HHLA und Hyperloop TT gründen ein Gemeinschaftsunternehmen für das erste deutsche Hyperloop-Projekt. Der Hafen will damit Elon Musks Vision einer Röhrenbahn umsetzen.
Hamburg Es ist eine visionäre Idee, die der Tesla-Gründer Elon Musk vor sieben Jahren angestoßen hat. Eine fast luftleere, mit Solarzellen bestückte Röhre, durch die Kapseln dank Magnetschwebetechnik wie durch eine Rohrpost sausen: der Hyperloop. Seitdem glaubt eine wachsende Entwicklergemeinde fest an die Machbarkeit.
In Deutschland geht nun das erste konkrete Projekt für diese visionäre Hochgeschwindigkeitsbahn an den Start. Der Hamburger Hafenbetreiber HHLA und der Entwickler Hyperloop TT haben am Mittwoch ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, das den Einsatz der Röhrenbahn für Seecontainer vorbereiten soll.
Musk hatte seine Hyperloop-Idee 2011 für Kapseln mit jeweils 28 Passagieren oder drei Autos entwickelt. Neu ist jetzt die Vision, auch Seecontainer zu befördern.
Das neue Unternehmen Hyperport Cargo Solutions soll in Hamburg die Voraussetzungen dafür schaffen. Dafür soll es zunächst eine Technik entwickeln, mit der Container von der Kaimauer in die Hyperloop-Röhre kommen. Schon seit 2001 setzt HHLA selbstfahrende Containerfahrzeuge ein. Ein ähnliches Fahrzeug soll künftig die noch zu bauenden Hyperloop-Container-Kapseln zum Hyperloop-Bahnhof befördern. Dafür soll bis 2021 im Hamburger Hafen eine 100 Meter lange Teströhre verlegt werden, ein Test-Bahnhof entstehen – und eben der selbstfahrende Kapsel-Wagen.
„Ich bin sicher, dass der Hyperloop in Deutschland eine Chance hat“, sagte HHLA-Chefin Angela Titzrath am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Das Projekt soll größere Dinge vorbereiten: Die Röhrenbahn könnte eines Tages Container schnell vom Terminal zu Logistikzentren außerhalb des Hafens befördern und so die überlasteten Hafenstraßen und -Bahnstrecken entlasten.
Der Hamburger Hafenbetreiber lässt durchsickern, dass man künftig Container mit Musks visionärem Hyperloop transportieren will. Doch das ist höchst unwahrscheinlich.
Elektrisch betrieben könnte das System zudem die Luftverschmutzung reduzieren, die im innenstadtnahen Hamburger Hafen ein Problem darstellt. Beide Partner wollen in ihr Gemeinschaftsunternehmen zunächst sieben Millionen Euro investieren. Für HHLA mit knapp 1,3 Milliarden Euro Umsatz ist das eine überschaubare Summe.
Allerdings: Noch besteht der Hyperloop vor allem aus Visionen und einigen kleinen Testprojekten. „Ich glaube, dass es sehr viel mit Fantasie zu tun hat“, räumte denn auch Dirk Ahlborn, deutschstämmiger Chef des in Los Angeles angesiedelten Entwicklers Hyperloop TT ein. „Allerdings ist nicht die Technik das große Problem, sondern der Willen der Politiker.“
Damit zeigte sich Ahlborn ähnlich optimistisch wie Tesla-Gründer Musk. Der hatte das System 2011 in seinem Konzeptpapier wie ein moderner Jules Verne detailliert beschrieben – bis hin zu genauen Angaben zum Gewicht einzelner Komponenten und zu den Kosten, ohne dass es bis dahin eine echte ingenieursmäßige Entwicklung oder gar einen Prototyp gegeben hätte.
Gedacht war sein Positionspapier als Alternative für eine umstrittene Schnellbahnstrecke zwischen Los Angeles und San Francisco. Seitdem entwickeln mehrere Konsortien Projekte, die den bis zu 1200 Stundenkilometer schnellen Zug in der luftleeren Röhre realisieren sollen – darunter Hyperloop TT. Das Unternehmen versteht sich nach eigenen Angaben als ein Netzwerk aus 800 Menschen, die in 52 Projektgruppen arbeiten – und dabei etwa in Universitäten oder Partnerunternehmen arbeiten. HHLA ist nun einer dieser Partner.
Dabei tritt Hyperloop TT in Konkurrenz zu anderen Entwicklern wie Virgin-Hyperloop One, an dem auch der britische Milliardär Richard Branson beteiligt ist. Die Hyperloop-Entwickler übertragen damit das Prinzip, aus dem im Silicon Valley Internet-Unternehmen wie Google entstanden sind, auf ein Industrieprojekt. Anders als einst der gescheiterte Transrapid soll der Hyperloop in Netzwerken entstehen und schnell in der Praxis erprobt und verbessert werden – wie eine Software, die gemeinsam entwickelt wird und langsam besser wird.
Den Beweis, dass das gelingt, müssen alle Hyperloop-Entwickler noch antreten. Zuletzt hat auch Musk selbst angekündigt, mit seiner eigentlich für ein Tunnel-Projekt gestarteten Firma The Boring Company am Hyperloop arbeiten zu wollen.
Im Hamburger Projekt dagegen ist Hyperloop TT Partner. Das Unternehmen hat ein Entwicklungszentrum am Luftfahrtstandort Toulouse, der mit Hamburg bereits bei Airbus kooperiert. Dort soll es 2019 erste Testfahrten geben. Hyperloop TT hat zudem mehrere Projekte. In Abu Dhabi vereinbarte die Projektgruppe zuletzt im Oktober, eine kommerzielle Strecke und ein Entwicklungszentrum errichten zu wollen.
Im Januar 2017 vereinbarte Hyperloop TT in der Slowakei eine Machbarkeitsstudie für eine Strecke zwischen der tschechischen Stadt Brno und Bratislava, die bis zu Tschechiens Hauptstadt Prag weitergeführt werden könnte.
In dem Jahr gab es außerdem einen Abschluss mit südkoreanischen Akteuren für die Entwicklung eines Testfelds und einer Studie für ein Hyperloop-System für das Land. In der indonesischen Hauptstadt Jakarta sammelte das Unternehmen 2,5 Millionen Euro bei privaten Investoren ein, die eine Strecke über die Hauptinseln in Angriff nehmen wollen.
Für HHLA könnte interessant werden, dass Hyperloop TT auch in der Ukraine eine Absichtserklärung unterzeichnet hat. Der Hafenbetreiber ist in dem Land ebenfalls als Terminalbetreiber tätig.
Realistischer als ein schneller Regelbetrieb scheint jedoch, dass HHLA mit dem Projekt vor allem das Image des Hamburger Hafens auffrischt. Die ehemalige Daimler-Managerin Titzrath kam vor zwei Jahren zu dem börsennotierten Unternehmen, an dem die Stadt Hamburg beteiligt ist. Sie soll dem Hafen eine Zukunftsvision im digitalen Zeitalter geben.
Start-up-Financier Elon Musk treibt den Bau seines Tunnelsystems voran – und wird von der Stadt Los Angeles von einer Umweltprüfung befreit.
Das Hyperloop-Projekt, in das die Partner zunächst überschaubare sieben Millionen Euro stecken, ist dafür ein gutes Signal: „Es hieß nach meinem Antritt immer: Sie haben Digitalisierung versprochen, dann liefern Sie doch mal, Frau Titzrath“, sagte die 52-Jährige am Mittwoch. Jetzt bekommt sie ein Vorzeigeprojekt: Der Test-Bahnhof im Hafen soll pünktlich zum weltweiten Mobilitätskongress ITS fertig werden, der 2021 in Hamburg stattfindet.
Der Hafen könnte damit demonstrieren, dass es ihm mit der Zukunft der Hinterlandanbindungen ernst ist. Denn Hamburg muss einige Überzeugungsarbeit bei den Reedern leisten. Während sich die angekündigte Elbvertiefung wegen der Umweltauflagen um ein Jahrzehnt verschob und erst in zwei Jahren fertig wird, verlagerten die Schiffsbetreiber viel Verkehr: Rotterdam und Antwerpen meldeten in den vergangenen Jahren deutliches Wachstum, während Hamburg Ladung verlor.
In den ersten neun Monaten 2018 schrumpfte der Umschlag gegenüber dem Vorjahreszeitraum nach Daten der Marketing-Gesellschaft des Hafens um 3,4 Prozent auf 100,8 Millionen Tonnen. Der wichtige Containerumschlag verringerte sich um 2,4 Prozent auf 6,6 Millionen Standardcontainer (TEU).
Diesen Trend wollen HHLA und die anderen Hafen-Unternehmen aufhalten. Ihr Hauptargument ist die Hinterland-Anbindung des Hafens, der tiefer im europäischen Hinterland liegt als die der westlich gelegenen Konkurrenten und auf seine Bahnanbindung verweist.
Unter Los Angeles baut die „Boring Company“ von Tesla-Gründer Elon Musk das Loop-Tunnelsystem. Einen Prototyp-Abschnitt können die Amerikaner schon bald gratis testen.
Mit dem neuen Gemeinschaftsunternehmen kann Titzrath nun hoffen, dass etwas von der visionären Kraft des Hyperloop auf den Hafen abstrahlt – und im Idealfall später sogar die Technik an andere Häfen lizensieren. „Einerseits beklagen wir in Deutschland, dass wir technologisch hinterherhinken, andererseits werden Ideen schon zerredet, noch bevor sie starten“, sagte Titzrath. Daher sei das „mutige und visionäre Vorhaben“ wichtig.
Auch Hyperloop-TT-Chef Ahlborn warb um Vertrauen. Das Projekt habe aus dem Scheitern des Transrapid, der in den 2000er-Jahren auch zwischen Hamburg und Berlin geplant war, gelernt. Die Technik sei deutlich billiger, da der Hyperloop in Röhren mit Unterdruck eine kostengünstigere Magnetschwebetechnik einsetzen könne.
Als Richtgröße gab er Kosten von 20 Millionen Euro pro Kilometer Strecke an. Containerkapseln könnten nach seinen Plänen im Abstand von 40 Sekunden durch die Röhre rasen – mit annährend Schallgeschwindigkeit, aber möglicherweise auch langsamer.
Wesentlich sei im Güterverkehr nicht die Geschwindigkeit, sondern die bessere und kostengünstigere Hinterlandanbindung. Titzrath meinte, damit könnte die Auslastung der bestehenden Containerterminals deutlich steigen – und der Hamburger Hafen so wieder an Umschlag gewinnen. Das ist auch für die Hamburger Rot-Grüne Regierungskoalition wichtig: Der Hamburger Hafen dürfte in der Bürgerschaftswahl in zwei Jahren zum Thema werden.
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