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27.08.2020

12:42

Kosmetikkonzern

Kylie Jenner und Kim Kardashian sollen Coty kurieren

Von: Katrin Terpitz

Der Konzern hat eine Milliarde Dollar Umsatz verloren. Interimschef Peter Harf will mit Influencer-Marken und Hautpflege bald wieder Gewinne schreiben.

Coty: Kylie Jenner & Kim Kardashian West sollen den Konzern retten ddp images/Planet Photos

Kylie Jenner (rechts) und Kim Kardashian

Die beiden Influencer-Stars sollen mit ihren Kosmetiklinien Coty neuen Schwung verleihen.

Düsseldorf Die Corona-Pandemie hat den angeschlagenen Kosmetikkonzern Coty noch tiefer in die Krise gestürzt. Der Umsatz ist im abgelaufenen Geschäftsjahr 2019/20 (zum 30. Juni) um mehr als ein Fünftel eingebrochen. Zwei Influencer sollen Coty aus der Krise helfen: Die Beauty-Marken der Schwestern Kylie Jenner und Kim Kardashian West, an denen sich der Branchenriese beteiligt hat, sollen das rückläufige Geschäft wieder ankurbeln. Zudem sollen Hautpflege, E-Commerce und der asiatische Markt in den Fokus rücken und die ersehnte Wende bringen.

Trotz schlechter Zahlen gibt sich Peter Harf, Coty-CEO und Chairman von Mehrheitseigner JAB, im Gespräch mit dem Handelsblatt zuversichtlich: „Coty ist zurück. Bereits im nächsten Quartal werden wir wieder Gewinne schreiben. Das zeichnet sich im August schon ab“, sagte der 74-Jährige. Der Chefstratege der deutschen Milliardärsfamilie Reimann, der Coty über Jahrzehnte groß gemacht hatte, war erst im Juni überraschend selbst an die Spitze des Konzerns getreten.

Die Coronakrise hat das Unternehmen schwer getroffen. Von Januar bis März waren die Geschäfte im Vergleich zum Vorjahres-Zeitraum bereits um 23 Prozent gesunken. Im vierten Quartal des Geschäftsjahres, das im Juni endete, brach der Umsatz noch stärker ein: um 56 Prozent auf 922 Millionen Dollar. „Coty ist vor allem auch wegen Corona ziemlich gebeutelt – noch mehr als viele unserer Wettbewerber“, räumt Harf ein.

Zum Vergleich: Branchenprimus L’Oréal verzeichnete von April bis Juni Corona-bedingt 21 Prozent weniger Umsatz, Estée Lauder ein Minus von 32 Prozent.

Der Umsatz von Coty schrumpfte im abgelaufenen Geschäftsjahr um insgesamt 22 Prozent auf 6,7 Milliarden Dollar. Analysten hatten mit 7,1 Milliarden Dollar gerechnet. Der operative Verlust erreichte unbereinigt eine Milliarde Dollar. Der Aktienkurs ist seit Beginn der Coronakrise auf ein Drittel eingebrochen. Die Dividende ist bis mindestens April 2021 ausgesetzt.

Zukäufe brachten Coty in Probleme

Cotys Misere begann aber schon vor Längerem mit ehrgeizigen Zukäufen. Der Konzern hatte sich vor fünf Jahren mit der Übernahme von mehr als 40 Beauty-Marken von Procter & Gamble für 12,5 Milliarden Dollar überhoben. Bei der Integration der vielen Marken traten Reibungsverluste auf. Zudem belasten Milliardenschulden den Konzern.

Der ist trotz aller Probleme die weltweite Nummer eins bei Düften (Calvin Klein, Hugo Boss, Gucci, Adidas) und die Nummer drei bei dekorativer Kosmetik (Max Factor, Covergirl). Das zeigen Zahlen des Marktforschers Euromonitor International.

Nun greift Harf hart durch und versucht den Befreiungsschlag – auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Zum einen hat er die Kapitalstruktur verändert. Die Marken rund um das zugekaufte Friseurgeschäft Wella werden ausgegliedert.

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US-Finanzinvestor KKR erwirbt 60 Prozent davon für 2,5 Milliarden Dollar. „Zwar mit einem Rabatt“, räumt Harf ein, „aber dafür investiert KKR eine Milliarde Dollar in wandelbaren Vorzugsaktien in Coty.“ Das spült Coty dringend benötigtes frisches Kapital in die Kassen.

KKR hält künftig 17 Prozent an Coty, JAB 50 Prozent. Der Deal soll spätestens zum Jahresende unter Dach und Fach sein. „Damit können wir die Schulden von acht Milliarden auf etwa fünf Milliarden Dollar senken“, sagt Harf. „Das ist immer noch viel, steht aber in vernünftigem Verhältnis zu unserer Profitabilität.“ Trotz des Einstiegs von KKR sehen die Ratingagenturen Moody’s und S&P indes weiterhin hohe Risiken bei Coty.

Zum anderen will Harf das Portfolio radikal umbauen: „Wir haben viel zu wenig Hautpflege im Sortiment. Das ist ein stark wachsender Markt, vor allem in Asien.“ In China, Japan und Korea würden 80 Prozent der Branchenumsätze mit Skin-Care-Produkten erzielt. „Die Covid-Pandemie hat die weltweite Nachfrage nach Hautpflege verstärkt“, sagt Branchenanalystin Magda Starula von Euromonitor. Der Trend zu Homeoffice und Cocooning bleibt auch nach Corona bestehen.

Die Beauty-Marke von Influencerin Kylie Jenner will Harf künftig ganz auf Hautpflege ausrichten. 2019 hatte Coty 60 Prozent der Firma für 600 Millionen Dollar zugekauft, was so mancher in der Branche für überteuert hielt. Analystin Dara Moshenian von Morgan Stanley warnte vor den Risiken einer Marke, die an einer Person ausgerichtet ist. Zudem sei Kylie vor allem in den USA so bekannt. Harf jedoch glaubt unerschütterlich an die Marke des Kardashian-Clans. Ende Juni kaufte Coty zur erneuten Überraschung 20 Prozent der Beautyfirma von Halbschwester Kim Kardashian West für 200 Millionen Dollar.

„Kylie ist relevant für Mädchen von zwölf bis 25 Jahren. Kim hat Frauen über 30 Jahre als Zielgruppe“, erklärt Harf seine Strategie. Die Sorge, dass der Marktwert der Schwestern schnell sinken könnte, teilt er nicht: „Elizabeth Arden und Helena Rubinstein haben in den 30er-Jahren Weltmarken mit ihrer Persönlichkeit aufgebaut. Auch wenn Kylie schon lange im Altersheim sitzt, wird ihre Beautymarke weiterleben.“

Neue Chefin soll die Marken neu beleben

Mit den Marken der Social-Media-Königinnen will Coty zugleich im direkten Kundengeschäft Fuß fassen. Das bringt Harf zufolge etliche Vorteile: „Dann wissen wir endlich, wer unsere Kunden sind, und können direkt mit ihnen kommunizieren. Das Kosmetikgeschäft entwickelt sich immer mehr zur Schlacht um Daten, aber genauso um Margen. Und die sind natürlich viel höher, wenn wir ohne den Umweg über Online-Marktplätze oder Parfümerien verkaufen können.“ Wettbewerber wie L’Oréal seien hier schon viel weiter als Coty.

Neben Kylie und Kim setzt JAB-Statthalter Harf bei Coty auf eine weitere starke Frau. Ab September macht er überraschend den Chefsessel wieder frei für Sue Yusuf Nabi. Die 52-Jährige ist der sechste CEO von Coty in sechs Jahren. Die langjährige Topmanagerin von L’Oréal und Lancôme hatte welkenden Brands zu neuer Blüte verholfen. Nabi habe Marken wieder gedreht, die große Probleme hatten, so Harf. Für ihn ist Nabi eine echte Branchenveteranin, die im harten Wind segeln könne. „Es war Sues geniale Idee, lokale Stars zu Werbegesichtern für Kosmetik zu machen wie Claudia Schiffer in Deutschland oder US-Promis in Amerika.“

Nach ihrem Weggang von L’Oréal hatte Nabi 2017 die Luxushautpflege Orveda mitgegründet. Diese Marke ist vegan, bio und geschlechtsneutral und wird überwiegend online verkauft. „Coty wird die Anteile von Sue an Orveda übernehmen“, kündigt Harf nun an. Sie hält 60 Prozent. Orveda habe großes Potenzial – gerade auch in Asien. Harf will Orveda auf eine Stufe zu den Prestigemarken La Prairie oder La Mer bringen.

„Sues Aufgabe als CEO ist es, unsere Marken wieder wach zu küssen. Dazu müssen wir Kapital freischaufeln“, weiß Harf. Als künftiger Executive Chairman kümmert er sich ums Kostendrücken. Ein Viertel der Fixkosten, insgesamt 700 Millionen Dollar, soll in 30 Monaten gekappt werden. „Dabei ist es unvermeidlich, dass Arbeitsplätze wegfallen, auch in Deutschland“, sagt Harf. Zwischenhierarchien und Doppelfunktionen sollen ausgedünnt werden.

Weltweit beschäftigt Coty rund 19.000 Mitarbeiter, davon etwa 1000 in Deutschland. „Seit dem Verkauf des Beauty-Geschäfts von Procter&Gamble an Coty gibt es für die Mitarbeiter immer wieder Unsicherheit und Unruhe“, beklagt Jürgen Glaser, Bezirksleiter Darmstadt der IG BCE.

„Vor wenigen Jahren erst wurden beide Einheiten verschmolzen, jetzt wieder getrennt.“ Der Gewerkschafter sorgt sich, dass Arbeitsplätze wegfallen, weil das Sparprogramm noch einmal extrem verschärft wurde. „Es ist wichtig, dass endlich Ruhe bei Coty einkehrt und die Belegschaft weiß, wohin die Reise geht.“

Bis März will Harf mit dem Kern der Sanierung durch sein. „Dann wollen wir kräftig investieren – in Hautpflege, E-Commerce und Asien.“ Harf betont: „Mit Kostendrücken allein lässt sich keine Firma sanieren, sonst spart man sich irgendwann zu Tode.“

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