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03.03.2020

11:20

Hamsterkäufe

Lebensmittellieferdienste profitieren von Angst vor Coronavirus

Von: Florian Kolf

Panikkäufe haben vorübergehend zu leeren Regalen in Supermärkten geführt. Jetzt treibt die Sorge vor Engpässen auch den Onlinehändlern neue Kunden zu.

Die Virus-Panik bringt Lieferdiensten aktuell eine hohe Nachfrage. Reuters

Picnic-Mitarbeiter

Die Virus-Panik bringt Lieferdiensten aktuell eine hohe Nachfrage.

Düsseldorf Onlinehändler für frische Lebensmittel tun sich in Deutschland grundsätzlich schwer. Erst rund ein Prozent der Lebensmittel werden über das Netz vertrieben. Doch die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus scheint den Lieferdiensten jetzt neue Kunden zu bringen.

Ein Blick in den Onlineshop von Rewe Digital zeigt, dass dort in vielen Regionen bereits die Lieferslots knapp werden. Kunden aus Berlin beispielsweise berichteten, dass sie für die komplette Woche keine Liefertermine mehr bekommen konnten.

„Beim Rewe-Lieferservice verzeichnen wir – analog zum stationären Handel – eine deutlich erhöhte Nachfrage“, sagte eine Rewe-Sprecherin auf Nachfrage. Sie bestätigte auch, dass das Auswirkungen auf die Lieferzeiten haben kann. „Hier kann es daher vorübergehend zu Wartezeiten kommen“, räumte sie ein.

Auch in den stationären Filialen vieler Händler war es in den vergangenen Tagen vorübergehend zu Engpässen gekommen. Zeitweise gab es regelrechte Hamsterkäufe. Kunden, die etwa Nudeln oder Klopapier kaufen wollten, standen vielerorts vor leeren Regalen.

Händler, die von dieser Entwicklung überrascht wurden, konnten nicht rechtzeitig auffüllen – was dann die Hamsterkäufe weiter befeuerte, weil Kunden Sorge hatten, dass der Nachschub ausbleibt. Nun stellen sich die Händler darauf ein.

„Im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus hat sich auch bei uns in den Märkten bundesweit die Nachfrage nach haltbaren Lebensmitteln und Getränken stark erhöht“, sagt ein Real-Sprecher. „Wir haben daher für bestimmte Produkte, insbesondere Konserven und Hygieneprodukte, bereits seit Mitte vergangener Woche unsere Lagerbestände aufgestockt.“

Handseife und Desinfektionsspray sind stark gefragt

Auch Rewe und Penny teilen mit, dass es keine Engpässe in der Warenversorgung gebe. Die Frequenz der Belieferung der Märkte sei jedoch, wo nötig, erhöht worden. Während die Virus-Panik den stationären Händlern eher Probleme bereitet, scheint sie für die Lieferdienste einen Marketingeffekt zu haben – und ihnen so neue Kunden zu bringen.

„Wir erleben aktuell einen starken Anstieg in der Nachfrage“, sagt auch Frederic Knaudt, Deutschland-Chef des niederländischen Start-ups Picnic. Das Unternehmen liefert in zahlreichen Regionen Nordrhein-Westfalens mit eigenen Lieferwagen Lebensmittel aus – und will jetzt massiv expandieren.

Auch hier ist deutlich, dass es Hamsterkäufe sind, die die Nachfrage treiben. „Insbesondere haltbare Lebensmittel und Hygieneartikel wie zum Beispiel Handseife und Desinfektionsspray sind stark gefragt – diese Artikel werden bis zu zehn Mal mehr bestellt aktuell“, beobachtet Knaudt.

Lieferengpässe gebe es bei Picnic jedoch nicht. „Wir beliefern weiterhin alle unsere Kunden wie gewohnt weiter“, erklärt der Manager. Das liegt auch daran, dass man bei Picnic als Kunde erst freigeschaltet werden muss – das Unternehmen also die Nachfrage besser entsprechend der Kapazitäten steuern kann.

Besonders starke Auswirkungen scheint die Angst vor dem Corona-Virus beim Lieferdienst Getnow zu haben. Dort hat sich nach eigenen Angaben in der vergangenen Woche schon der Bestelleingang um über 100 Prozent erhöht. „Das führt dazu, dass freie Lieferfenster nur mehrere Tage im Voraus verfügbar sind“, sagte Thorsten Eder, Chief Marketing Officer von Getnow.

Wie alle anderen Händler ist Getnow von dem dramatischen Ansturm der Kunden überrascht worden. Mitte vergangener Wochen seien die Websuchen nach Lebensmittellieferdiensten auf Google schlagartig angestiegen. Das sei nur schwer steuerbar gewesen. „Wir haben deshalb einen Liveticker auf unserer Website eingerichtet, damit die Kunden immer informiert sind“, sagt Eder.

Getnow kooperiert mit der Metro. Die Mitarbeiter stellen die online georderten Waren in den Metro-Großmärkten zusammen, Logistikpartner bringen sie von dort zu den Kunden. Um zusätzliche Lieferslots anbieten zu können, erhöht der Lieferdienst, der in und um Berlin, München, Düsseldorf, Essen, Hannover und Frankfurt vertreten ist, jetzt so weit es geht die Kapazitäten.

Die Hoffnung ist, dass einige der neuen Kunden dabei bleiben, auch wenn die Corona-Angst wieder abebbt. Erst dann können die Lieferdienste auch langfristig profitieren.

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