PremiumImpfstoff-Transporte und das Containerchaos sorgten für Rekordergebnisse beim Schweizer Logistikriesen. Der Boom ist vorbei – trotzdem will der neue CEO die Gewinnspanne halten.
Kühne + Nagel
Die Aktionäre von Kühne + Nagel sollen sich bei der Gewinnspanne nicht mit weniger zufriedengeben müssen.
Bild: Kühne+Nagel
Zürich Stefan Paul ist angetreten, um den Ausnahmezustand zur Normalität werden zu lassen. Als der Manager im August 2022 zum Chef des Schweizer Logistikriesen Kühne + Nagel aufstieg, sorgten hohe Raten in der Containerschifffahrt und der Luftfracht für Rekordgewinne. Seither hat sich das wirtschaftliche Umfeld abgekühlt, die Transportkosten auf See und in der Luft gehen zurück. Dennoch sollen sich die Aktionäre von Kühne + Nagel bei der Gewinnspanne nicht mit weniger zufriedengeben müssen.
„Es muss immer die Rendite im Fokus stehen“, sagte Paul am Mittwoch bei der Präsentation der neuen Konzernstrategie für die nächsten vier Jahre unter seiner Führung. Er betonte: „Wir werden das Wachstum nicht einstellen.“ Doch im Zentrum seiner Strategie stehe, die Gewinnspannen aus den Jahren 2021 und 2022 zu sichern.
Die wichtigste Kennziffer, an der sich Paul messen lassen muss, ist das Verhältnis von Rohertrag und Vorsteuergewinn (Ebit). Dieses lag im vergangenen Jahr bei knapp 34 Prozent – mehr als jeder dritte Franken auf der Ertragsseite blieb als Gewinn hängen. 2021 waren es 30 Prozent.
Dieses Niveau will Paul halten: Als Profitziel hat er 25 bis 30 Prozent bis zum Jahr 2026 ausgegeben. Vontobel-Analyst Michael Foeth lobt, dieses ambitionierte Ziel übertreffe die Markterwartungen deutlich. „Daraus ergibt sich ein großes Aufwärtspotenzial bei der Bewertung.“ Die Aktie notierte am Mittwoch zeitweise neun Prozent im Plus.
Zum Vergleich: Vor der Pandemie lag die Zielmarke für das Verhältnis von Rohertrag zum Ebit bei 16 Prozent. „Es waren herausragende Jahre“, sagte Paul mit Blick auf zwei Rekordjahresergebnisse in Folge für Kühne + Nagel. Um seine selbst gesteckten Ziele zu erreichen, will er den Logistikkonzern mit neuen digitalen Lösungen zu mehr Effizienz verhelfen und neue Märkte erschließen – eine Strategie, die bereits bei Pauls vorherigem Job zum Erfolg führte.
Dass Paul zum CEO aufsteigen würde, war nicht selbstverständlich. Er leitete zuvor die Lkw-Transportsparte, die intern „Landverkehr“ genannt wird. Mit zuletzt vier Milliarden Franken Umsatz ist dies die kleinste Sparte im Konzern. Die Sparten Luft- und Seefracht tragen jeweils drei- bis viermal so viel zum Konzernumsatz bei und sorgen auch für den Großteil des Gewinns. In beiden Geschäftsfeldern ist Kühne + Nagel nach eigenen Angaben global die Nummer eins. Bei der Lkw-Logistik ist der Konzern vor allem in Europa stark – weltweit reicht es für Platz fünf.
Stefan Paul
Pauls Bilanz als Sanierer der Landverkehrssparte beeindruckte die Entscheidungsträger um Großaktionär Klaus-Michael Kühne.
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Doch Pauls Bilanz als Sanierer der Landverkehrssparte beeindruckte die Entscheidungsträger um Großaktionär Klaus-Michael Kühne und seinen Vertrauten, Verwaltungsratschef Jörg Wolle. Lange galten die margenschwachen Lkw-Transporte als Sorgenkind des Konzerns. Doch unter Pauls Führung erreichte die Division die schwarzen Zahlen und baute die Profitabilität sukzessive aus. In den vergangenen fünf Jahren sei der Gewinn der Sparte um 55 Prozent gewachsen, bestätigt Finanzvorstand Markus Blanka-Graff. „Das ist eine Errungenschaft, die sich sehen lassen kann“, sagt er mit Blick auf die Bilanz des neuen CEOs.
Paul brachte zudem die wichtigste Eigenschaft für den Chefposten bei Kühne + Nagel mit: Stallgeruch. Er begann seine Karriere im Unternehmen 1990. Insgesamt arbeitete er 17 Jahren im Konzern, unterbrochen von zehn Jahren in verschiedenen Führungspositionen bei dem deutschen Konkurrenten DHL. Bei Kühne + Nagel ist es üblich, Schlüsselpositionen im Vorstand mit Managern zu besetzen, die seit vielen Jahren im Konzern sind.
2020 übernahm Paul zusätzlich zum Lkw-Ressort den globalen Vertrieb. Sein Erfolgsrezept als Chef der Lkw-Transporte will er auf den gesamten Konzern ausweiten. Das bedeutet: sich nicht auf Rabattschlachten einlassen. „Wir wollen nicht der günstigste Anbieter sein“, sagt Paul.
Stattdessen wolle Kühne + Nagel mit Servicequalität und Kundenzufriedenheit punkten. Dabei sollen auch digitale Lösungen helfen. Als Chef der Lkw-Sparte lancierte Paul etwa die Cloud-basierte App „eTrucknow“, mit der Kunden den Verbleib ihrer Ladung in Echtzeit nachverfolgen oder die Auslastung ihrer Lkw-Flotte optimieren können. Mit ähnlichen Cloud-Lösungen will Paul auch die Effizienz der übrigen Geschäftsteile erhöhen.
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Am Kerngeschäft von Kühne + Nagel will Paul indes nicht rütteln. Das Unternehmen mit Sitz im Schweizer Ort Schindellegi funktioniert ähnlich wie eine Börse: Es bringt Anbieter und Nachfrager von Frachtkapazitäten zusammen. Kühne + Nagel hält jedoch selbst nur in geringem Umfang Flugzeuge, Schiffe oder Lastwagen in der eigenen Bilanz. An diesem sogenannten Asset-Light-Modell werde er festhalten, betonte Paul.
Zwar hatte Kühne + Nagel erst zu Beginn des Jahres die letzten beiden Jumbojets aus der Boeing-Produktion übernommen. Doch solche Deals bleiben eine Ausnahme, versicherte der Kühne + Nagel-Chef. Der Vorteil des Geschäftsmodells: Der typische Logistik-Schweinezyklus, in dem auf Jahre mit hohen Gewinnen stets verlustreiche Zeiten mit hohen Überkapazitäten folgen, trifft den Schweizer Konzern weit weniger.
Kein Wunder also, dass der Verwaltungsrat des Logistikkonzerns nicht zu Experimenten neigt: Chefaufseher Wolle sagte im November 2021 bei der Ernennung von Paul als Nachfolger von Detlef Trefzger, bei der Auswahl des Konzernchefs „richtet sich das Augenmerk angesichts der sehr erfolgreichen Entwicklung auf die Sicherstellung der Kontinuität“. Mit der Berufung von Paul „werden die strategische Ausrichtung und spezifische Firmenkultur gesichert“.
Daher erteilt das Topmanagement Spekulationen über Großfusionen stets eine Absage. „Wir setzen auf komplementäre Akquisitionen, die eine gut verdaubare Größe haben“, stellte Finanzvorstand Blanka-Graff klar. Daran änderten auch die Beteiligungen von Großaktionär Kühne nichts. Der Milliardär hält unter anderem größere Aktienpakete an der Lufthansa sowie an der Reederei Hapag-Lloyd – beides wichtige Kunden von Kühne + Nagel.
Stattdessen will Paul in Geschäftsbereiche vordringen, in denen der Konzern bisher schwach ist, sich aber großes Wachstum erhofft. Dazu zählt er Logistiklösungen für den Bau und den Betrieb von Windkraftanlagen. Die Branche erfordere neben komplexen Transporten für den Bau dezentrale Lager für die Ersatzteilversorgung.
Die Luftfracht und Kontraktlogistik sollen zudem stärker vom Ausbau der Chipindustrie außerhalb Asiens profitieren. „Wir wählen ganz bewusst Märkte, die eine hohe Eintrittsbarriere haben“, sagt Paul. Sie versprechen weniger Wettbewerb – und daher hohe Gewinnspannen.
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