Die ersten Produkte aus der digitalen Welt schaffen es in den traditionellen Handel – oder inspirieren ihn. Maßgebliche Treiber dieser Entwicklung sind Influencer.
Grelle Haarfarbe, auffälliges Outfit
Jeffree Star ist ein Meister der Selbstinszenierung.
Bild: Getty Images
Düsseldorf Grell gefärbte lange Haare, auffälliges Make-up, buntes Outfit: Jeffree Star ist das Gesicht der gleichnamigen und farbenfrohen Kosmetikmarke. Der US-amerikanische Beauty-Gründer, der mit bürgerlichem Namen Jeffrey Lynn Steininger heißt, hat mithilfe sozialer Medien ein Kosmetikimperium aufgebaut. Die Produktpalette von Jeffree Star Cosmetics, die von Lidschatten über Nagellack bis hin zu Hipster-Trainingsjacken reicht, kam 2014 als reines E-Commerce-Produkt auf den Onlinemarkt.
Seine Kreationen präsentiert der Gründer auf Youtube und Instagram. Seine Tipps zum Nachschminken kommen gut an: Mittlerweile hat sein Youtube-Kanal mehr als 15 Millionen Abonnenten, auf Instagram folgen ihm mehr als 13 Millionen Menschen.
Star ist der Prototyp eines modernen Beauty-Influencers. Erst vier Jahre nach Gründung seines Unternehmens eröffnete er eine stationäre Filiale in New Jersey. In Deutschland sucht er den Anschluss an den etablierten Handel: Seit Ende Mai sind Stars Produkte online auch bei Douglas erhältlich.
Die Nachricht, die der gelernte Make-up Artist über seinen Instagram-Account bewarb, zeigt: Die Aufnahme ins Portfolio der etablierten Händler ist das große Ziel vieler Influencer. In den USA gelingt ihnen dies schon länger; in Deutschland macht sich der Trend nun auch bemerkbar.
Andersherum sind im Beauty-Markt „Influencer als Teil des Marketingmix schon lange kein Geheimrezept mehr“, wie es Douglas-Chefin Tina Müller kürzlich in einem Artikel auf dem Portal LinkedIn beschrieb. Die Kooperationen mit Influencern zahlen sich aus. Im Fall von Star profitiert Douglas von dessen digitaler Reichweite – und kommt in Kontakt zu neuen Kunden.
Gerade bei dem Traditionsunternehmen Douglas, dem CEO Müller bei ihrem Amtsantritt vor anderthalb Jahren eine Verjüngung und – unter dem Hashtag #forwardbeauty – eine digitale Offensive verordnet hat, sind Influencer unverzichtbar: Müller selbst beschreibt in ihrem Posting zum Beispiel, wie das Model Bella Hadid im vergangenen Jahr eine Filiale auf der Frankfurter Zeil besuchte – und der Andrang der Fans, die stundenlang warteten, so groß war, dass die Straße gesperrt werden musste.
Douglas habe durch solche Kooperationen in den vergangenen Jahren bei den sogenannten Millennials und der Generation Z „stark an Bekanntheit und Beliebtheit gewinnen können“, schreibt Müller. Das seien attraktive, kauffreudige und kaufkräftige Konsumentengruppen, „die über klassische Kanäle nur schwer erreichbar sind“.
Doch das Geschäft läuft längst nicht nur in eine Richtung: Man müsse Trends, die Influencer national und international setzen, genau beobachten, meint eine Firmensprecherin, „denn sie haben Auswirkungen auf Einkaufsentscheidungen“.
Das Gleiche gelte für die Darstellungsformen in den Social Media, sagt sie. So greife man zum Beispiel den inhaltlichen Aufbau von Instagram-Storys auf und bilde sie „im eigenen Stil“ nach. Douglas etwa motiviere auch die eigenen Mitarbeiter, ihre Produkterlebnisse in Blogs oder Postings in Worte und Bilder zu fassen – denn sie lieferten eine Authentizität, die keine Marketingabteilung in gleicher Weise nachbilden könne.
Auch die französische Kosmetikhandelskette Sephora, die im hart umkämpften deutschen Markt seit vorigem Jahr mitmischt, ist Authentizität wichtig. Der Konzern hat ein internationales Influencer-Programm gestartet, bei dem die Teilnehmer – unabhängig von ihren Followerzahlen – einen Jahresvertrag gewinnen konnten. Mit der Aktion wollte sich Sephora von reichweitenstarken Influencern lösen, auch um Kosten zu sparen. Denn je mehr Follower Social-Media-Stars haben, desto höhere Beträge verlangt ihr Management.
Nicht nur der Handel, auch die Hersteller setzen auf die Dienste der Influencer. „Die Verbraucher verbringen enorm viel Zeit auf Social Media – also wollen wir da auch präsent sein. Influencer sind eine Möglichkeit, dort in engen Kontakt zu kommen, Feedback zu erhalten“, erklärt etwa Philipp Markmann, Marketingchef von L’Oréal Deutschland. L’Oréal habe früh erkannt, dass „Digital und Beauty der ideale Match“ sind – da Schönheit eben „eine sehr visuelle Kategorie“ sei. „Sie lebt von Bildern, es wird viel geteilt und kommentiert“, findet Markmann.
„Die digitale Welt und Social Media sind für uns auch eine riesige Quelle an unmittelbaren Informationen über die Wünsche und Bedürfnisse unserer Kunden – auch für Produktentwicklungen“, sagt er weiter. Zum Beispiel habe die Konzerntochter L’Oréal Paris in Zusammenarbeit mit Influencern und auf der Basis von Social-Media-Einblicken die Marke Colovista und eine entsprechende Farbpalette kreiert. In anderen Bereichen entstünden in Zusammenarbeit mit Influencern limitierte Editionen, was sehr gut ankomme. „Der Content fließt in die Produktwicklung ein – das trifft bei uns zu 100 Prozent zu“, sagt Markmann.
Dabei entwickele sich das Feld rasant. Vor gut einem Jahr hat L’Oréal zum Beispiel den Augmented-Reality-Spezialisten Modiface übernommen – ein passendes Puzzleteil für einen erlebnisreichen Social-Media-Auftritt. Und: „Ständig kommen neue Plattformen hinzu, die wir im Auge behalte“, sagt Markmann.
In Deutschland kennen viele vor allem Youtube, Instagram oder Facebook – aber international ist zum Beispiel das chinesische Videoportal Tik Tok bereits ein wichtiges Spielfeld für Influencer. Im Blick hat L’Oréal auch die politische Debatte um gesetzliche Regelungen für Influencer-Marketing – aber sieht sich hier in seiner Haltung nur bestärkt. „Wir sehen im Interesse der Verbraucher an einer transparenten Darstellung nur Vorteile – und handhaben das auch so.“
Beim Aachener Natur- und Luxuskosmetikhersteller Babor steht Influencer-Marketing ebenfalls schon seit Jahren auf der Agenda – so lange schon, dass Geschäftsführer Michael Schummert die Bedeutung als „traditionell groß“ bezeichnet. Mittlerweile hat sich eine Gruppe von Influencerinnen gebildet, die so eng mit der Marke verbunden sind, dass sie unter dem Hashtag #baborfamily zu finden sind. Gerade bei jungen Zielgruppen habe die Marke in den vergangenen Jahren „merklich an Bekanntheit und Verwendung zugelegt“. Die sogenannten Beauty-Ampullen „haben sich fast zu einem Influencer-Kultobjekt entwickelt“, zeigt sich der Firmenchef überzeugt.
Aufgrund der positiven Erfahrungen richtet Babor nun erstmals eine Veranstaltung mit Influencern aus der ganzen Welt aus, und Schummert sagt: Bisher seien zwar noch keine konkreten Ideen in die Produktentwicklung eingeflossen, „aber das ist zukünftig durchaus im Rahmen einer Co-Kreation denkbar.“
Auch Experten beobachten eine sich wandelnde Wechselwirkung zwischen analoger und digitaler Welt. Sascha Schulz, Mitgründer der Influencer Academy, erkennt etwa „durchaus Trendpotenzial“ mit Blick darauf, wie viele digitale Marken ihre Vertriebswege in den klassischen Einzelhandel erweitern. Die sozialen Medien mögen eine ideale Spiel- und Werbewiese für die visuell reizvollen Angebote der Kosmetikbranche sein – aber es ist nicht so, als hätten die etablierten Konzerne den Social-Media-Stars nicht auch etwas zu offerieren, sagt er.
„Der stationäre Einzelhandel bietet gerade bei Kosmetik- und Duftprodukten, aber auch bei hochwertigem Schmuck und Uhren ein besseres Sinnerlebnis als Websites und Apps.“ Neue Düfte zum Beispiel „haben es leichter, wenn sie vor dem Kauf getestet werden können“.
Oft dienen auch Prominente als Influencer. So werben zum Beispiel Hollywood-Schauspieler Ryan Reynolds oder Sängerin Céline Dion für L’Oréal. Andere Marken kooperieren mit Sportstars oder Pop-Ikonen – also Menschen, die nicht hauptberuflich Influencer-Marketing betreiben.
Das ist im Fall von Kylie Jenner aus dem Kardashian-Clan anders. Sie gilt mit mehr als einer Million Followern als Megainfluencer: 138 Millionen Menschen folgen allein Jenners persönlichem Account, 21 Millionen Follower zählt der Auftritt ihres Unternehmens.
Die 21 Jahre alte Milliardärin hat 2015 das Kosmetikunternehmen Kylie Cosmetics gegründet und sich selbst zur Marke gemacht. Werbung auf anderen Kanälen braucht sie daher nicht mehr.
Davon grenzen sich sogenannte Mikroinfluencer schon durch ihre vergleichsweise kleine Gefolgschaft von maximal 50.000 Followern ab. Doch auch mit ihnen arbeiten Kosmetikunternehmen oft zusammen, denn sie kommen authentischer rüber. Auch haben die Verbraucher oft ein größeres Vertrauen zu einer etwa gleichaltrigen Person, die Produkte testet und ihre Meinung dazu mitteilt.
Mehr: Sie betonen ihren Individualismus, suchen Erlebnisse mehr als Produkte und stellen hohe Ansprüche: Um die jüngsten Kunden zu gewinnen, müssen sich Händler viel einfallen lassen.
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