Der Warenhausbetreiber hat entschieden, welche Standorte aufgegeben werden sollen. In vielen Kommunen geht die Unsicherheit über die Zukunft damit erst richtig los.
Galeria-Filiale auf der Frankfurter Zeil
Zahlreiche Standorte will das Unternehmen schließen, um die Sanierung im Insolvenzverfahren möglich zu machen.
Bild: dpa
Düsseldorf, Essen Lange hatten Mitarbeiter, aber auch Kommunen und Kunden auf die Liste gewartet, welche Filialen der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof schließt und welche weitergeführt werden. Als sie dann schließlich veröffentlicht wurde, hieß es, nur 77 Standorte sollten erhalten bleiben. Darunter sind Tophäuser wie am Berliner Alexanderplatz, aber auch Filialen in kleineren Städten.
Doch dieser Stand war nur von kurzer Dauer. Wie ein Unternehmenssprecher vier Tage später bestätigte, konnten durch zusätzliche Zugeständnisse von Vermietern fünf weitere Standorte gerettet werden. So sollen jetzt entgegen der ursprünglichen Planung die Häuser in Bayreuth, Erlangen, Oldenburg, Rostock und Leipzig erhalten bleiben.
Damit werden von den bisher noch 129 Häusern 47 komplett geschlossen. Es ist jedoch möglich, dass es noch weitere Zugeständnisse der jeweiligen Vermieter gibt, sodass einzelne Häuser eventuell doch noch gerettet werden könnten. Auch sollen einzelne der aufgegebenen Standorte von anderen Händlern, wie beispielsweise der Modekette Aachener, übernommen werden.
Bei vielen Filialen auf der Liste war die Aufgabe des Standorts erwartet worden, weil sie wohl zu wenig Umsatz bringen oder nicht profitabel genug sind, wie beispielsweise Gelsenkirchen oder Cottbus. Aber es gibt auch Überraschungen.
Geschlossen werden soll beispielsweise der Karstadt in Bremen, der bisher nicht als gefährdet galt. Es könnte aber sein, dass er nur auf der Liste ist, um Druck auf den Vermieter auszuüben, doch noch eine Mietsenkung zu akzeptieren. Auch zwei der drei Filialen in Nürnberg sind dabei und das Warenhaus in der Düsseldorfer Schadowstraße.
„Wir haben in den vergangenen Wochen intensiv um jeden einzelnen Standort gerungen und sind in harte interne wie externe Gespräche gegangen“, sagte Arndt Geiwitz, Generalbevollmächtigter von Galeria, am Montag. Die verbleibenden Filialen hätten eine „tragfähige wirtschaftliche Perspektive“, betonte er.
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Der Betriebsrat dagegen sprach von einem „rabenschwarzen Tag“. Tausende Mitarbeiter sollen ihren Job verlieren. „Der Gesamtbetriebsrat hält die Entscheidung der Unternehmensleitung sowie des Insolvenzverwalters in weiten Teilen für falsch, leider konnte es nicht verhindert werden“, teilte er mit.
Es wird zwei Schließungstermine geben. So sollen 19 Filialen bereits am 30. Juni geschlossen werden, darunter die Häuser in München am Bahnhof, in Leverkusen, in Wiesbaden und in Erlangen. Weitere 28 Häuser folgen dann am 31. Januar 2024, darunter Essen, Darmstadt und Dortmund.
Ursprünglich sollte schon Ende Januar mit der Vorlage des Insolvenzplans feststehen, welche Standorte geschlossen werden. Der Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz selbst hatte diese Erwartungen geschürt. „Wir gehen davon aus, dass es im Laufe des Januars des kommenden Jahres Klarheit darüber geben wird“, hatte er im November per Pressemitteilung verkündet.
Doch im Januar zeigte sich, dass dieser Zeitplan nicht zu halten war. Das lag unter anderem an komplizierten Verhandlungen mit vielen Vermietern. Als die Geschäftsführung am 30. Januar den Insolvenzplan beim Amtsgericht Essen einreichte, enthielt dieser nicht einmal einen Hinweis darauf, wie viele Filialen geschlossen werden sollen, geschweige denn eine Liste mit konkreten Standorten.
Im 60-seitigen Insolvenzplan, der dem Handelsblatt vorliegt, heißt es nur: „Die Analysen zeigen, welche Filialen zukünftig einen ausreichenden Deckungsbeitrag erwirtschaften können, um die notwendigen Investitionen zu tragen, und welche Filialen ein wirtschaftliches Risiko darstellen.“ Geiwitz hatte aber zuvor schon betont, dass die Frage, ob ein Standort erhalten bleibt, auch von möglichen Zugeständnissen der Vermieter abhängt.
Zu den Forderungen von Galeria gehörte nicht nur eine weitere Senkung der Miete und Zuschüsse zur Modernisierung der Häuser. Zentraler Streitpunkt war häufig eine Reduktion der vermieteten Fläche. Als optimale Größe gilt im Unternehmen Insidern zufolge eine Verkaufsfläche von 15.000 bis 18.000 Quadratmetern. Viele Häuser liegen aber darüber. Das größte Haus hat sogar eine Fläche von 38.600 Quadratmetern.
Doch bei den meisten Gebäuden ist es aus baulichen Gründen nur schwer möglich, einzelne Etagen abzutrennen und separat zu vermieten. Deshalb zeigten sich viele Immobilieneigentümer in diesem Punkt wenig kompromissbereit.
Proteste vor einer Galeria-Filiale
Viele Mitarbeiter des Unternehmens werden wegen der Schließung von Filialen ihren Arbeitsplatz verlieren.
Bild: IMAGO/brennweiteffm
Für die Kommunen, in denen Galeria Häuser schließen will, beginnt jetzt eine schwierige Zeit. Denn bei den wenigsten Häusern wird es möglich sein, in rascher Zeit einen neuen Mieter oder eine neue Nutzung zu finden.
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Galeria selbst schreibt im Insolvenzplan: „Es wird unterstellt, dass Warenhausobjekte spätestens nach 54 Monaten einer Anschlussnutzung zugeführt werden können.“ Das bedeutet einen Leerstand in zentraler City-Lage von bis zu 4,5 Jahren.
Experten sehen es sogar eher noch skeptischer. Johannes Berentzen, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung, sagt: „Es wird bei den meisten Immobilien, die Galeria jetzt schließt, nicht möglich sein, sie wieder in gleicher Form als Warenhaus zu nutzen.“ Die Zukunft liege in einer gemischten Nutzung der Gebäude mit Handel, Gastronomie, Büros, Wohnungen oder Kultur- und Bildungseinrichtungen. Dafür müssten sie komplett und aufwendig umgebaut werden.
Viele der Immobilien seien lange nicht modernisiert worden, da herrsche ein großer Investitionsstau, so Berentzen. „Diese Umbauten für eine Nachnutzung dauerten bisher ab dem Beschluss zur Schließung bis zur Neueröffnung im Schnitt fünf Jahre“, weiß er aus Erfahrung. Dieser Prozess müsse jetzt beschleunigt werden, um lange Leerstände in den Innenstädten zu vermeiden.
„Die Politik und die Kommunen sind in der Pflicht, diese Zeit durch aktive Unterstützung und ein rasches Genehmigungsverfahren zu verkürzen“, mahnt der Handelsimmobilienexperte. „Es muss auch im Interesse der Städte sein, dass sie den Eigentümern helfen, möglichst attraktive Zwischennutzungen zu finden.“
Denn die Eigentümer der Warenhäuser brauchen nicht nur Geduld, sie brauchen auch viel Geld. Der Umbau einer solchen Immobilie koste ohne Grundstücks- und Baunebenkosten meist 3500 Euro pro Quadratmeter, heißt es aus der Branche, bei größeren Maßnahmen auch mehr. Ein Topmanager eines Immobilienunternehmens, das selbst Galeria-Standorte im Portfolio hat, spricht von mindestens 5000 Euro pro Quadratmeter.
Liegen die Warenhäuser in B-Lagen, mahnt der Geschäftsführer einer Immobilienfirma, der nicht genannt werden möchte, sei ein Abriss die wahrscheinlichere Variante. Das Konzept Warenhaus sei in solchen Lagen nicht wirtschaftlich. Würden solche Häuser weitergeführt, müsste die Sanierung im laufenden Betrieb vonstattengehen.
Wie schwierig es sein kann, ein Warenhaus zu revitalisieren, zeigt beispielhaft die Stadt Herne. Der dortige Karstadt wurde zunächst 2007 in Hertie umbenannt und dann zwei Jahre später geschlossen. Doch erst 2016 wurde ein Käufer für die leer stehende Immobilie gefunden. Nach aufwendiger Sanierung zogen 2021 die ersten neuen Mieter ein.
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Für die neue Nutzung mussten zwei Innenhöfe in die Immobilie eingeschnitten werden. Nur so war es möglich, genug Tageslicht ins Gebäude zu bekommen, um die oberen Etagen zu Büros umzubauen. Im Erdgeschoss sind heute die Discounter NKD und Tedi sowie zwei Restaurants untergebracht, im Untergeschoss ein Fitnessstudio.
Schwierig gestaltete sich auch die Umnutzung des Kaufhofs in Düsseldorf an der Berliner Allee, dessen Schließung Mitte 2013 verkündet worden war. Zumindest waren schnell neue Mieter gefunden, der Edeka-Kaufmann Zurheide belegte gut 10.000 Quadratmeter mit einem Edel-Supermarkt, darüber kamen mehrere Etagen Parkhaus und in der vierten und fünften Etage ein Hotel.
Fleischtheke im Edeka Zurheide
Auf 10.000 Quadratmetern betreibt der Händler in einem ehemaligen Kaufhof in Düsseldorf einen Edel-Supermarkt.
Bild: Zurheide-Feine-Kost
Doch beim Umbau des maroden Gebäudes aus den 1960er-Jahren erlebten die Bauherren Überraschungen. Höhenunterschiede im Boden mussten ausgeglichen werden, die Deckentragkraft war geringer als gedacht. Die Bauzeit verlängerte sich um fast ein Jahr, die Eröffnung war erst im März 2018. Das ursprünglich angesetzte Umbaubudget von 65 Millionen Euro dürfte deutlich überschritten worden sein.
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Immerhin war der Umbau in der Metropole Düsseldorf überhaupt noch möglich. In vielen kleineren Kommunen dagegen wird kaum ein Bauherr künftig Mieter finden, die entsprechende Mieten zahlen, dass sich so ein teurer Umbau lohnt. „Da drohen Bauruinen über viele Jahre“, warnt ein Branchenkenner. Diese Immobilien könnten wahrscheinlich nur revitalisiert werden, wenn sich die Kommunen auch finanziell beteiligten. Doch deren Kassen sind meist leer.
Erstpublikation: 13.03.2023, 14:19 Uhr (zuletzt aktualisiert: 24.03.2023, 9:05 Uhr).
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