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23.02.2022

14:29

Lebensmittelhandel

Hohes Umsatzwachstum, steigende Gewinne: Die Schwarz-Gruppe geht mit Kaufland in die Offensive

Von: Florian Kolf

Die Expansion der Lidl-Schwester hat für Inhaber Dieter Schwarz höchste Priorität. Tatsächlich ist die Entwicklung stürmisch. Dabei spricht ein Trend eigentlich gegen die Kette.

Stürmisches Wachstum, große Pläne. imago images/Michael Gstettenbauer

Logo an der Kaufland-Filiale Düsseldorf

Stürmisches Wachstum, große Pläne.

Düsseldorf Mit einer beispiellosen Investitionsoffensive überrollt die Lidl-Schwester Kaufland die Branche. Knapp 60 Standorte hat die Supermarktkette in nur einem Jahr vom Konkurrenten Real übernommen. Die Zielvorgabe: Marktanteil ausbauen, Wettbewerber verdrängen.

Und die Erwartungen der Mutter Schwarz-Gruppe löst das Management zurzeit mit einem zweistelligen Umsatzwachstum und zugleich steigenden Gewinnen voll ein, wie Personen aus dem Umfeld des Konzerns berichten. Nachdem Kaufland jahrelang im Schatten der Schwester Lidl gestanden hatte, geht die Schwarz-Gruppe nun mit der Kaufhauskette in die Offensive.

Einen Großteil dazu tragen die Real-Standorte bei. Bei Kaufland rechnet man im Schnitt mit 20 Millionen Euro zusätzlichem Umsatz pro Markt. Damit springt der Umsatz in Deutschland allein durch die bisher schon übernommenen Märkte um mehr als eine Milliarde Euro.

Kaufland hat die Genehmigung des Kartellamts, insgesamt 128 Real-Märkte ins eigene Filialnetz aufzunehmen. Selbst wenn nicht alle diese Übernahmen zustande kommen sollten – etwa, weil sich Kaufland nicht mit dem jeweiligen Vermieter einigt –, dürfte ein zusätzlicher Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro damit sicher sein. Und damit auch weiter stürmisches Wachstum für die kommenden Jahre.

In den Zahlen für das Ende Februar ablaufende Geschäftsjahr, die im Mai veröffentlicht werden, spiegelt sich das zwar erst zum Teil wider. Denn die neuen Märkte wurden erst Stück für Stück über das Jahr verteilt ins Netz integriert.

Umsatz von Kaufland steigt um 13 Prozent

Trotzdem steigerte Kaufland nach Zahlen des Marktforschungsunternehmens Edge by Ascential den Bruttoumsatz in Deutschland im vergangenen Jahr um 13 Prozent auf 19,5 Milliarden Euro. Und in diesem Geschäftsjahr prognostizieren die Marktforscher ein erneutes Wachstum von zehn Prozent auf 21,45 Milliarden Euro.

„Die Real-Standorte sind bei Kaufland in guten Händen“, sagt Boris Planer, Direktor Trendforschung Deutschland der Beratungsfirma WGSN. Die Zeit spreche eigentlich gegen die Großfläche, betont der Handelsexperte. In den vergangenen Jahren hätten eher die kleinflächigen Nahversorger Marktanteile gewonnen.

Die Großfläche habe jedoch dann eine Zukunft, wenn sie zeige, dass sie relevant ist, betont der Handelsexperte. „Und genau das hat Kaufland hinbekommen und verdrängt damit die Konkurrenz“, so Planer.

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Die Real-Integration hat in der Schwarz-Gruppe allerhöchste Priorität. Bevor das Familienunternehmen für die Real-Märkte geboten hatte, hatte sich Inhaber Dieter Schwarz persönlich die fast 300 Filialen angeschaut. Um sich so rasch wie möglich ein Bild zu machen, flog er Standorte sogar per Helikopter ab.

So gewann Schwarz den entscheidenden Zeitvorteil. Das Unternehmen war schon mit dem russischen Investor SCP Group über die Weitergabe eines großen Pakets von Märkten handelseinig, bevor dieser überhaupt Real komplett von der Metro übernommen hatte.

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Um die finanzielle Handlungsfähigkeit für die notwendigen Investitionen zu haben, stoppte die Schwarz-Gruppe zeitgleich die eigentlich geplante Kaufland-Expansion nach Australien. Für die Chance, die Stellung im Kernmarkt Europa weiter zu stärken, nahm Dieter Schwarz sogar einen vorübergehenden Einbruch des Ergebnisses in Kauf. Denn der Rückzug aus Australien führte zu Abschreibungen.

Kaufland profitiert vom Wechsel an der Schwarz-Spitze

Zusätzlich profitiert hat Kaufland vom Wechsel an der Schwarz-Spitze von Klaus Gehrig zu Gerd Chrzanowski. Unter Gehrig hatten die Kaufland-Chefs in schneller Abfolge gewechselt, entsprechend uneinheitlich war die Strategie. Auch den heutigen Chef Frank Schumann hatte Gehrig 2019 zunächst nur kommissarisch eingesetzt.

Nachdem Gehrig im Juli vergangen Jahres nach einem Streit mit dem Inhaber das Unternehmen verlassen musste und Chrzanowski schrittweise übernahm, änderte sich nicht nur die Kultur bei Schwarz. „Es ist eine Aufbruchstimmung in der Organisation zu spüren“, berichtet ein Topmanager. Habe es vorher oft Stillstand gegeben aus Angst, Fehler zu machen, spüre man nun wieder mehr Vertrauen.

Auch von außen wird der Kaufland-Führung nun eine klarere Linie zugestanden als in den Jahren zuvor. „Sie haben in der Vergangenheit ihre Fehler gemacht, aber sie haben daraus gelernt“, sagt Handelsexperte Planer. „Das ist eine langfristige, vorausschauende und unaufgeregte Unternehmensstrategie.“

Die neue Zielstrebigkeit in der Organisation zeigt sich an der Umrüstung der Real-Filialen. Gerade mal zwei bis drei Tage wird ein Markt in der Regel geschlossen, die wichtigsten Umbauten erledigt, dann öffnet er wieder unter dem Namen Kaufland. Die restlichen Anpassungen werden im laufenden Betrieb erledigt, um keinen Umsatz zu verschenken.

Schwarz-Gruppe geht mit Kaufland in die Offensive Kaufland

Eröffnung der neuen Kaufland-Filiale in Ritterhude

59 Real-Märkte hat die Schwarz-Gruppe seit Februar 2021 übernommen und auf die Marke Kaufland umgerüstet.

Seit dem 1. Februar 2021 gliederte Kaufland so 59 Filialen ein, die jüngste Mitte Februar in Saarbrücken. Dabei wurden fast 330.000 Quadratmeter Verkaufsfläche neu eingerichtet, Kühlmöbel, Bedientheken und Technik erneuert und Kassen- und Leergutbereiche umgestaltet. Das schließt auch Lücken im Netz: 39 der neuen Märkte liegen in Städten, in denen Kaufland bisher nicht präsent war.

Angriff auf die Discounter mit Dauertiefpreisen

Jede Filiale wurde im Vorfeld genau analysiert. „Jeder einzelne Standort ist eine Erfolgsgeschichte für sich, die nur durch viele fleißige Hände, eine professionelle Planung – und vor allem durch das Vertrauen der Menschen, die nun zum Team Kaufland gehören, möglich war“, betont Lehel Salat, der bei Kaufland das Projekt leitet. 6200 neue Mitarbeiter wurden in die Organisation integriert.

Kern des Erfolgs von Kaufland ist nach Einschätzung von Experten ihre Kombination aus Discount und Vollsortiment mit rund 35.000 verschiedenen Produkten. „Mit ihrer Positionierung als Großflächen-Discounter sind sie ziemlich einzigartig im Markt“, bestätigt WGSN-Direktor Planer. „Das Sortiment spricht ein sehr breites Kundenspektrum an, vom Hartz-IV-Empfänger bis zum Investmentbanker findet jeder, was er braucht.“

Aktuell setzt Kaufland die Discounter unter Druck, indem es in Fernsehspots für 7000 Produkte bundesweit den günstigsten Preis verspricht. Berater Planer hält das für einen geschickten Schachzug: „Kaufland ist bereit, die Gewinne aus der Coronazeit in die Preise zu investieren – gerade jetzt, wo die Verbraucher der Inflationsdruck trifft.“ Besonders bemerkenswert: Kaufland muss dabei nicht mal Rücksicht nehmen auf die Konzernschwester Lidl, die ja als Discounter auch von diesem Preisangriff betroffen ist.

Die preisaggressive Positionierung hilft Kaufland nicht nur in Deutschland. Mittlerweile ist das Unternehmen in sieben osteuropäischen Ländern präsent. Nach den Zahlen von Edge by Ascential hat der Händler dort im vergangenen Jahr in einem wettbewerbsintensiven Umfeld ebenfalls den Bruttoumsatz um knapp 1,3 Milliarden auf 13,97 Milliarden Euro steigern können.

„Kaufland hat ein sehr kapitaleffizientes Format, das sich leicht reproduzieren lässt und das die richtige Wette auf die Zukunft war“, erklärt Handelsexperte Planer. Diese Erfolgsformel ließe sich leicht auch noch in weiteren Ländern international ausrollen. „Sie haben das Potenzial zum Global Player.“

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