Seit Monaten wusste der Nutella-Konzern von Salmonellenfällen in einer belgischen Fabrik. Doch erst der Druck von Gesundheitsbehörden hat die Familie Ferrero aus der Deckung gelockt.
Polizei vor der Ferrero-Fabrik in Arlon
Die belgischen Behörden entziehen Ferrero für das Werk vorerst die Lizenz.
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Rom Einen unpassenderen Zeitpunkt hätte es für Ferrero kaum geben können: Gut eine Woche vor Ostern zieht der Nutella-Hersteller aus Norditalien Dutzende Schokoprodukte von mehreren europäischen Märkten zurück, auch in Deutschland. Betroffen sind die bei Kindern wie Sammlern beliebten Überraschungseier („Kinder“ Surprise), aber auch „Kinder“-Schoko-Bons sowie die Produkte „Kinder“ Surprise Maxi und „Kinder“ Mini Eggs. Bei Ferrero hat man schon seit vielen Monaten von der Gefahr gewusst.
In mehreren Ländern waren Salmonellenfälle aufgetaucht, die sich offenbar alle auf eine Fabrik in Belgien zurückführen lassen. Die belgische Aufsichtsbehörde Afsca kündigte am Freitag an, die Produktionslizenz für das Ferrero-Werk in Arlon zu entziehen. Alle Produkte aus dem Werk müssen demnach zurückgerufen werden, unabhängig von ihrem Produktionsdatum.
Erstmals hatte Ferrero schon Mitte Dezember vergangenen Jahres Salmonellen gefunden: Damals habe man sie in einem Sieb am Auslass zweier Rohstofftanks in dem belgischen Werk entdeckt, wie das Unternehmen erklärte. Die daraus gefertigten Produkte seien daraufhin zurückgehalten worden. Danach seien der Filter ausgetauscht und die Kontrollen gesteigert worden, hieß es von Ferrero.
Am Freitag räumte man in der Konzernzentrale in Alba, einer Gemeinde in der nordwestlichen Region Piemont, Fehler im Umgang mit den Rückrufen ein. Es habe „interne Ineffizienzen“ gegeben, „die dafür sorgten, dass es Verzögerungen bei den Rückrufen und beim Informationsaustausch gab“. Deshalb seien die Untersuchungen nicht so schnell und effizient wie nötig durchgeführt worden, zitierten Agenturen aus der Mitteilung.
„Ferrero ist zutiefst betrübt darüber, was passiert ist“, hieß es weiter. Nach dem Vorfall werde alles Mögliche getan, um das Vertrauen der Kunden nicht zu verlieren.
Als Vorsichtsmaßnahme rief Ferrero am Freitag auch auf dem Heimatmarkt Italien einige Chargen von Schoko-Bons zurück. Betroffen sind bislang etwa die USA und Frankreich, aber auch Deutschland, unter anderem mit ausgewählten Chargen von „Kinder“-Überraschungseiern und „Kinder“-Schoko-Bons sowie einigen Osterartikeln.
Am Donnerstag wurde der Produktrückruf in Deutschland auch auf Weihnachtsartikel ausgeweitet. Es handelt sich unter anderem um spezielle Überraschungseier und Adventskalender, jeweils mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 20. April 2022, wie das Portal „lebensmittelwarnung.de“ schrieb. Betroffen seien Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Überraschungseier
Unter anderem das „Kinder“-Überraschungsei im Dreierpack mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum zwischen April und Juni 2022 wurde zurückgerufen. Auch Adventskalender sind betroffen.
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Es seien reine Vorsichtsmaßnahmen, wie Ferrero mehrfach betonte. Obwohl keines der „Kinder“-Produkte positiv auf Salmonellen getestet worden sei, nehme man die Angelegenheit sehr ernst, „denn der Schutz der Verbraucher hat für uns oberste Priorität“. Doch allein der Verdacht eines Salmonellenbefalls könnte Spuren in den Supermarktregalen hinterlassen – zumal das Ostergeschäft bei Süßwarenherstellern als besonders lukrativ gilt.
Heftige Kritik übte die Verbraucherorganisation Foodwatch. „Wenn so ein Fehler passiert, muss die Bevölkerung sofort gewarnt werden“, sagte Andreas Winkler von Foodwatch am Freitag. Seiner Ansicht nach sind Eigenverantwortung und Eigenkontrollen der Hersteller nicht ausreichend, notwendig seien „Transparenzpflichten für Behörden, damit Fälle wie Ferrero umgehend öffentlich gemacht werden müssen“.
Gute Produkte, gute Resultate: Das ist der Anspruch, den das Unternehmen an sich selbst stellt. Noch ist der Imageschaden zwar nicht abzuschätzen. Die Ferrero-Familie, eine der reichsten Unternehmerdynastien in Italien, wird nun aber alles daransetzen müssen, um Zweifel bei den Verbrauchern auszuräumen.
1946 gründete der Konditor Pietro Ferrero die Firma und erfand die heute so berühmte Nuss-Nugat-Creme Nutella. Die zweite Generation setzte auf massive Expansion, eroberte schon in den Achtzigern den chinesischen Markt. Heute verkauft die Gruppe ihre Produkte in 170 Ländern, beschäftigt mehr als 38.000 Mitarbeiter und machte zuletzt einen Umsatz von 12,7 Milliarden Euro.
Giovanni Ferrero, der Enkel des Gründers, führt das Unternehmen seit 1997. Auf der „Forbes“-Liste steht der 57-Jährige regelmäßig als reichster Italiener, das Geschäft mit Nutella, Milchschnitte, Hanuta und Co. hat ihn zum Milliardär gemacht.
33,5 Milliarden Dollar soll das Vermögen im Jahr 2021 wert gewesen sein. Damit steht der studierte Marketingprofi auf Platz 40 der reichsten Menschen weltweit.
Ferrero lebt sehr zurückgezogen, taucht kaum in der Öffentlichkeit auf, schreibt dafür umso lieber Managementliteratur. Unter seiner Ägide gelang im Jahr 2018 eine der wichtigsten Übernahmen der Firmenhistorie: Ferrero kaufte das Süßwarengeschäft von Nestlé in den USA auf.
Auslöser für die vielen Rückrufe waren Anfang der Woche Salmonellenerkrankungen in Frankreich und Großbritannien, vor allem kleine Kinder waren betroffen. Kurz darauf rief Ferrero einige Chargen von Überraschungseiern zurück. Die Gesundheitsbehörden in Paris erklärten, dass es sich genetisch um dieselben Salmonellen handelte, die auch für Erkrankungen in Großbritannien und Irland verantwortlich gemacht wurden.
Durch die Zusammenarbeit mit Lebensmittel- und Gesundheitsbehörden in Europa habe Ferrero neue Daten erhalten, die eine Übereinstimmung zwischen den gemeldeten Salmonellenfällen und dem eigenen Werk in Arlon zeigten, hieß es vom Unternehmen.
In Europa nahmen die EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa und die EU-Gesundheitsbehörde ECDC Untersuchungen auf. Die beiden Behörden hatten am Mittwoch von 105 bestätigten Salmonellenfällen und 29 Verdachtsfällen gesprochen, die meisten davon bei Kindern im Alter von unter zehn Jahren. Bestimmte Schokoladenprodukte seien als wahrscheinlicher Infektionsweg identifiziert worden.
„Eine Salmonellenerkrankung äußert sich innerhalb weniger Tage nach der Infektion mit Durchfall und Bauchschmerzen, manchmal mit Erbrechen und leichtem Fieber“, teilt die Verbraucherzentrale mit. Bei grundsätzlich gesunden Menschen klingen die Beschwerden demnach in der Regel nach einigen Tagen wieder ab.
In bestimmten Fällen könne es jedoch zu schweren Krankheitsverläufen kommen, insbesondere bei Säuglingen, Kleinkindern, alten Menschen und Menschen mit geschwächtem Abwehrsystem.
Mit Agenturmaterial.
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