarbeitern wie Experten sind die Kriterien für die Entscheidung nicht klar. Offenbar halfen hohe Vermieterzuschüsse.

Galeria Karstadt Kaufhof dpa

Karstadt-Filiale am Münchener Bahnhof

Der Warenhausbetreiber Galeria hat angekündigt, 52 der 129 Standorte zu schließen.

Düsseldorf, Essen Der Vorstandschef von Galeria, Miguel Müllenbach, verbreitete in der größten Krise noch Optimismus. „Wir legen heute die Basis für eine positive wirtschaftliche Perspektive von Galeria“, verkündete er, nachdem die Schließungsliste mit 52 Häusern feststand. „Das Warenhaus in Deutschland hat damit eine Zukunft.“

Doch sowohl im eigenen Unternehmen wie in der Branche teilen nur wenige diesen Optimismus. „Die Listen, welche Häuser geschlossen werden und welche nicht, sind überhaupt nicht konsistent und nicht nachvollziehbar“, kritisiert Gerrit Heinemann, Handelsexperte der Hochschule Niederrhein. „Es sieht wie ein Flickenteppich an Standorten aus, die kein homogenes Netz ergeben.“

Dazu kommt: Es ist überhaupt noch nicht sicher, ob die Listen so Bestand haben. „Wir werden die vorgelegte Schließungsliste genau prüfen“, kündigt Stefanie Nutzenberger an, die im Verdi-Vorstand für den Handel zuständig ist. Es müsse weiter jede Möglichkeit genutzt werden, Filialen zu erhalten. Und es scheint tatsächlich Hoffnung zu geben, dass einige der Standorte nicht wie angekündigt geschlossen werden.

Denn bei nachträglichen Zugeständnissen der Vermieter könnte – wie beim Insolvenzverfahren vor knapp drei Jahren – das eine oder andere Haus tatsächlich doch noch gerettet werden. Ein Galeria-Sprecher bestätigt das auf Nachfrage: „Sollten sich an der aktuellen Fortführungsperspektive der Filialen signifikante Änderungen ergeben, kann es durchaus zu einer Neubewertung kommen.“

Wie sehr die Situation im Fluss ist, zeigen auch die Gespräche mit dem Betriebsrat. So wurde in der Einigungsstelle für den Interessensaugleich und den Sozialplan am 11. März, also zwei Tage vor der Veröffentlichung der Listen, die Zahl der zur Schließung vorgesehenen Filialen noch auf 53 statt der aktuell 52 Filialen festgelegt, wie ein internes Dokument des Unternehmens zeigt.

52 Filialen schließen: Liste von Galeria Karstadt Kaufhof wirft Fragen auf

Auch viele Kommunen haben deshalb die Hoffnung noch nicht aufgegeben. In Lübeck beispielsweise, wo der Karstadt zum 31. Januar 2024 geschlossen werden soll, will Bürgermeister Jan Lindenau weiter kämpfen. „Die Hansestadt Lübeck führt weiterhin mit Galeria Karstadt Kaufhof und dem Immobilieneigentümer RFR Gespräche, wie eine Schließung doch noch verhindert werden kann“, sagt er. Galeria habe das Potenzial der Stadt nicht erkannt.

Die Liste der 52 Filialen, die zur Schließung vorgesehen sind, wirft in der Tat Fragen auf. „Wenn man sieht, dass kleine Häuser wie in Köln-Nippes oder Doppelstandorte wie Trier oder Münster weitergeführt werden, erfüllen sie nicht mal die Kriterien, die Galeria selber aufgestellt hat“, wundert sich Handelsexperte Heinemann, der selbst in den 1990er-Jahren Geschäftsführer bei der damaligen Kaufhof Warenhaus AG war.

Tatsächlich ist in internen Präsentationen von Galeria, die dem Handelsblatt vorliegen, von zwei Filtern die Rede, nach denen die Schließungsliste zusammengestellt werden sollte. Der eine ist der operative Gewinn des Hauses vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Restrukturierungs- und Mietkosten (Ebitdar), der bei mehr als 15 Prozent des Umsatzes liegen sollte. Der andere Filter ist eine „Aussortierung“ von Doppelstandorten und kleinen Häusern mit weniger als 5000 Quadratmetern Verkaufsfläche.

Ein Galeria-Sprecher rechtfertigt die Erhaltung von Doppelstandorten wie in Münster, wo sich die beiden Häuser praktisch gegenüberstehen, damit, dass die Standortanalyse „filialscharf“ erfolgt sei. „Wenn die Filialen jeweils einen positiven Deckungsbeitrag wie auch eine positive Fortführung versprechen, werden sie entsprechend weitergeführt“, erklärt er.

Experte Heinemann hat da Zweifel. „Es macht eher den Eindruck, dass danach entschieden wurde, mit welchem Vermieter man die wichtigsten Geschäftsinteressen hat und welcher Vermieter die großzügigsten Zugeständnisse gemacht hat“, sagt er. „Deswegen würde es auch nicht überraschen, wenn ein Haus wieder von der Schließungsliste runterkommt, wenn der Immobilieneigentümer jetzt noch mal nachschießt, oder auf die Todesliste wandert, wenn ein Vermieter sein Zugeständnis zurückzieht.“

Galeria Karstadt Kaufhof bekommt 100 Millionen Euro Zuschüsse

Intern kommuniziert Galeria, dass die Verhandlungen mit den Vermietern jährliche Mieteinsparungen für die fortgeführten Filialen von 23 Millionen Euro gebracht hätten. Außerdem hätten die Immobilieneigentümer Baukostenzuschüsse in Höhe von 17 Millionen Euro und allgemeine Vermieterzuschüsse von 100 Millionen Euro zugesagt.

Der Gesamtbetriebsrat wiederum schreibt sich auch selbst auf die Fahnen, dass die Schließungsliste nicht so umfangreich war wie zeitweise befürchtet. „Ursprünglich bedroht von Schließungen waren anfangs 81 Filialen“, teilt der Betriebsrat mit. „Durch intensive Verhandlungen ist es gelungen, diese Anzahl zu reduzieren.“

Warenhauskette

Kahlschlag bei Galeria: 52 Filialen vor dem Aus

Warenhauskette: Kahlschlag bei Galeria: 52 Filialen vor dem Aus

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Wobei auch den Arbeitnehmervertretern die Kriterien, nach denen die Unternehmensleitung entschieden hat, nicht ganz einheitlich vorkamen. „Bei der Entscheidung zur Schließung von Filialen wurden unternehmensseitig je Standort unterschiedliche Gründe genannt“, so der Betriebsrat. Insbesondere „die Mietbelastung, der Gebäude- und Inventarzustand, der Investitionsbedarf, die Entwicklung des Wettbewerbs sowie die Bevölkerungs- und Kaufkraftentwicklung und die operative Performance“ eines Warenhauses seien angeführt worden.

Ursprünglich hatte Galeria auch geplant, einige Häuser, die das Unternehmen nicht weiterführen wollte, an andere Betreiber weiterzugeben, Galeria hat von „mehreren Interessenten“ gesprochen. So hatte beispielsweise die Modekette Aachener des Unternehmers Friedrich-Wilhelm Göbel bestätigt, in Gesprächen zur Übernahme mehrerer Häuser zu sein.

Doch davon ist jetzt nicht mehr die Rede. Galeria bestätigte, dass die Gespräche bisher erfolglos waren. „Zum jetzigen Zeitpunkt konnte keine Einigung mit einem Übernehmer geschlossen werden“, teilte der Galeria-Sprecher mit.

ECE sieht wenig Spielraum für weitere Zugeständnisse

Große Verwunderung löst die Schließungsliste auch in der Belegschaft aus, eine Führungskraft spricht gar von einer „irrationalen Liste“. Kaum einer kann beispielsweise verstehen, warum ein bisher erfolgreicher Standort wie Bremen geschlossen werden soll, während schwächere Standorte erhalten werden sollen.

Für besondere Aufregung hat gesorgt, dass die letzte Filiale in Essen geschlossen werden soll. Am Standort in Essen, dem Hauptsitz des Unternehmens, fühlte man sich eigentlich etwas sicherer als an anderen Standorten.

Doch das Warenhaus am Limbecker Platz ist bereits zum zweiten Mal auf der Liste gelandet – und diesmal, so fürchten viele Mitarbeitende, ist es doch endgültig. Manche haben aber noch die Hoffnung, dass das Vorzeigewarenhaus nur auf der Liste gelandet ist, weil man mit dem Vermieter noch einmal verhandeln wolle. So war es beim letzten Mal vor knapp drei Jahren.

Doch der Shoppingcenter-Betreiber ECE, der als Vermieter die Verhandlungen mit Galeria auch für den Limbecker Platz führt, zeigt sich wenig optimistisch. In sieben Centern ist ECE im Auftrag der Eigentümer für die Vermietung von Flächen an Galeria zuständig, drei dieser Standorte sind auf der Schließungsliste gelandet: neben Essen sind es Nürnberg und Leonberg.

ECE habe verschiedene Angebote gemacht, leider ohne Erfolg, sagt ein Sprecher. „Wir sind für diese Standorte auch weiterhin zu Gesprächen bereit, der Spielraum für weitere Zugeständnisse ist aber sehr begrenzt, da bereits im Zuge der letzten Insolvenz umfangreiche Zugeständnisse von den Eigentümern an Galeria gemacht wurden“, erklärt er.

Für die Galeria-Mitarbeiter ist das schlimm, für viele bricht eine Welt zusammen. „Wir sind alle so lange dabei, es ist, als verliere man seine Familie“, fasst es einer zusammen. Es sei klar, dass jetzt erst mal die Krankenstände in die Höhe gehen würden.

Für ECE dagegen hält sich der Schaden in Grenzen. Man habe bereits für alle betroffenen Standorte geeignete Lösungen für eine unmittelbare Nachvermietung gesichert oder geeignete Nachfolgekonzepte für die Galeria-Flächen erarbeitet – je nach Standort durch einen einzelnen Mieter für die gesamte Fläche oder durch mehrere Mieter, sagt der Sprecher. ECE gehe davon aus, dass es zu keinen längeren Leerständen kommt.

Erstpublikation: 14.03.2023, 15:43 Uhr.

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