Das frisch geteilte Familienunternehmen hat bisher der Pandemie getrotzt. Doch nun steigen die Kosten rasant. Werksschließungen schließt der Oetker-Chef aber aus.
Stammsitz von Dr. Oetker in Bielefeld
Das Familienunternehmen hatte sich im November 130 Jahre nach der Gründung aufgespalten. Vorausgegangen war ein jahrelanger Streit zwischen den Erben des Patriarchen Rudolf-August Oetker.
Bild: imago images / Rupert Oberhäuser
Bielefeld „Ich weine jedem Geschäftsfeld nach, das abgespalten wurde. Aber die Entscheidung war überfällig“, sagte Albert Christmann, persönlich haftender Gesellschafter der Dr. August Oetker KG, am Dienstag in Bielefeld. Erstmals nach der Realteilung der Oetker-Gruppe im vergangenen November präsentierte er die Geschäftszahlen für das traditionsreiche Familienunternehmen.
130 Jahre nach der Gründung hatte sich der weitverzweigte Konzern aufgespalten. Vorausgegangen war ein langer und erbitterter Machtkampf zwischen den Nachkommen aus drei Ehen des 2007 verstorbenen Patriarchen Rudolf-August Oetker.
„Es ist erfreulich, wenn alle Gesellschafter an einem Strang ziehen. Diese sind mit der Situation sehr zufrieden“, betonte Christmann, der die Gruppe seit 2017 als erster familienfremder Manager leitet. „Nun können wir uns zu 100 Prozent auf unsere Geschäfte fokussieren, zuvor waren manche Tage sehr lang“, sagte er in Anspielung auf die Querelen hinter den Kulissen.
Christmann führt die Dr. August Oetker KG weiter, die den fünf Geschwistern aus den ersten beiden Ehen – intern als „G5“ bezeichnet – und deren Familien zugeschlagen wurde. Ihr Umsatz schrumpfte 2021 durch die Teilung von 7,3 Milliarden auf 5,8 Milliarden Euro. Weltweit sind dort 39.000 Menschen beschäftigt.
Große Sorgen bereitet Christmann die Störung der Lieferketten infolge von Pandemie und Ukrainekrieg. Dadurch seien die Kosten für Rohwaren und Energie hoch zweistellig gestiegen. Deshalb sehe sich die Oetker-Gruppe gezwungen, zum zweiten Mal in diesem Jahr die Preise anzuheben. „In vielen unserer Rezepte ist etwa Sonnenblumenöl“, erklärte Christmann. Das ist knapp und teuer, weil die Ukraine als wichtiges Lieferland fehlt.
Die Preisverhandlungen mit dem Handel laufen bereits, mit höheren Preisen müssen die Verbraucher „nach dem Sommer“ rechnen. Oetker will möglichst wenig der Kosten an die Käufer weiterreichen und lieber intern sparen. Insgesamt müssen sich Konsumenten aber wohl auf zweistellige Preissteigerungen einstellen.
„Um als Markenartikler gegenüber günstigeren Handelsmarken attraktiv zu bleiben, müssen wir massiv ran an unsere Kosten“, sagte der Wirtschaftsingenieur. „Wir drehen jeden Stein in 43 Ländern um.“ Stellschrauben gebe es viele: So könnte das komplexe Sortiment effizienter und Material für Verpackungen eingespart werden. Digitalisierung mache eine preisgünstigere Produktion und eine schnellere Lieferung möglich.
Oetker werde jedoch keine Werke aufgeben, sagte Christmann. Einen Stellenabbau könne er derzeit nicht gänzlich ausschließen, entschieden werde aber erst in einem halben Jahr.
Schwerpunkte der August Oetker KG sind die Nahrungsmittelsparte Dr. Oetker mit Pizza, Desserts und Backen, die Tiefkühlkonditorei Coppenrath & Wiese, die Getränkegruppe Radeberger und der Schnelllieferdienst Flaschenpost sowie zwei Luxushotels.
Albert Christmann
Der persönlich haftender Gesellschafter führt die Oetker-Gruppe seit 2017. Er ist der erste familienfremde Manager an der Spitze des Traditionsunternehmens.
Bild: picture alliance/dpa
Parallel gründeten die drei Kinder aus der dritten Ehe von Rudolf-August Oetker – genannt „G3“ – die Geschwister Oetker Beteiligungen KG. Diese hat etwa 10.000 Beschäftigte und macht rund zwei Milliarden Euro Umsatz. Dazu zählen die weltgrößte Sektkellerei Henkell Freixenet, die Backmittelfirma Martin Braun, die Chemiefabrik Budenheim, einige Hotels und die Kunstsammlung Rudolf-August Oetker.
Die drei Geschwister erhielten zudem 1,6 Milliarden Euro an Finanzmitteln, erklärte Ute Gerbaulet, die als persönlich haftende Gesellschafterin unter anderem für Finanzen zuständig ist. Durch den Verkauf der Reederei Hamburg Süd 2017 verfügte die Oetker-Gruppe über eine hohe Liquidität.
Zugleich blieben Bankverbindlichkeiten von etwa 1,37 Milliarden Euro bei der geschrumpften Dr. August Oetker KG. Trotzdem ist die Eigenkapitalquote bei 40 Prozent stabil. Das Unternehmen verfügt noch über Rücklagen von knapp 1,5 Milliarden Euro.
„Die jetzt gewonnene Klarheit bei Oetker kann in der Tat allen Beteiligten nutzen – wenn sie es schaffen, die jeweiligen Geschäftseinheiten als fokussierte Einheiten aufzustellen und weiterzuentwickeln“, sagt Sebastian Theopold, Gründer der Beratung Munich Strategy. „Ohnehin war die Mehrzahl der Geschäfte sehr unterschiedlich und hatte genug Eigengewicht im Markt.“
Bis zur Teilung Ende Oktober legte der Umsatz der gesamten Gruppe um 5,5 Prozent zu. „Vor allem wegen Flaschenpost sind wir gewachsen“, erklärte Christmann. Das operative Ergebnis der Gruppe sei „sehr auskömmlich“, mehr verriet Ute Gerbaulet nicht.
Im Dezember 2020 hatte die Oetker-Tochter Durstexpress den größeren Konkurrenten Flaschenpost überraschend übernommen. Der Kaufpreis soll bei mindestens 800 Millionen Euro gelegen haben. „Oetker und Flaschenpost könnten eine ideale Kombination bilden, bestehend aus großen finanziellen Mitteln, einem langen Atem, strategischem Willen und einem von der Substanz her guten, digitalen Geschäftsmodell“, sagt Berater Theopold.
Ute Gerbaulet
Die Finanzexpertin ist die erste Frau im obersten Gremium der Oetker-Gruppe. Sie kam von der Oetker-Tochter Bankhaus Lampe nach Bielefeld.
Bild: Bankhaus Lampe KG
Flaschenpost hat über eine Million Kunden und erhält mehr als 800.000 Bestellungen im Monat. 33 Stationen liefern bundesweit in unter zwei Stunden aus – neben Getränken inzwischen auch viele Lebensmittel. „Die Branchengrenzen verschwinden durch digitale Modelle“, sagte Christmann.
Die Oetker-Nahrungsmittelsparte konnte den hohen Umsatz von 2020 stabil halten. Der war durch den Pandemieboom um elf Prozent auf 3,7 Milliarden Euro gestiegen. „Die Margen von Coppenrath & Wiese stehen seit 2019 massiv unter Druck“, räumte Christmann ein. Denn viele Verzehranlässe für Tiefkühltorten fielen in der Pandemie weg.
Rückläufig waren auch die Geschäfte mit Bier und Getränken. „Radeberger ist unverändert in schwerer See, wächst aber stärker als der Markt“, sagte der 59-Jährige. Der deutsche Biermarkt brach 2021 um 2,1 Prozent ein. Die Radeberger Gruppe litt unter den Schließungen der Gastronomie in der Pandemie und erlöste im Geschäftsjahr 1,6 Milliarden Euro.
„Albert Christmann macht als erster familienfremder Vorstand bei Oetker vieles richtig, um den traditionsreichen, schweren Tanker wieder flottzumachen“, sagt Berater Theopold. Er setze mutige Signale und schärfe die Konturen der Gruppe. Dazu gehörten etwa die gezielte Investition in Flaschenpost und die Verpflichtung eines Lidl-Managers. Jörg Uffmann soll die Prozesse der Nahrungsmittelsparte verbessern.
Oetker will nun auch seine Lieferketten resilienter machen. Die Gruppe beschafft etwa 75 Prozent der Rohwaren im Land, wo die Produktion steht. „Das ist sehr viel und hilft uns nun“, sagte Christmann. Er weiß wie wichtig, eine funktionierende Lieferkette ist. Denn zu Beginn der Pandemie war Dr.-Oetker-Pizza rund zwei Monate nicht voll lieferfähig.
„Es war viel Arbeit, unsere Marktanteile wieder zurückzuerobern“, erklärte der Oetker-Chef. Für ihn ist klar: „Auch 2022 wird wieder ein herausforderndes Jahr.“
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